Wie Oklahoma Schülern Verschwörungstheorien zur Wahl 2020 als Wissen verkauft.
Der Staat Oklahoma, einst bekannt für seine soliden Bildungsstandards, hat einen neuen Weg eingeschlagen – einen Weg, der aus Fehlinformationen gepflastert ist. Künftig sollen Schüler in den Highschools von Oklahoma nicht nur über die industrielle Revolution und das Frauenwahlrecht lernen, sondern auch über Verschwörungstheorien zur Präsidentschaftswahl 2020. Ein staatlich sanktionierter Lehrplan, der Fiktion als Fakt und Propaganda als Pädagogik verkauft.
Hinter dieser Entscheidung steht Ryan Walters, ein Bildungsminister, dessen politische Karriere auf einem Fundament aus Trump-Loyalität und Feindseligkeit gegenüber allem aufgebaut ist, was er als „woke“ bezeichnet. Walters, der sich als Verteidiger der „wahren Geschichte“ Amerikas inszeniert, hat die neuen Standards durchgesetzt – Standards, die vom „plötzlichen Stopp der Stimmenauszählung“ und den „Sicherheitsrisiken der Briefwahl“ sprechen. Begriffe, die direkt aus dem Wörterbuch der Verschwörungstheoretiker stammen, die nach der Wahl 2020 einen Sturm auf das Kapitol anführten.
Was hier geschieht, ist nichts weniger als eine Indoktrination, ein Versuch, jungen Menschen eine Weltanschauung aufzuzwingen, die auf Lügen und Halbwahrheiten basiert. Eine bewusste Entscheidung, Fakten durch Mythen zu ersetzen, Geschichte durch Propaganda. Es ist, als würde man den Lehrplan einer Diktatur einführen, in der Wissen durch Glaube ersetzt wird und kritisches Denken als Bedrohung gilt.
Der Geist von 1933 in den Klassenzimmern Oklahomas
Es sind Szenen, die an dunkle Kapitel der Geschichte erinnern. In den 1930er Jahren begannen auch in Deutschland politische Führer, die Bildung zu einem Werkzeug der Manipulation zu machen. Kinder wurden gelehrt, dass ihre Welt von Feinden umgeben sei, dass die Geschichte eine Erzählung von Verrat und Heldenmut sei – eine Erzählung, die einzig und allein von der herrschenden Partei kontrolliert wurde. Man sagte ihnen, was sie denken sollten. Man sagte ihnen, wen sie hassen sollten. Man gab ihnen eine Realität, die keine war.
Nun, fast ein Jahrhundert später, setzt Oklahoma diesen finsteren Lehrplan fort. Eine staatlich verordnete Verzerrung der Geschichte, die den Schülern Misstrauen gegenüber demokratischen Prozessen einflößt, sie lehrt, dass Wahlen manipuliert werden, dass Amerika von „radikalen Linken“ bedroht wird. Eine schulische Welt, in der die Wahrheit ein Spielball der Politik ist.
Ryan Walters und seine Anhänger verteidigen diese Standards als „kritisches Denken“. Doch was hier stattfindet, ist das Gegenteil. Denn kritisches Denken erfordert Fakten, es erfordert Zugang zu echten Informationen, es erfordert die Freiheit, Fragen zu stellen und die Antworten zu hinterfragen. Aber in Oklahomas neuen Bildungsstandards sind die Fragen vorgezeichnet, die Antworten bereits geschrieben.
Der Weg in die Dunkelheit
Es gibt jene, die sagen werden, dass dies übertrieben sei. Dass Schüler in der Lage seien, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Doch das ist ein gefährliches Spiel. Denn was ist das Ziel der Bildung, wenn nicht die Suche nach Wahrheit? Was ist der Sinn der Geschichte, wenn nicht das Verstehen der Vergangenheit in all ihrer Komplexität? Was bleibt, wenn der Staat beginnt, die Realität zu verzerren und den Schülern eine Weltanschauung aufzuzwingen, die auf Lügen basiert?
Es sind nicht nur die Schüler in Oklahoma, die hier betrogen werden. Es ist die Gesellschaft als Ganzes. Eine Generation, die in einem Nebel aus Falschinformationen und Feindbildern aufwächst, ist eine Generation, die auf eine Zukunft ohne Verständnis und ohne Wahrheit zusteuert.
Die neuen Bildungsstandards in Oklahoma sind ein Warnsignal. Ein Signal dafür, wie schnell ein Staat, eine Nation, in den Sog der Lüge geraten kann. Es beginnt im Klassenzimmer, doch es endet nicht dort. Was wird aus einer Demokratie, wenn ihre Bürger nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden können? Was wird aus einer Nation, die ihre Jugend lehrt, in einer Welt der Verschwörung und des Misstrauens zu leben?
Das Narrativ der Lüge – und der stille Widerstand
Es gibt Lehrer in Oklahoma, die sich weigern, diesen neuen Lehrplan zu akzeptieren. Menschen wie Aaron Baker, ein Lehrer, der mehr als ein Jahrzehnt US-Geschichte unterrichtet hat und der nun um seine Schüler fürchtet. „Wenn jemand den Einfluss dieser ultrarechten Organisationen in unseren Standards begrüßt und daran interessiert ist, mehr Christentum in unsere Unterrichtspraxis zu integrieren, dann fühlen sie sich bestärkt“, sagte Baker. „Das ist für mich das Hauptproblem.“
Doch Bakers Stimme ist eine von wenigen. Viele Lehrer fürchten, dass sie ihren Job verlieren könnten, wenn sie den neuen Lehrplan ablehnen. Eltern klagen gegen die Standards, aber sie stehen gegen eine politische Macht, die fest entschlossen ist, ihre Wahrheit als die einzige Wahrheit durchzusetzen.
Und während der Bildungsminister Walters behauptet, er wolle „kritisches Denken“ fördern, zeigt jeder Satz in den neuen Standards, dass es darum geht, dieses Denken zu ersticken. In einer Welt, in der das Klassenzimmer zum Schlachtfeld wird und die Wahrheit zur Lüge, ist der Kampf um die Bildung ein Kampf um die Seele einer Gesellschaft.
Oklahoma hat den ersten Schritt getan – einen Schritt in die Dunkelheit. Die Frage ist, ob andere Staaten folgen werden. Die Frage ist, ob Amerika aufwacht, bevor es zu spät ist.