Künstliche Gesundheit – Wie Robert F. Kennedy Jr. die amerikanische Wirklichkeit halluzinieren lässt

VonRainer Hofmann

Mai 31, 2025

Man muss sich das vorstellen: Der zentrale Gesundheitsbericht der US-Regierung – jenes Dokument, das Millionen Menschen Orientierung in Gesundheitsfragen geben soll – ist vollgestopft mit erfundenen Quellenangaben, toten Links und digitalen Wasserzeichen, die eine unausgesprochene Urheberschaft verraten: künstliche Intelligenz.

Was unter dem Titel Make America Healthy Again firmiert, ist kein Bericht, sondern ein Algorithmusprodukt. Zitate, die nie existierten. Belege, die ins Leere führen. Eine politische Vision, die sich auf synthetische Stichworte stützt, nicht auf wissenschaftliche Evidenz. Es ist, als hätte jemand eine Suchmaschine mit Ideologie gefüttert und dann erwartet, dass Wahrheit herauskommt.

Robert F. Kennedy Jr., Trumps Gesundheitsminister und einst gefeierter Umweltanwalt, tritt damit nicht nur wissenschaftliche Standards mit Füßen – er instrumentalisiert KI, um politische Verantwortung durch Rechenoperationen zu ersetzen. Anstatt belastbare Forschung, geprüfte Studien oder nachvollziehbare Statistiken zu liefern, präsentiert sein Haus eine Collage aus Vermutungen, Verzerrungen und neuronalen Wahrscheinlichkeiten.

Dass solche Texte halluzinieren, ist bekannt. Dass sie dennoch Regierungsdokumente zieren dürfen, ist ein Skandal. Und ein gefährlicher dazu. Denn Gesundheitspolitik darf nicht auf „vielleicht“ beruhen. Sie darf nicht darauf hoffen, dass schon keiner nachprüft, was als Quelle angegeben ist.

Was in diesem Bericht fehlt, ist ebenso entlarvend wie das, was enthalten ist: Keine Rede von COVID-19. Keine Rede vom desaströsen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Keine Rede von Waffengewalt – obwohl sie in den USA zur häufigsten Todesursache unter Kindern geworden ist. Stattdessen: pseudowissenschaftliche Generaldiagnosen, beliebig kombinierbar, massenmedial verwertbar, politisch nützlich.

Kennedys Bericht predigt Eigenverantwortung – in einem Land, das Millionen Menschen strukturell im Stich lässt. Er lobt Programme wie WIC, die tatsächlich nachweislich die Gesundheit von Müttern und Kindern verbessern. Gleichzeitig aber unterstützt seine Regierung Gesetze, die genau diese Programme zusammenstreichen.

Die Ironie ist grotesk: Während Wissenschaftler:innen der Zugang zu Fachzeitschriften verboten werden soll, bedient sich dieser Bericht stillschweigend an eben diesen Studien – solange sie ins eigene Narrativ passen. Man zitiert, was nützt. Und schweigt, was stört.

So entsteht eine neue Form der öffentlichen Lüge – eine, die nicht mehr plump daherkommt, sondern mit Fußnoten arbeitet, mit Chatbot-Zitaten und einem Mantel aus scheinbarer Objektivität. Die Gefahr liegt genau darin: Dass diese Texte so tun, als seien sie rational. Als seien sie neutral. Als seien sie wahr.

Doch sie sind es nicht. Sie sind Halluzinationen mit Ministerstempel. Und sie sind ein Angriff auf alles, was gute Gesundheitspolitik ausmacht: Aufklärung, Evidenz, Verantwortung.

Es wäre ein Leichtes, das Dokument zurückzuziehen, Fehler einzugestehen, es wissenschaftlich neu aufzusetzen. Doch das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist, Vertrauen durch Verwirrung zu ersetzen. Und am Ende das medizinische Schicksal der Menschen dem freien Markt und ihrem eigenen Glück zu überlassen.

Robert F. Kennedy Jr. nennt das Freiheit. Ich nenne es staatlich legitimierte Desinformation.

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