Wagners Abgang, Moskaus Schatten – Mali und das neue Gesicht des russischen Krieges

VonRainer Hofmann

Juni 7, 2025

Es beginnt mit einem Satz, der nach Triumph klingen soll, aber nach Rückzug klingt: „Mission erfüllt. Die private Militärfirma Wagner kehrt heim.“ So verlautbarte es am Freitagabend über einen Telegram-Kanal der Söldnergruppe – als wäre die Geschichte, die sie hinterlässt, nichts als eine erledigte Formalie. Doch Mali, dieser Staubkreis zwischen Wüste und Hoffnung, ist kein Ort für Abgesänge. Und was bleibt, ist nicht Abwesenheit – sondern ein anderer Akzent der gleichen Gewalt.

Dreieinhalb Jahre lang war Wagner in Mali. In jener schmalen Phase nach dem französischen Rückzug und dem Kollaps internationaler Friedensmissionen, als die Gewalt bereits zu einem ständigen Grollen geworden war. Nun zieht sich die Gruppe zurück – oder wird zurückgezogen – nach schweren Verlusten in jüngsten Kämpfen mit der Al-Qaida-nahen Gruppierung JNIM. Dutzende malische Soldaten fielen, ebenso Söldner. Die Öffentlichkeit erfuhr davon nur bruchstückhaft. Die Bilder, die bleiben, sind jene von Leichen in Uniform, von verbrannten Stellungen, von Frauen, die schweigen.

Doch der Kreml bleibt. Nur anders. Während Wagner offiziell das Feld räumt, übernimmt eine neue Struktur ihren Platz: das sogenannte Africa Corps. Keine private Armee mehr, sondern direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt. Eine staatliche Schattenarmee, weniger sichtbar, aber nicht weniger wirksam. Sie operiert nicht im Namen des Geldes, sondern im Namen des Staates. Analystinnen wie Beverly Ochieng von Control Risks sehen darin den Vollzug eines Plans, den Moskau bereits seit dem Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Jahr 2023 verfolgte: die völlige Eingliederung der paramilitärischen Kräfte unter staatliches Kommando. Die Gründung des Africa Corps sei mehr als ein Rebranding – es sei die Antwort auf die Unzuverlässigkeit der Söldner, auf ihre Widerspenstigkeit, ihren Eigensinn.

Während Wagner in Mali auftrat wie eine Armee ohne Staat, agiert das Africa Corps als Armee ohne Grenzen. Es verspricht Ausbildung statt Offensive, Schutz statt Eskalation – zumindest auf dem Papier. Tatsächlich aber ist das Ziel dasselbe geblieben: geopolitische Verankerung im Herzen Afrikas. Die russische Flagge weht nun diskreter, aber sie weht. Die Realität vor Ort bleibt düster. Immer wieder gibt es Berichte über Massaker, über verschwundene Männer, über Dörfer, die im Nebel militärischer Operationen aufhören zu existieren. Im Dezember warf Human Rights Watch der malischen Armee und Wagner gezielte Tötungen von mindestens 32 Zivilisten innerhalb von acht Monaten vor. Die UN fordert Aufklärung, doch das Echo bleibt schwach.

Es ist eine seltsame Art von Partnerschaft, die hier gewachsen ist – eine zwischen einem Militärregime, das seine eigene Bevölkerung für Verdächtige hält, und einer Großmacht, die aus Schwäche Stärke zu machen versucht. Mali, das einst auf internationale Hilfe setzte, findet sich nun im Griff eines neuen Protektors, der nicht fragt, sondern handelt.

Der Wechsel von Wagner zu Africa Corps markiert somit weniger ein Ende als eine Verwandlung. Weg vom martialischen Rambo-Typus, wie der Analyst Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung es nennt, hin zu einer stilleren, institutionelleren Form militärischer Durchdringung. Das Africa Corps kämpft weniger, trainiert mehr. Es liefert Ausrüstung, sichert Stellungen – und verankert Russland tief in der strategischen Struktur eines Landes, das längst zu einem Spielball geworden ist.

Doch wer glaubt, dieser Wandel bringe Frieden, irrt. Denn auch ein leichter Fußabdruck kann tiefe Spuren hinterlassen – besonders in einem Land, dessen Boden aus Blut und Sand besteht. So bleibt Mali ein Land im Übergang. Zwischen Hoffnung und Erschöpfung, zwischen Söldnern und Soldaten, zwischen Vergangenheit und Zukunft, die sich immer wieder als Wiederholung entpupft. Und Russland? Es bleibt. Nur leiser. Nur klüger. Nur noch gefährlicher.

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