Trumps Rücknahme von Schutzstatus – Ein letzter politischer Zündfunke?

VonRainer Hofmann

Juni 12, 2025

Die Entscheidung kam spät am Abend, aber ihre Wirkung war unmittelbar: Das US-Heimatschutzministerium unter Ministerin Kristi Noem verkündete am Donnerstag, dass Hunderttausende Migrant:innen aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela das Land verlassen müssen. Ihre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse wurden mit sofortiger Wirkung widerrufen – per E-Mail, unpersönlich und endgültig. Die Betroffenen, viele von ihnen seit Monaten oder Jahren integriert, sind Teil eines humanitären Aufnahmeprogramms, das die Biden-Regierung 2022 eingeführt hatte. Jetzt sollen sie das Land wieder verlassen – mit einer App, einem Rückflugticket und 1.000 Dollar in bar. Doch hinter der bürokratisch klingenden Entscheidung verbirgt sich mehr als ein reines Migrationsverfahren. Beobachter:innen und Menschenrechtsorganisationen warnen: Diese Maßnahme kommt nicht nur zur Unzeit – sie wirkt gezielt eskalierend, wie ein politischer Zündfunke in einem bereits erhitzten Klima.

Denn die Ankündigung fällt in eine Phase wachsender Proteste im ganzen Land, insbesondere in Kalifornien, wo Tausende gegen Trumps harte Abschiebepolitik auf die Straße gehen. Auch in Tucson und Los Angeles war es in den vergangenen Tagen zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften gekommen. Dass ausgerechnet jetzt 532.000 Menschen mit sofortiger Wirkung als „unerwünscht“ deklariert werden, scheint mehr als nur Verwaltungstaktik zu sein – es wirkt wie eine Provokation mit Ansage. „Diese Menschen haben sich an alle Regeln gehalten“, sagt Krish O’Mara Vignarajah von der Organisation Global Refuge. „Sie wurden überprüft, haben für ihre Reise selbst bezahlt, Arbeitserlaubnisse erhalten und begonnen, sich ein neues Leben aufzubauen.“ Und nun? Nun sollen sie verschwinden – mit einer App namens CBP Home, die laut Ministerium auch als Ausreise-Tool dient. Wer freiwillig geht, soll bei Ankunft in seinem Herkunftsland Geld erhalten. Wie die US-Regierung jedoch sicherstellen will, dass die Menschen ihre Auszahlung bekommen – oder wie man jene erreicht, die nicht freiwillig gehen wollen –, bleibt offen.

Für Menschen wie Zamora, eine 34-jährige Mutter aus Kuba, ist das ein Albtraum. „Ich habe Angst, verhaftet zu werden, während mein Sohn in der Schule ist“, sagt sie. Ihre Einreise 2023 erfolgte legal, mit Sponsorin. Nun fürchtet sie die Rückkehr nach Kuba, wo die Lage weiter kritisch ist. Sie setzt auf das Cuban Adjustment Act, hofft auf ein dauerhaftes Bleiberecht – und zieht sich vorsichtshalber aus ihrem Job in einer Klinik zurück. „Ich werde einfach still abwarten, ohne Probleme zu machen“, sagt sie leise. Doch still ist kaum jemand mehr in diesen Tagen. Auch rechtlich ist Trumps Entscheidung umstritten. Zwar hatte der Oberste Gerichtshof kürzlich das Ende des humanitären Programms genehmigt, doch Menschenrechtsgruppen, Abgeordnete und Bundesstaaten wie Kalifornien sehen in der aktuellen Umsetzung einen Angriff auf Verfassung und Menschlichkeit.

Und so bleibt der Eindruck zurück, dass es Präsident Trump womöglich nicht nur um Kontrolle geht – sondern um Konfrontation. Ein halbe Million Abschiebungen auf einen Schlag, kurz nach dem Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles und der Verhaftung eines Senators bei einer Protestaktion – das wirkt nicht wie der Versuch, Ruhe ins Land zu bringen. Es wirkt wie der Versuch, einen Aufstand zu provozieren, um ihn dann mit aller Härte niederzuschlagen.

Zündstoff genug wäre vorhanden. Die Frage ist nur, wer ihn zuerst entfacht – und wie weit die Flammen reichen werden.

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Caroline Stöppler
Caroline Stöppler
1 Monat zuvor

Vielen Dank für die fundierten und aktuellen Beiträge. Ein Kompass in diesen Zeiten der Desinformation!

Lea Ofrafiki
Lea Ofrafiki
1 Monat zuvor

Provokationen zu Eskalation wohin man sieht – mir graut vor diesem Wochenende, davor, daß es zu Bürgerkrieg kommt.
Dank dir für deine unermüdliche Berichterstattung !

Katharina Hofmann
Admin
1 Monat zuvor
Reply to  Lea Ofrafiki

….fühlt sich für alle gespenstisch an, wenn wir an das WE denken

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