Der unsichtbare Exodus: Wie Trumps zweite Regentschaft Flüchtlinge in den Tod treibt – und ein letztes Netz sie aufzufangen versucht

VonRainer Hofmann

April 11, 2025

„Von einem Rand Amerikas, das sich selbst nicht mehr erkennt – und uns den kalten Schauer über den Rücken laufen ließ.“

Es beginnt nicht mit einem Knall. Nicht mit Marschmusik oder Fernsehbildern von Mauersegmenten. Es beginnt im Staub. In einem kaum sichtbaren Abdruck eines nackten Fußes, der sich im Grenzsand verliert. In den veränderten Routen der Verzweifelten, die nicht mehr durch die offiziellen Übergänge kommen – weil sie dort längst zur Beute geworden sind.

Donald Trumps zweite Präsidentschaft hat ein humanitäres Vakuum geschaffen, das sich nur mit kalter Logik und trockenem Staub messen lässt. Es ist nicht das Schreien der Opfer, das die Tragödie kennzeichnet – es ist ihr Verschwinden.

Seit Februar 2025 ist der Transit zentralamerikanischer Flüchtlinge in eine neue Phase getreten. Die alten Wege – durch Tapachula, Reynosa, Ciudad Juárez – sind zu Fallen geworden. Die Migrationsabkommen mit Mexiko, einst als „Kooperation“ etikettiert, funktionieren heute wie ein System automatisierter Abschreckung. Die Migranten sind nicht mehr auf der Flucht – sie sind auf der Flucht vor der Flucht selbst.

Eine stille Katastrophe mit tödlicher Geometrie

Jenseits der offiziellen Routen, jenseits der Buslinien, der NGO-Verzeichnisse und der Grenzstationen, schlängeln sich neue Wege durch die Höllenlandschaft der Sierra Madre, durch Dschungel, Flussbetten und Industriegebiete – oft ohne Wasser, ohne Richtung, ohne Ziel. Diese Routen sind keine Wege mehr, sondern Kalkulationen des Todes.

Nach Angaben unabhängiger Beobachter liegt die Sterblichkeitsrate auf diesen sogenannten „alternativen Routen“ bei über 70 Prozent. Erschöpfung. Verdursten. Gewalt. Verschwinden. Die Geflüchteten sterben, bevor sie jemals das Wort „Asyl“ flüstern konnten.

Doch während das Trump’sche Amerika sich rühmt, „die Grenze unter Kontrolle“ zu haben, organisieren sich auf der anderen Seite jene, die nicht zusehen wollen: Internationale Journalisten, mutige NGOs, ein Netzwerk von Migrantenschützern, das wie ein letzter lebendiger Nerv durch ein abgestorbenes Staatsgebilde zuckt. Gemeinsam mit Einzelpersonen in Bundesstaaten wie Oaxaca, Chiapas und Baja California retten sie, was zu retten ist. Sie warnen, sie verstecken, sie versorgen.

Nicht selten auch unter Lebensgefahr. Denn in Trumps Amerika ist Hilfeleistung längst kriminalisiert – und in Mexiko zunehmend auch.

Dass die Migrationspolitik Washingtons auf mörderische Weise effizient geworden ist, liegt an einem stillen Komplott mit mexikanischen Behörden. Offiziell bestreitet Mexiko jede „aktive Beteiligung“ – doch die Realität an den Bushaltestellen und Checkpoints spricht eine andere Sprache.

Regelmäßig werden Busse mit Migranten in Guadalajara, Monterrey oder San Luis Potosí gestoppt, angeblich zur „Identitätsprüfung“. Viele der Insassen verschwinden danach spurlos. Was mit ihnen geschieht, weiß niemand genau. Einige tauchen in Lagern auf, andere nicht einmal mehr in Datenbanken.

Und dennoch, trotz allem, gibt es Hoffnung. Die Geschichte ist nicht nur eine über Tod und Kollaps. Es ist auch die Geschichte von Menschen, die sich weigern, das Unrecht hinzunehmen. Aktivisten, die mit nichts als einem Handy, etwas Wasser und der Koordination über verschlüsselte Messenger-Apps über Nacht zu Rettern werden. Ärzte, die ohne Lizenz operieren. Bauern, die Reisende durch Maisfelder schmuggeln, als ginge es um Gold. Journalisten, die schreiben, obwohl man ihnen gesagt hat, sie würden dann nicht mehr schreiben.

Nicht alle Geschichten enden in Dunkelheit

Und manchmal, selten, gelingt es diesem zerrissenen Netz von Helfern, das Unvermeidliche zu umgehen. Die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Baja California meldete am vergangenen Wochenende die Auffindung von elf vermissten Personen, deren Namen zuvor auf den Listen der Hoffnungslosen standen.

Es handelt sich um:

Francisco Parra Salcedo, 24

Ramón Guadalupe Armenta Ávila, 46

Daniel Jacobo Raygoza Salas, 47

Saúl Cuauhtémoc Herrera De la Rosa, 30

Alejandro Rodríguez Moreno, 39

María Fernanda Bojórquez Castro, 29

Und um Minderjährige:

María Fernanda Gastelum Valdenegro, 17

Raúl Arturo Barajas López, 16

Emily Estefanía Salazar Mendoza, 13

Juan de Dios Bátiz Zúñiga, 15

Kevin Montoya López, 14

Sie sind wohlauf. Sie wurden gefunden, versorgt, gerettet. Und während die Behörden sich bedanken, ist es nicht schwer zu erraten, wem dieser Dank wirklich gilt: den Ungenannten. Den Unsichtbaren. Denen, die keine Politik machen, sondern Menschlichkeit leben.

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