Es klingt wie ein schlechter Witz aus einem dystopischen Film – doch der Satz fiel so, öffentlich und ohne ein Zucken: „Wenn du auf einer Straße fährst und ein Mob dein Auto umzingelt und dich bedroht, hast du das Recht, zu fliehen. Und wenn du dabei jemanden überfährst, ist das deren Schuld.“ Gesagt hat das nicht irgendjemand. Es war Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Und was er da verkündete, ist mehr als nur eine politische Entgleisung – es ist eine Generalvollmacht zur Gewalt gegen Protestierende.
DeSantis äußerte sich in der Sendung Rubin Report. Seine Botschaft: In Florida gilt das Recht auf Selbstverteidigung auch am Steuer. Wer sich subjektiv bedroht fühlt, darf Gas geben. Ob Menschen dabei verletzt oder getötet werden, sei zweitrangig. Schuld sei der „Mob“, der angeblich das Auto blockiere. Was DeSantis hier inszeniert, ist nichts weniger als ein staatlich autorisiertes Freifahrtsignal gegen jede Form zivilgesellschaftlicher Mobilisierung – ein Stand your ground mit Gaspedal statt Schusswaffe.
Das Ganze hat einen juristischen Hintergrund: Das sogenannte Combating Public Disorder Act, 2021 in Kraft getreten, gewährt Autofahrern zivilrechtliche Immunität, wenn sie behaupten, sich in einer bedrohlichen Protestsituation zu befinden. Doch das Gesetz wird nun durch die Worte des Gouverneurs zur politischen Waffe. Es geht nicht mehr nur um juristische Feinheiten, sondern um eine kulturelle Feinderklärung an das Demonstrationsrecht selbst. Das Signal an die Öffentlichkeit lautet: Wer auf die Straße geht, setzt sein Leben aufs Spiel – und das ganz legal.
Wie ernst diese Rhetorik ist und welche gefährlichen Konsequenzen sie haben kann, zeigte sich bei einem Protest am vergangenen Wochenende: Ein Pickup-Fahrer hielt nicht an, fuhr in die Menge und überrollte dabei eine Frau. Aus Respekt vor der Betroffenen haben wir das Video bewusst nicht veröffentlicht – und wir möchten es auch nicht in den Kommentaren wiederfinden. Wer es dort dennoch zu posten versucht, muss damit rechnen, dass der gesamte Beitrag einschließlich Nutzername entfernt wird. Der Frau geht es den Umständen entsprechend gut, sie wurde glücklicherweise nicht lebensgefährlich verletzt. Doch der Vorfall macht deutlich, was solche Gesetze in der Realität anrichten können.
Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. In sozialen Netzwerken verglichen User das Gesetz mit einem Freibrief für Lynchjustiz. „Was ist ein Protest, was ein Mob?“, fragte ein Nutzer auf Reddit. „Wenn ich Angst habe, kann ich dann jeden überfahren, der mir im Weg steht?“ Und genau hier liegt das Problem: Wo Angst zum Maßstab für Gewalt wird, wo subjektive Bedrohung über das Recht auf körperliche Unversehrtheit gestellt wird, da beginnt autoritäre Willkür.
Ron DeSantis präsentiert sich gern als Hardliner, als Bollwerk gegen „Woke Culture“, Migration, Genderpolitik – und eben auch gegen linke Proteste. Doch was sich hier offenbart, ist mehr als konservative Härte. Es ist ein kalkulierter Angriff auf die Grundfesten demokratischer Teilhabe. Wer politische Gegner nicht argumentativ besiegt, der erklärt sie zum Feind – zum Mob – und räumt sie im Zweifel einfach von der Straße.
Diese Politik ist gefährlich. Nicht nur, weil sie Gewalt legitimiert, sondern weil sie die Grenze zwischen Recht und Rache auflöst. Wer einen Protest mit einer Bedrohung gleichsetzt, wer Zivilisten als Mob denunziert und Fahrer zu Richtern über Leben und Tod macht, der zerstört das Fundament freiheitlicher Gesellschaften: den öffentlichen Raum als Ort der Auseinandersetzung – nicht der Auslöschung.
Man kann es nicht anders sagen: DeSantis hat mit seiner Aussage ein neues Niveau der Verrohung erreicht. Und wenn niemand widerspricht, wird aus dieser Ideologie bald Realität. Nicht nur in Florida.