Die Beziehung zwischen Robert Sesselmann, dem ersten AfD-Landrat Deutschlands, und Angela Schaller, einer ehemaligen führenden Aktivistin der Neonazi-Szene, wirft eine Vielzahl gesellschaftspolitischer und moralischer Fragen auf. Dieser Fall beleuchtet nicht nur die persönliche Verstrickung einer öffentlichen Figur, sondern auch die potenziellen Konsequenzen für die öffentliche Wahrnehmung und die politische Integrität.
Hintergrund der Beziehung und öffentliche Relevanz
Angela Schaller war in der Vergangenheit eine prominente Akteurin innerhalb der rechtsextremen Szene, insbesondere durch ihre Aktivitäten für die NPD und ihre Unterstützung für neonazistische Netzwerke. Auch uns ist der Name Schaller schon damals über den Weg gelaufen und zwar immer dann, wenn es um rechtsradikale Recherchen ging, wie z.B. im Fall über die Aufdeckung von Polizisten in Baden-Württemberg, die dem Ku Klux Klan angehörten.
Sie verlor 2016 ihre Anstellung bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO), nachdem Veröffentlichungen antifaschistischer Gruppen ihre NS-ideologischen Aktivitäten aufgedeckt hatten. Infolgedessen nahm sie eine Stelle als Pflegehelferin in einer Arztpraxis an, während sie ihre neonazistische Gesinnung zunächst weiterhin öffentlich zur Schau stellte. Im Rahmen ihrer politischen Aktivitäten spielte Schaller eine zentrale Rolle in der Kampagne „Thügida“ und unterstützte die Shoa-Leugnerin und rechtsextreme Aktivistin Ursula Haverbeck. Zudem trat sie bei Veranstaltungen der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“ auf und organisierte Demonstrationen zugunsten Haverbecks. Schallers Aktivitäten umfassten auch die Organisation rechtsextremer Treffen, darunter der sogenannte „Thing-Kreis“ in Südthüringen, sowie ihre Mitwirkung als Pressesprecherin beim „Schild & Schwert“-Festival in Ostritz, einer Veranstaltung mit direktem Bezug zu rechtsterroristischen Netzwerken.
Moralische und politische Implikationen
Die Frage, inwieweit die Vergangenheit einer Person Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung eines politischen Amtes hat, ist komplex. Das Recht auf persönliche Entwicklung und Distanzierung von extremistischen Ideologien ist unbestritten. Angela Schaller erklärte 2019, dass sie ihre neonazistische Vergangenheit hinter sich gelassen habe und keine Verbindungen mehr zu früheren Netzwerken pflege.
Doch die Offenheit der Beziehung zwischen Sesselmann und Schaller, einschließlich gemeinsamer öffentlicher Auftritte, wirft Zweifel an einer konsequenten Distanzierung auf. Die öffentliche Relevanz dieses Falls ergibt sich insbesondere aus der ideologischen Nähe der AfD zu rechtsradikalen Positionen und der potenziellen Einflussnahme von Personen mit extremistischer Vergangenheit auf politische Entscheidungsprozesse. Die AfD steht immer wieder in der Kritik, nicht ausreichend zwischen der eigenen Parteiarbeit und rechtsextremen Ideologien zu trennen. Die Verbindung Sesselmanns zu einer ehemaligen Aktivistin dieser Szene könnte die Befürchtungen verstärken, dass extremistische Netzwerke direkten oder indirekten Einfluss auf politische Mandate der Partei ausüben.
Rechtliche und ethische Perspektive
Schaller beruft sich in ihrer Stellungnahme auf das „Recht auf Vergessenwerden“ gemäß Artikel 17 der DSGVO, das es Privatpersonen ermöglicht, die Löschung personenbezogener Daten zu verlangen, sofern diese nicht mehr für den ursprünglichen Zweck der Verarbeitung erforderlich sind. Jedoch findet dieses Recht in Fällen öffentlichen Interesses Einschränkungen. Da Schallers frühere Aktivitäten und ihre Verbindung zu einem politischen Amtsträger direkte Relevanz für die Öffentlichkeit haben, ist eine Berufung auf dieses Recht in diesem Kontext fraglich.
Aus ethischer Sicht ist zu bedenken, dass die journalistische Berichterstattung über die Vergangenheit von Einzelpersonen stets im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Interesse und Privatsphäre steht. Während eine tiefgehende Recherche zur Aufdeckung potenziell relevanter Informationen gerechtfertigt sein kann, ist eine differenzierte und respektvolle Behandlung der persönlichen Lebensführung von zentraler Bedeutung.
Und was nun?
Der Fall Sesselmann und Schaller wirft erhebliche Fragen zur Rolle von Vergangenheit und politischer Verantwortung auf. Die Beziehung offenbart mögliche Schwachstellen in der Abgrenzung der AfD gegenüber rechtsextremen Ideologien. Gleichzeitig bleibt es essenziell, den Grundsatz zu wahren, dass eine Distanzierung von extremistischem Gedankengut anerkannt und respektiert werden sollte – allerdings nur dann, wenn diese Distanzierung glaubwürdig und konsequent ist.