Die Ungehörte Klage und die Akte dazu – Wie Katie Johnson Donald Trump beschuldigte und Amerika wegschaute

VonRainer Hofmann

Juli 20, 2025

Es war der 26. April 2016, als eine Frau namens Katie Johnson im Central District of California eine Zivilklage einreichte. Die Anklageschrift, maschinell verfasst und ohne anwaltlichen Beistand eingereicht, trug zwei Namen, die das moralische Fundament der Vereinigten Staaten erschüttern sollten: Donald J. Trump und Jeffrey E. Epstein. Der Vorwurf: wiederholter sexueller Missbrauch eines dreizehnjährigen Mädchens, unter Drohung körperlicher Gewalt, mit Zeugen, Details und einer Forderung nach hundert Millionen Dollar Schadensersatz. Die Klage wurde nie verhandelt. Sie wurde still eingestellt – und was danach geschah, wirft tiefgreifende Fragen auf über Macht, Medien und das amerikanische Justizsystem.

Die Details der Klage sind präzise, brutal und juristisch eindeutig gefasst. Katie Johnson, so steht es auf Seite 2 der Klageschrift, beschreibt vier Gelegenheiten zwischen Juni und September 1994, bei denen sie als Kind zu sexuellen Handlungen gezwungen worden sei – im Haus von Jeffrey Epstein in New York, im Beisein beider Männer. In Paragraph 6 heißt es: „Die Klägerin, Katie Johnson, wurde gezwungen, sexuelle Sklavin der Beklagten zu werden.“ Es war eine Sprache, die aus der juristischen Form fast herausbricht – und gleichzeitig das Sprachmuster eines Mädchens verrät, das gelernt hat, das Unaussprechliche in legalistische Bahnen zu lenken. Der erste Übergriff durch Donald Trump, so behauptet sie, bestand darin, dass sie mit der Hand an seinem Genital stimulieren musste, bis er zum Orgasmus kam. Beim zweiten Mal sei sie gezwungen worden, ihn oral zu befriedigen. Beim dritten Mal wurde sie gezwungen, gemeinsam mit einer anderen Minderjährigen namens Maria Doe ein „unnatürliches lesbisches Sexspiel“ für Trump auszuführen – erneut mit Oralverkehr. Der vierte Übergriff, so Johnson, war eine brutale Vergewaltigung. Sie habe Trump angefleht, ein Kondom zu benutzen. Seine Antwort: ein Schlag ins Gesicht. Seine Worte: „Ich tue, was ich will.“ Was wie eine groteske Allegorie auf patriarchale Gewalt klingt, ist juristisch klar umrissen. Die Klage basiert auf zwei Bundesgesetzen: 18 U.S.C. § 2241 (sexuelle Gewalt unter Drohung) und 42 U.S.C. § 1985 (Verschwörung zur Verletzung von Bürgerrechten). Beide Paragrafen gelten als justiziabel, wenn der Missbrauch systematisch ist und unter Zwang erfolgt. Dass Donald Trump und Jeffrey Epstein Johnson mit dem Tod drohten, sollte sie je reden, gehört zur Chronik des Horrors ebenso wie zur juristischen Substanz des Falls: „Plaintiff Johnson was warned that this would mean certain death for herself and her family.“ Die Klage benennt mit „Tiffany Doe“ sogar eine Zeugin – eine langjährige Angestellte Epsteins, die angibt, bei allen vier Übergriffen durch Trump sowie drei durch Epstein anwesend gewesen zu sein. In ihrer eidesstattlichen Aussage, die als Anhang Teil der Einreichung war, sagt Tiffany Doe: „Ich habe gesehen, wie Epstein und Trump minderjährige Mädchen missbrauchten – regelmäßig.“ Warum es trotz dieser Aussage nie zu einer Vernehmung kam, bleibt eines der großen blinden Flecken des Falls.

