Nashville, 27. Juni 2025 – Es ist ein juristisches Paradox, das kaum fassbar scheint: Die Anwälte eines Mannes, der zu Unrecht aus den USA abgeschoben wurde, bitten nun darum, dass er im Gefängnis bleiben möge – aus Angst, das Land könne ihn erneut loswerden wollen, noch bevor er je verurteilt wurde. Kilmar Abrego Garcia, ein Bauarbeiter aus Maryland, war im März unter Verletzung eines gültigen Abschiebeverbots in sein Heimatland El Salvador abgeschoben worden – obwohl ein US-Einwanderungsrichter bereits 2019 geurteilt hatte, dass ihm dort durch Banden unmittelbare Gefahr drohe. Erst durch öffentlichen Druck, eine Entscheidung des Supreme Court und die wachsende Aufmerksamkeit für Trumps radikale Einwanderungspolitik kehrte er Anfang Juni in die USA zurück – nicht etwa als freier Mann, sondern als Beschuldigter. Die US-Regierung wirft ihm Menschenschmuggel vor. Doch seine Anwälte sprechen von konstruierten Vorwürfen, einem politischen Täuschungsmanöver, um die rechtswidrige Abschiebung im Nachhinein zu legitimieren.
Nun steht seine Freilassung auf der Kippe – nicht etwa, weil Richterin Barbara Holmes ihn für gefährlich hielte. Im Gegenteil: Bereits am Sonntag stellte sie fest, dass weder Fluchtgefahr noch eine Bedrohung für die Öffentlichkeit bestehe. Auch konkrete Auflagen hatte sie formuliert: Abrego Garcia solle bei seinem Bruder in Maryland wohnen, einem US-Staatsbürger. Doch sie zögerte – denn die Angst, dass Einwanderungsbehörden ihn direkt nach der Entlassung erneut festnehmen und abschieben könnten, ließ sie innehalten. In einem neuen Antrag baten seine Verteidiger deshalb nun ausdrücklich darum, ihn in Haft zu belassen – zumindest bis zur nächsten Anhörung am 16. Juli. Ihr Grund: Die widersprüchlichen Aussagen der Trump-Regierung ließen keine rechtssichere Prognose zu. Die Argumentation der Anwälte ist ungewöhnlich und bitter zugleich. „Die Ironie dieses Antrags ist niemandem entgangen“, schreiben sie. Doch die jüngsten Äußerungen von Regierungsvertretern hätten das Vertrauen erschüttert. So erklärte ein Justizsprecher am Donnerstag gegenüber der Presse, Abrego Garcia werde „nicht wieder frei in unserem Land herumlaufen“ – und unterstellte ihm ohne Prozess „grauenhafte Verbrechen, einschließlich des Kinderhandels“. Einige Stunden zuvor hatte jedoch ein Regierungsanwalt in Maryland ausgesagt, man plane eine Abschiebung in ein „Drittland“ – nicht zurück nach El Salvador, sondern irgendwo andershin, ohne jeden Zeitplan. Für die Verteidigung war das ein klarer Bruch mit bisherigen Aussagen – und der Beweis dafür, dass der Fall längst nicht unter Kontrolle sei.
Zugleich verwies die Verteidigung auf einen offiziellen Beitrag der Präsidentensprecherin Abigail Jackson auf X: „Abrego Garcia wurde in die USA zurückgebracht, um sich für die ungeheuerlichen Vorwürfe vor Gericht zu verantworten“, schrieb sie. „Er wird die volle Härte des amerikanischen Rechtssystems zu spüren bekommen – einschließlich einer Haftstrafe in einem US-Gefängnis.“ Doch genau diese Härte sei bislang fast ausschließlich rhetorisch, nicht rechtsstaatlich, so die Verteidiger. „In einer gerechten Welt würde sich Mr. Abrego Garcia nicht wünschen, länger in Haft zu bleiben. Aber in dieser Welt hat die Regierung – auf allen Ebenen – dem amerikanischen Volk versprochen, ihn heimzuholen, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und dennoch scheint es kaum Interesse daran zu geben, diesen Fall tatsächlich vor Gericht zu bringen.“ Die Vorwürfe gegen Abrego Garcia stammen aus einem Vorfall im Jahr 2022, als er bei einer Verkehrskontrolle in Tennessee neun weitere Menschen ohne Gepäck in einem Fahrzeug transportierte. Der Fall liegt lange zurück. Die Behörden haben keine neuen Beweise vorgelegt, und wir, wie viele andere Beobachter, werten das Verfahren als symbolische Inszenierung – als Versuch, einen Fehler zu kaschieren, indem man ihn kriminalisiert. Sollte der Antrag der Verteidigung angenommen werden, bliebe Abrego Garcia nun zunächst bis Mitte Juli in Haft – aus dem wohl außergewöhnlichsten Grund, den die amerikanische Justiz derzeit kennt: nicht wegen Schuld, sondern weil der Staat selbst nicht vertrauenswürdig ist.