Die Welt am Rand des Unvorstellbaren – Das Rote Kreuz warnt vor einem Krieg ohne Grenzen

VonRainer Hofmann

Juni 22, 2025

Inmitten der sich dramatisch zuspitzenden Lage im Nahen Osten hat die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Mirjana Spoljaric, eine eindringliche Warnung ausgesprochen – und Worte gewählt, wie sie im internationalen Diskurs selten so klar und unmissverständlich fallen: „Die Welt kann keinen grenzenlosen Krieg verkraften.“ Es ist ein Appell an die Vernunft in einer Zeit, in der Vernunft zur Ausnahme geworden ist. Es ist die Erinnerung daran, dass Kriege nicht nur von Raketen und Militärstrategien entschieden werden, sondern vor allem von ihrer Wirkung auf Menschenleben, Gesellschaften und die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Spoljaric warnte davor, dass die derzeitige Eskalation das Potenzial habe, „die Region – und die Welt – in einen Krieg mit unumkehrbaren Folgen hineinzuziehen“. Das ist mehr als diplomatischer Alarmismus. Es ist die Einschätzung einer Institution, deren Neutralität unumstritten ist und deren tägliches Geschäft es ist, menschliches Leid in Kriegsgebieten zu lindern. Wenn das Rote Kreuz spricht, dann nicht mit politischen Absichten – sondern aus der direkten Erfahrung mit den Opfern von Gewalt, Flucht und systematischer Zerstörung.

Besonders scharf formulierte Spoljaric die Verpflichtung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts: „Die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ist keine Wahl – sie ist eine Verpflichtung.“ In einer Welt, in der Staaten wieder vermehrt das Recht des Stärkeren über das Recht an sich stellen, klingt dieser Satz fast wie aus einer anderen Epoche – und ist doch aktueller denn je. Denn gerade in asymmetrischen Konflikten, wie wir sie heute zwischen Israel, dem Iran und regionalen Stellvertreterkräften erleben, geraten die Regeln des Krieges allzu oft ins Wanken. Zivile Infrastruktur wird bombardiert, humanitäre Korridore werden blockiert, das Leid der Unschuldigen zur politischen Waffe gemacht. Die Mahnung des Roten Kreuzes ist nicht nur eine Warnung – sie ist auch ein moralischer Prüfstein.

Die Frage, die sie unausgesprochen stellt, lautet: Wollen wir hinnehmen, dass die Welt in einen Zustand zurückfällt, in dem Krieg wieder als legitimes Mittel der Politik gilt – ohne Rücksicht auf zivile Opfer, internationale Normen und die Folgen für kommende Generationen? Oder erkennen wir in letzter Minute, dass es keine Sieger in einem Krieg ohne Grenzen geben kann – nur Verlierer, deren Stimmen irgendwann zu schwach sein werden, um noch gehört zu werden? Die Worte von Mirjana Spoljaric sind deshalb kein Kommentar zur Lage, sondern ein Ruf an die Weltgemeinschaft: innezuhalten, Verantwortung zu übernehmen – und nicht den letzten Faden zu zerreißen, der uns an eine gemeinsame, menschliche Ordnung bindet.

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