Juristisch verlief die Klage zunächst regelkonform. Ein „Notice to Parties of Court-Directed ADR Program“ wurde am 26. April 2016 herausgegeben, die Teilnahme an einem außergerichtlichen Schlichtungsprogramm angeordnet. Das Dokument erwähnt ausdrücklich, dass „alle Parteien in Zivilverfahren an einem ADR-Verfahren teilnehmen müssen“. Die Hoffnung auf ein Mediationsverfahren aber wurde nie erfüllt. Der Fall wurde wenige Wochen später kommentarlos eingestellt. Der Grund: Die Klägerin sei untergetaucht, hieß es. Medien berichteten, dass sie Angst vor Repressalien habe. In späteren Erklärungen wurde behauptet, sie habe Morddrohungen erhalten. Andere wiederum erklärten, der Fall sei fingiert gewesen. Doch was bleibt, ist das Dokument. Es ist bei Gericht eingereicht, unterzeichnet, formell, mit konkreten Paragraphen und einer Forderung nach Gerechtigkeit. Und es ist nie widerlegt worden – nur zum Verstummen gebracht. Der Umstand, dass der Fall niemals verhandelt wurde, dass nie eine Beweisaufnahme stattfand, dass weder Trump noch Epstein je zu den Vorwürfen vernommen wurden, macht aus der Einstellung kein juristisches Urteil – sondern ein Verstummen des Rechts. Es ist ein Moment, in dem das Justizsystem dem politischen und ökonomischen Gewicht der Beschuldigten nicht gewachsen scheint. Dass Epstein Jahre später doch noch verhaftet und unter ungeklärten Umständen im Gefängnis starb, verleiht dem Fall eine rückwirkende Schwere, die kaum zu überschätzen ist. Und Donald Trump? Er wurde Präsident – kurz nach der Klage. Dass der Fall Katie Johnson in der öffentlichen Debatte kaum mehr als eine Randnotiz blieb, ist ein Versäumnis der Medien ebenso wie ein Signal über das Kräfteverhältnis zwischen Wahrheit und Macht. Es war der letzte Satz im Dokument, der wie ein Ruf durch die Institutionen hallte, ohne je gehört zu werden. Katie Johnson ließ ihn als maschinell verfassten Absatz am Ende ihrer Klageschrift aufnehmen – sachlich im Ton, unmissverständlich im Inhalt:


„Ich ersuche das Gericht um Schadensersatz in Höhe von 100.000.000,00 US-Dollar aufgrund der Verletzung meiner Bürgerrechte durch Donald J. Trump und Jeffrey E. Epstein.“


Der Staat schwieg. Die Medien zögerten. Und die Gesellschaft – schaute weg. Wir werden auch diesen Fall erneut aufarbeiten – gründlich, öffentlich, journalistisch. Unsere Recherchen dazu laufen bereits, und wir können versichern: Niemand, der für diesen Fall von Bedeutung ist, wird über unsere Arbeit nicht informiert gewesen sein. Was vertuscht wurde, wird sichtbar gemacht. Was zum Schweigen gebracht wurde, wird hörbar.

Fortsetzung folgt …

Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
11 Comments
Älteste
Neueste Meistbewertet
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Frank Schwalfenberg
5 Monate zuvor

Hoffentlich wird in absehbarer Zeit diese ganze Epstein-Affäre endlich einmal hinreichend aufgeklärt. Und möglichst alle Opfer sollten wenigstens so gut wie möglich entschädigt werden. Derartigesr Missbrauch hinterlässt lebenslange Spuren.
Aber das scheint nur ein frommer Wunsch von mir zu sein. Da ist zu viel Geld und Macht im Spiel. ☹️

Frank Schwalfenberg
5 Monate zuvor
Antwort auf  Rainer Hofmann

Ja, da ist noch viel „im Busch“.

Ela Gatto
Ela Gatto
5 Monate zuvor

Weiß Jemand was aus diesem armen Mädchen geworden ist?

Warum hat sich, als Trumps Eunfluss damals noch nicht so komplett immens war wie jetzt, keine renommierte Anwaltskanzlei der Sache angekommen?

Warum wurde dieses brisante Verfahren kommentarlos eingestellt?

Warum schweigen selbst demokratische Medien?

Ist sexueller Missbrauch von Minderjährigen so tief verwurzelt, dass nach außen Dmpörung gezeigt wird und nach Innen viele Beteilugte einfach weiter machen.

Oh ja, Trump der Größer, der von Gott gesandt wurde 🤮 Der mit den 1000€ Bibeln.🤮

Gerade die Republikaner sind zum Thema Missbrauch besonders verlogen.

Ela Gatto
Ela Gatto
5 Monate zuvor
Antwort auf  Rainer Hofmann

Danke für diese unermüdlichen Arbeit

Udo Paulus
Udo Paulus
5 Monate zuvor

Es gehört zu dem unerklärlichen, dass sexual Opfer sich nicht nur das Recht erstreiten müssen, sondern zusätzlich
das Gesellschaftliche schweigen durchbrechen müssen und ihre gesellschaftliche Scham ablegen müssen!
Letzteres führt zu schweren Psychischen
Erkrankungen, die juristische, ausgenutzt werden um das Opfer Unglaubwürdig zu machen!

Anna-Maria Wetzel
Anna-Maria Wetzel
5 Monate zuvor

 🙁  Wenn ein Gericht die Klage einer jungen Frau verschwinden lässt, sieht man, dass es keine unabhängigen Gerichte in den USA gab und gibt. Was macht so ein Vorgang mit einem jungen Mädchen?

11
0
Deine Meinung würde uns sehr interessieren. Bitte kommentiere.x