Die Belagerung von Los Angeles – Trump, Newsom und der Aufstand im Westen

VonRainer Hofmann

Juni 9, 2025

Es war ein Sonntag, der sich wie ein Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte anfühlte. Tausende Menschen strömten auf die Straßen von Los Angeles, blockierten Freeways, setzten selbstfahrende Fahrzeuge in Brand. Es waren Bilder, die an den Sommer 2020 erinnerten – an George Floyd, an Tränengas, an Rebellion. Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom nannte die Entsendung der Nationalgarde durch Donald Trum „illegal, unmoralisch, verfassungswidrig“. Noch am Montag will er Klage einreichen gegen die Bundesregierung, um den Einsatz zu stoppen. Die Fronten sind klar: Hier ein Bundesstaat, der seine Autonomie verteidigt – dort ein Präsident, der mit dem Gesetz der Rebellion eine militärische Antwort rechtfertigt.

Ein Präsident gegen sein Land

„Ich mag Gavin, er ist ein netter Kerl, aber grob inkompetent“, sagte Trump am Montag auf dem Rasen des Weißen Hauses. Dabei ließ er sich neben dem Washington Monument ablichten – ein Bild der Macht, wie aus dem Bilderbuch der Autokratie. Newsoms Hochgeschwindigkeitsbahnprojekt sei „100-mal über Budget“, die Demonstrierenden nannte er „professionelle Unruhestifter, Aufständische, schlechte Menschen. Sie gehören ins Gefängnis.“ Trump bleibt bei seiner Linie: Der Einsatz der Nationalgarde sei eine „großartige Entscheidung“ gewesen. Ohne die Truppen, schrieb er auf seiner Social-Media-Plattform, wäre Los Angeles „vollständig ausgelöscht“ worden. Dabei war die Gewalt begrenzt auf einzelne Straßenzüge – kein flächendeckender Aufstand, sondern eine eskalierende Reaktion auf Trumps Migrationspolitik.

Gewerkschafter im Fadenkreuz

Einer, der sich dem Ganzen entgegenstellte, sitzt nun in Untersuchungshaft: David Jose Huerta, 58, Präsident der Service Employees International Union (SEIU) Kalifornien. Am Freitagmorgen waren Bundesbeamte mit einem Durchsuchungsbefehl in ein Unternehmen in Los Angeles eingerückt, das verdächtigt wird, undokumentierte Arbeitskräfte zu beschäftigen. Als Huerta auftauchte, kam es laut Gerichtsunterlagen zu einem Zusammenstoß mit den Beamten. Er habe einen Offizier weggeschoben, sei daraufhin zu Boden gedrückt und verhaftet worden.

Die SEIU spricht von Einschüchterung und politisch motivierter Repression. Am Montag sollen in 17 Städten landesweit Proteste stattfinden – darunter New York, Chicago, Boston, Atlanta, Philadelphia, Portland, Washington D.C. und San Francisco. „Wir fordern Huertas sofortige Freilassung und ein Ende dieser missbräuchlichen Razzien am Arbeitsplatz“, erklärte SEIU-Präsidentin April Verrett.

Einreiseverbot und Eskalation

Zeitgleich tritt am Montag ein neues Einreiseverbot in Kraft. Es betrifft Bürger:innen aus zwölf mehrheitlich afrikanischen und arabischen Ländern. Die Maßnahme ist Teil eines verschärften Vorgehens der Trump-Regierung gegen Migration aus Regionen, die sie als „nicht integrationsfähig“ einstuft. Für viele Beobachter:innen ist es ein Neuaufguss des „Muslim Ban“ – diesmal umfassender, aggressiver, radikaler. Bürgerrechtsorganisationen und UN-Experten sprechen von einer systematischen Diskriminierung ganzer Kontinente.

Ein rechtliches Erdbeben bahnt sich an

Gavin Newsom sieht in Trumps Vorgehen eine verfassungswidrige Intervention. Der Präsident beruft sich auf ein Gesetz, das ihm erlaubt, Truppen einzusetzen, wenn ein „Aufstand oder die Gefahr eines Aufstands gegen die Autorität der Vereinigten Staaten“ besteht. Doch in Kalifornien gibt es keinen Notstand – keine fremdbestimmte Regierung, keine staatsfeindliche Gewalt. Es gibt Proteste – und einen politischen Widerstand, der sich auf das Recht zur Selbstverwaltung beruft. Tom Homan, Trumps Grenzbeauftragter, ging am Montag noch einen Schritt weiter. In einem Interview mit Fox News deutete er an, dass man Gavin Newsom „absolut“ verhaften könne, sollte sich herausstellen, dass er die Arbeit der Bundesbeamten behindert habe. Später ruderte er zurück – doch die Drohung stand im Raum. Dass ein Präsident die Verhaftung eines gewählten Gouverneurs nicht ausschließt, markiert eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung zwischen Bundes- und Landesgewalt.

Kalifornien ist nicht allein.

In vielen Städten brodelt es – nicht nur wegen der Migrationspolitik, sondern wegen der Ausweitung präsidialer Macht, der Repression gegen Gewerkschaften, der Militarisierung der Innenpolitik. Trumps zweites Amtsjahr beginnt wie ein düsteres Déjà-vu – mit Tränengas und Panzern, mit Zensur und Angst, mit einer Justiz, die sich immer öfter gegen das Volk stellt, statt es zu schützen. Und doch: Der Widerstand wächst. In Los Angeles, in New York, in Portland, in Atlanta. Was wie ein lokaler Aufstand begann, könnte zum nationalen Fanal werden. Für ein anderes Amerika. Für ein Land, das sich nicht kampflos dem Autoritarismus ergibt.

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