Es gibt Momente in der Geschichte, in denen ein einziger Befehl ausreicht, um jahrzehntelange diplomatische Arbeit zu zerstören – und die Welt in einen Abgrund zu stürzen, dessen Tiefe niemand wirklich abschätzen kann. Der Angriff der Vereinigten Staaten auf drei iranische Atomanlagen – Fordow, Natanz und Isfahan – in der Nacht zum 22. Juni 2025 markiert einen solchen Moment. Es war nicht nur ein militärischer Schlag, es war ein gezielter Angriff auf kritische Infrastruktur, in der mit hochangereichertem Uran gearbeitet wird – inmitten eines eskalierenden Regionalkrieges zwischen Israel und Iran. Dass US-Präsident Donald Trump den Angriff in den sozialen Medien als „sehr erfolgreich“ bezeichnete, entlarvt die Rücksichtslosigkeit einer Regierung, die glaubt, militärische Stärke könne an die Stelle von Verantwortung treten. Mit dem Einsatz von B-2-Tarnkappenbombern und bunkerbrechenden Bomben der höchsten Sprengkraft hat das Pentagon nicht nur den Iran provoziert, sondern auch die grundlegendsten Prinzipien der nuklearen Sicherheit verletzt. Die Bombardierung aktiver Atomanlagen birgt nicht nur die Gefahr radioaktiver Freisetzungen, sondern auch das Risiko, dass ein solcher Präzedenzfall von anderen Akteuren als Freibrief für ähnliche Angriffe gewertet wird.
Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, kündigte eine Krisensitzung des Gouverneursrats für Montag an. Dass ein solches Gremium überhaupt zusammentreten muss, um über Angriffe auf nukleare Einrichtungen eines Staates zu beraten, zeigt die Brisanz des Augenblicks. Dabei hatten selbst US-Geheimdienste noch vergangene Woche erklärt, Iran stelle keine unmittelbare Bedrohung durch ein einsatzfähiges Atomwaffenprogramm dar. Der demokratische Senator Chris Murphy schrieb, Iran sei nicht nahe daran gewesen, eine einsatzfähige Nuklearwaffe zu bauen. Die Gespräche, die durch Israels Angriffe zunichtegemacht wurden, hätten Erfolg haben können. Was nun droht, ist ein völliger Zusammenbruch der Diplomatie. Der iranische Außenminister Abbas Araghchi erklärte, sowohl die bilateralen Gespräche mit den USA als auch die Verhandlungen mit der EU seien durch die Angriffe beendet worden. Auch der iranische UN-Botschafter warf den USA vor, den Krieg selbst begonnen zu haben – ein Krieg, der bei weiterem Fortgang nicht nur regionale, sondern globale Dimensionen annehmen könnte.
Der Angriff auf Nuklearanlagen ist mehr als eine Provokation – er ist ein Tabubruch. Derartige Ziele gelten seit Jahrzehnten als rote Linie in der internationalen Sicherheitsordnung. Wer sie angreift, spielt mit der Möglichkeit radioaktiver Katastrophen, mit der Destabilisierung ganzer Regionen – und mit der Glaubwürdigkeit der nuklearen Abrüstungsregime weltweit. Auch die Symbolik der Standorte ist beunruhigend: Fordow, tief in den Fels gebohrt, galt einst als Beweis für Irans Fortschritte in der Urananreicherung. Natanz war bereits mehrfach Ziel von Sabotageakten – und Isfahan ist das Herzstück der iranischen Konversionstechnologie. Ein Angriff auf diese Anlagen ist kein chirurgischer Eingriff, wie US-Offizielle suggerieren – es ist eine gezielte Beschädigung eines komplexen, gefährlichen Systems. Während in Israel Verletzte gezählt und Trümmer geräumt werden, Bahrain seine Bürger auffordert, Straßen zu meiden, und Europa sprachlos wirkt, steht die Welt vor einer neuen Realität: Die Schwelle zur militärischen Eskalation rund um Nukleartechnologie ist überschritten worden. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass aus diesem Akt der Verantwortungslosigkeit nicht der Beginn einer unkontrollierbaren nuklearen Kettenreaktion wird – nicht im Reaktor, sondern im geopolitischen Raum. Doch Hoffnung war selten ein tragfähiger Ersatz für Weitsicht.


Ist es nicht viel krasser, wenn ein Staat die Vernichtung eines anderen Staates propagiert und dann Uran jenseits der 5% anreichert?
Die Frage zielt auf ein zentrales Spannungsfeld der internationalen Sicherheitspolitik: das Verhältnis zwischen politischer Rhetorik und nuklearer Ambition. Am Beispiel des Iran, der immer wieder durch israelfeindliche Aussagen auffällt und zugleich Uran über den Schwellenwert von 5 % hinaus anreichert, entsteht auf den ersten Blick ein Bild der Bedrohung, das nicht nur ernst genommen werden muss, sondern international zurecht Besorgnis auslöst. Doch eine differenzierte Betrachtung zeigt: Die tatsächliche Gefährdungslage ergibt sich erst im Kontext – und nicht in moralischer Schwarz-Weiß-Malerei.
Zunächst ist unbestritten, dass Vernichtungsrhetorik – egal von welchem Staat – niemals bagatellisiert werden darf. Wenn Teile der iranischen Führung offen die Auslöschung Israels fordern oder dieses Ziel zumindest implizit gutheißen, überschreiten sie eine rhetorische Schwelle, die auch völkerrechtlich und diplomatisch Konsequenzen haben sollte. Gleichzeitig jedoch ist die Anreicherung von Uran über 5 % aus technischer Sicht noch weit von einer waffenfähigen Stufe entfernt. Die Produktion von hochangereichertem Uran (über 90 %) sowie der Bau einer einsatzfähigen Atomwaffe erfordert zusätzliche Schritte, die bislang nicht belegt sind. Dass Iran nach dem Bruch des Atomabkommens durch die USA überhaupt wieder anreichert, ist somit nicht der Ausgangspunkt der Eskalation, sondern eine politisch motivierte Reaktion – keine Überraschung, sondern absehbare Folge eines gebrochenen internationalen Vertrags.