Es gibt Momente, in denen Musik mehr ist als nur Klang, mehr als eine Ansammlung von Akkorden und Textzeilen. Manchmal wird sie zur Anklage, zur Stimme der Freiheit, zum Ruf nach Gerechtigkeit. Am Mittwochabend in Manchester, weit entfernt von den Küsten seiner Heimat, wurde Bruce Springsteen zum Boten dieser Wahrheit.
Dort, auf der Bühne vor tausenden Menschen, hob der „Boss“ seine Stimme und sprach nicht nur als Musiker, sondern als Bürger, als Patriot – ein Wort, das er sich inmitten eines zerrissenen Amerikas zurückerobert hat. „In meiner Heimat, dem Amerika, das ich liebe, dem Amerika, über das ich geschrieben habe und das seit 250 Jahren ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Freiheit ist, liegt die Macht derzeit in den Händen einer korrupten, inkompetenten und verräterischen Regierung“, rief er, und jeder Ton seiner Stimme zerriss den Schleier der Resignation.
Springsteen sprach, und seine Worte waren wie Hammerschläge auf das Blech der Gleichgültigkeit. Ein Mann, der sein ganzes Leben lang für die „Working Class“ gesungen hat, der den Schmerz und die Hoffnungen der einfachen Menschen zu seiner Musik gemacht hat, stand da und rief zur Verteidigung dessen auf, was Amerika einst bedeutete – Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität.
„Heute Abend rufen wir alle, die an Demokratie und das Beste aus der amerikanischen Erfahrung glauben, auf, mit uns aufzustehen. Erhebt eure Stimmen gegen den Autoritarismus, und lasst die Freiheit erklingen.“ Es waren keine leeren Worte, keine klischeehaften Parolen. Es war der Ruf eines Mannes, der weiß, dass Schweigen zum Komplizen macht.
Und dann setzte die Musik ein. „Land of Hopes and Dreams“ – ein Lied, das die Straßen Amerikas in seinen Klängen einfängt, das Versprechen einer besseren Zukunft, das Echo all jener, die sich nach einem Ort sehnen, an dem sie frei atmen können. „Dreams will not be thwarted. Faith will be rewarded.“ Träume werden nicht vereitelt. Glaube wird belohnt. Es war, als ob die Gitarren selbst zu einer Stimme der Freiheit wurden.
Doch Springsteen blieb nicht bei Poesie und Pathos. Er sprach von den düsteren Realitäten, die sein Land heimsuchen. „In Amerika freuen sich die reichsten Männer darüber, die ärmsten Kinder der Welt im Stich zu lassen und sie Krankheit und Tod auszusetzen. Das passiert gerade jetzt.“
Seine Anklage wuchs zur flammenden Rede. „Sie empfinden sadistische Freude an dem Schmerz, den sie treuen amerikanischen Arbeitern zufügen. Sie machen historische Bürgerrechtsgesetze rückgängig, die zu einer gerechteren und moralischeren Gesellschaft geführt haben. Sie lassen unsere großen Verbündeten im Stich und stellen sich auf die Seite von Diktatoren gegen diejenigen, die für ihre Freiheit kämpfen.“
Das war kein einfacher Protest, keine belanglose Künstlermeinung, wie sie oft als Marketingstrategie inszeniert wird. Springsteen stand da als Zeuge und Ankläger zugleich. Ein Mann, der durch seine Musik das Herz Amerikas auf der Zunge trägt – und dessen Zunge sich nicht davor scheut, die Wahrheit auszusprechen.
Und vielleicht ist es genau das, was in dieser Stunde gebraucht wird. Eine Stimme, die nicht nur unterhält, sondern aufrüttelt. Eine Stimme, die den Mythos vom Amerika der Freiheit gegen die Fratze des Autoritarismus verteidigt.
Springsteen hat sich nie hinter leeren Phrasen versteckt. Er hat gesungen, geschrieben, geschrien – und jetzt, auf der Bühne von Manchester, hat er erneut gezeigt, dass die größte Macht der Kunst darin liegt, die Wahrheit zu sprechen. Und manchmal ist diese Wahrheit lauter als jede Gitarre.