Es begann mit einem Surren, das kaum von Wind oder Technik zu unterscheiden war – doch kurz darauf war es der Klang von Zerstörung, der die Städte Kiew und Odesa aus der Dunkelheit riss. In der Nacht auf Dienstag entfesselte Russland einen der massivsten Angriffe seit Beginn des Krieges vor über drei Jahren. Über 315 Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed und mindestens sieben Raketen schlugen auf ukrainischem Gebiet ein. Zwei Menschen starben, mindestens dreizehn wurden verletzt. Ein Krankenhaus für Gebärende in Odesa wurde getroffen. Wohnhäuser stürzten ein. Und in den Metrostationen der Hauptstadt kauerten Familien mit Kleinkindern auf Decken, während draußen Trümmer vom Himmel regneten. Es war, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj später sagte, „einer der größten Angriffe seit Kriegsbeginn“. Die Zahl der eingesetzten Drohnen übertraf alles bisher Gesehene – und war zugleich eine unmissverständliche Botschaft: Russland antwortet mit maximaler Gewalt auf den ukrainischen Drohnenangriff vom 1. Juni, bei dem ukrainische Einheiten russische Luftwaffenstützpunkte weit hinter der Frontlinie attackiert hatten.
Doch der Krieg trifft nicht nur militärische Ziele. In Odesa, jener historischen Hafenstadt am Schwarzen Meer, traf eine Rakete ein Geburtshaus. In den Trümmern starben zwei Menschen, neun weitere wurden verletzt. In Kiew brannten Dächer, in vier Stadtbezirken loderten Flammen. Teile abgeschossener Drohnen fielen auf Wohnhäuser und Lagerhallen. Vier Menschen wurden verletzt – von Splittern, Druckwellen, einstürzenden Mauern. „Diese Shaheds – ich bete immer, dass sie mich überfliegen“, sagte Vasyl Pesenko, ein 25-Jähriger aus Kiew, der in seiner zerstörten Küche stand. „Aber diesmal kam sie näher, näher – und dann war alles weg.“ Es ist eine Erfahrung, die viele teilen. In den U-Bahn-Schächten von Kiew suchten hunderte Menschen Schutz. Manche lagen einfach nur da, starr, regungslos. Eine junge Mutter, Nina Nosivets, hielt ihr acht Monate altes Baby auf dem Schoß: „Ich versuche, nicht nachzudenken. Wie eine Maus: ruhig, leise, und warten, bis es vorbei ist.“
Die Reaktionen auf die Angriffe bleiben indes ohnmächtig. „Russische Raketen sind lauter als die Bemühungen der USA und Europas, Russland zum Frieden zu zwingen“, schrieb Selenskyj. Er forderte erneut „konkrete Taten“ statt leerer Appelle. Auch Innenminister Ihor Klymenko meldete sich zu Wort: 19 Brände seien durch den Angriff ausgelöst worden. „Russland muss für jedes einzelne Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Sicherheit – weder für die Ukraine noch für die Welt.“
Gleichzeitig eskaliert die Lage auch auf russischer Seite. Laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wurden am selben Morgen 102 ukrainische Drohnen abgeschossen – nicht nur an der Grenze, sondern tief im Inneren Russlands, darunter über Moskau und der Region Leningrad. Zahlreiche Flughäfen, unter anderem alle vier Airports in Moskau sowie der Flughafen Pulkowo in Sankt Petersburg, stellten zeitweise den Betrieb ein. Es ist ein beidseitiger Kampf mit wachsender Wucht, doch auf dem Rücken derer ausgetragen, die kaum eine Wahl haben: der Zivilbevölkerung. Während in Istanbul weiter über Waffenstillstände und Gefangenenaustausch verhandelt wird, bleibt der einzige sichtbare „Erfolg“ der Diplomatie der regelmäßige Austausch von Kriegsgefangenen. Frieden aber bleibt ein ferner Gedanke.
Die Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2025 wird in das kollektive Gedächtnis der Ukraine eingehen. Nicht nur wegen der Zahl der Drohnen. Sondern weil sie erneut gezeigt hat, was dieser Krieg vor allem bedeutet: Angst im Dunkeln, Flucht in Kellern, das Ausharren kleiner Kinder auf kaltem Beton – und die Frage, wie lange die Welt noch wegschauen will.
Wann hört dieser Wahnsinn in den Kriegsgebieten für Mensch und Tier endlich auf! Wann dürfen sie endlich zur Ruhe kommen?
gute frage, aber innerhalb der bevölkerung wächst der widerstand