Zahlen steigen und steigen, und die Behörden scheinen immer weniger in der Lage, dem entgegenzuwirken.
Es mangelt an geschultem Personal, an entschlossenem Handeln und vor allem an einer klaren Strategie, um diese Entwicklung zu stoppen.
Da gibt es Beamte, die nicht einmal die gängigsten Codes der rechtsextremen Szene kennen – etwa „28 Radio“, das eben kein Radiosender ist, sondern eine Umschreibung für „Blood and Honour“. Wie soll man eine Gefahr bekämpfen, wenn man sie nicht einmal erkennt?
In den kommenden Tagen wird es ausführliche Berichte zu diesem Thema geben, insbesondere zur Rolle von „Blood and Honour“ und dessen Verbindungen zur Politik. Denn es ist höchste Zeit, dass in Deutschland etwas passiert. Bildung und Aufklärung müssen an erster Stelle stehen.
Der Eindruck drängt sich auf, als wäre Rechtsradikalismus inzwischen salonfähig geworden – eine „Mode“, etwas, das als „schick“ gilt. Aber das ist eine gefährliche Illusion. Rechtsradikalismus ist brandgefährlich, verachtenswert und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden.
Es braucht eine entschlossene Politik, eine funktionierende Strafverfolgung und vor allem mutigen Journalismus, der sich nicht scheut, Klartext zu schreiben. Nur durch eine offene, unerschrockene Berichterstattung lässt sich diesem Problem begegnen.
Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 41.406 rechtsextreme Straftaten im Jahr 2024 – ein neuer Höchststand, ein erschreckender Rekord. Schon 2023 waren die Zahlen mit 28.945 Delikten auf einem traurigen Höhepunkt, nun liegt der Anstieg bei 23 Prozent. Die Gewalt nimmt ebenfalls zu: 1.443 Gewalttaten wurden 2024 verzeichnet, darunter 988 Körperverletzungen, fünf Morde und fünf Mordversuche, dazu 17 Brandstiftungen. Und diese Zahlen sind noch nicht endgültig – Nachmeldungen und Fälle aus dem Dezember sind noch nicht einmal eingerechnet. Es ist davon auszugehen, dass die Statistik im Mai, wenn sie vom BKA offiziell veröffentlicht wird, noch düsterer ausfällt.
Besonders besorgniserregend ist der wachsende Anteil jugendlicher Täter. Rechtsextreme Gewalt verbreitet sich in einer neuen Generation, die durch soziale Netzwerke, rechte Netzwerke und politische Hetze radikalisiert wird. Petra Pau (Linke) spricht zurecht von einem „erschreckenden Aufwärtstrend“ – in den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der registrierten Delikte nahezu verdoppelt. Und was wurde dagegen getan? Viel zu wenig.
Der „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich als vollkommen naiv erwiesen. Während einige Maßnahmen, etwa Schutzprogramme für bedrohte Politiker, umgesetzt wurden, blieben andere wichtige Punkte – wie die Verschärfung des Waffenrechts – auf der Strecke. Und es bleibt nicht nur beim Versagen der Behörden: Die gesellschaftliche Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten trägt ihren Teil dazu bei, dass sich rechtsextreme Täter in ihrem Handeln legitimiert fühlen.
Ein Blick auf 2024 zeigt, dass besonders in Wahlkampfzeiten die rechtsextreme Gewalt eskaliert. Wahlkämpfe zum Europaparlament sowie zu den Landtagen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben zu einer Welle von Angriffen geführt – unter anderem auf den SPD-Europaspitzenkandidaten Matthias Ecke. Dazu kommt eine neue Generation gewaltbereiter Neonazis, die gezielt CSDs (CSD=Christopher Street Day) und demokratische Politiker angreifen.
Besonders schockierend ist, dass unter den Straftaten 2024 auch ein vollendetes Tötungsdelikt ist, das die Polizei als rechtsextrem motiviert einstuft. Das zeigt, wie gefährlich die Lage wirklich ist.
Faeser betonte im Januar, dass der Rechtsstaat „alle Instrumente“ einsetze, um Menschen vor rechtsextremistischer, rassistischer und antisemitischer Gewalt zu schützen. Doch die Realität zeigt: Der Anstieg der Delikte wurde nicht gestoppt. Es reicht nicht, nur mehr zu ermitteln – es braucht echte Konsequenzen. Täter müssen schneller vor Gericht gebracht werden, die rechtsextreme Szene muss finanziell ausgetrocknet und entwaffnet werden. Gleichzeitig ist politische Bildung die wichtigste Prävention gegen Extremismus. Doch die Gesellschaft selbst muss aktiv werden. Es braucht klare Kante gegen Rechts – nicht nur in der Politik, sondern überall.
Die Lage ist ernst. Rechtsextremismus ist kein Randproblem mehr, sondern eine wachsende Bedrohung für unsere Demokratie. Wegschauen ist keine Option. Es muss gehandelt werden – jetzt.