Kiew – In einem symbolträchtigen Gegenschlag hat eine ukrainische Langstreckendrohne ein bedeutendes russisches Rüstungswerk in der Stadt Ischewsk getroffen – rund 1.300 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Der Angriff erfolgte nur wenige Tage, nachdem Präsident Wolodymyr Selenskyj die heimische Drohnenproduktion zur „höchsten Priorität“ erklärt hatte. Das Ziel war offenbar kein Zufall: Die getroffene Kupol-Anlage produziert Luftabwehrsysteme und Drohnen für die russische Armee. Laut Angaben der Regionalregierung von Udmurtien wurden mehrere Menschen verletzt, es brach ein Feuer aus. Die Mitarbeitenden des Werks mussten evakuiert werden. Ukrainische Sicherheitskreise bestätigten auf Anfrage, dass es sich um einen gezielten Schlag handelte – mit mindestens zwei direkten Treffern auf Gebäude der Anlage. Offiziell äußerte sich Kiew nicht, doch inoffiziell sprach ein SBU-Vertreter von einem „klaren Signal an Moskau“.
Während Russland in den letzten Wochen an mehreren Frontabschnitten weiter vorrückt und seine Offensiven verstärkt, bleibt die ukrainische Verteidigung laut Militärexperten stabil. Doch die Belastung wächst. Inmitten stockender Friedensgespräche und zunehmender internationaler Skepsis an der amerikanischen Unterstützung, setzt Kiew auf Selbsthilfe – und auf Technologie. Im Juni feuerte Russland nach Angaben der Nachrichtenagentur AP insgesamt 5.438 Drohnen auf ukrainisches Territorium ab – ein neuer Monatsrekord. Die Ukraine reagiert nun mit dem Ausbau eigener Kapazitäten. Präsident Selenskyj kündigte an, dass der Fokus künftig auf Abfangdrohnen und Langstreckenangriffen liege: „Das ist von höchster Bedeutung“, erklärte er auf Telegram. „Russland rüstet auf, Russland plant, die Zahl seiner Drohnenschläge weiter zu erhöhen. Wir bereiten unsere Gegenmaßnahmen vor.“ Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen, wie sehr sich der Krieg seit dem russischen Überfall im Februar 2022 verändert hat. Aus konventioneller Kriegsführung ist ein technologischer Wettlauf geworden – mit Drohnen als zentralem Instrument. Beide Seiten testen neue Systeme, verbessern Reichweite, Präzision, Taktiken. Der Krieg ist zum global beobachteten Testfeld für unbemannte Waffen geworden.
Russlands Verteidigungsministerium meldete, in der Nacht seien 60 ukrainische Drohnen abgeschossen worden – darunter 17 über der Krim, 16 über der Region Rostow und vier über Saratow. Doch der Schlag gegen die Kupol-Fabrik zeigt: Nicht alle Drohnen werden abgefangen. Die Botschaft aus Kiew: Wir können euch treffen – überall. Gleichzeitig setzte Russland seine Angriffe auf ukrainische Städte fort. In der Nacht schlugen vier russische Shahed-Drohnen in Saporischschja ein – über 1.600 Haushalte waren daraufhin ohne Strom. Insgesamt habe Russland 52 Drohnen auf die Ukraine abgefeuert, teilte die ukrainische Luftwaffe mit – darunter auch Täuschkörper. Die internationale Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Donald Trumps Sondergesandter für Russland und die Ukraine, Generalleutnant a. D. Keith Kellogg, verurteilte die russischen Angriffe auf zivile Ziele scharf. Russland, so Kellogg auf der Plattform X, sabotiere jegliche Friedensbemühungen, indem es weiterhin Städte bombardiere, während es gleichzeitig einen Waffenstillstand ablehne: „Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und trilaterale Verhandlungen, um den Krieg zu beenden.“ Die Worte wirken umso drängender, da die Ukraine seit Monaten auf klare Signale aus Washington wartet. Zwischen März und April stellte die US-Regierung keine neuen Hilfen bereit. Europa dagegen überholte laut Kieler Institut erstmals seit Juni 2022 die Vereinigten Staaten bei der militärischen Unterstützung: 72 Milliarden Euro im Vergleich zu 65 Milliarden Euro aus den USA. Für Kiew bleibt damit die Lage angespannt – zwischen wachsender Unsicherheit, westlicher Zurückhaltung und der Gewissheit, dass jeder neue Drohnenschlag auch eine Botschaft ist. Der Krieg der Drohnen hat gerade erst begonnen.