Palantir für die Polizei?

VonRainer Hofmann

April 25, 2025

Warum Deutschland einem Feind der Demokratie nicht auch noch seine Daten anvertrauen darf.

Der Beschluss des Bundesrats vom 22. März 2025 liest sich zunächst wie eine nüchterne Verwaltungsentscheidung: Die Polizei in ganz Deutschland soll künftig bundesweit auf Software des US-amerikanischen Unternehmens Palantir setzen. Doch hinter dieser Entscheidung verbirgt sich mehr als nur ein technisches Update der Polizeiarbeit – es ist ein folgenschwerer Eingriff in Grundrechte, Datenschutz und das Selbstverständnis einer liberalen Demokratie.

Denn Palantir ist nicht einfach irgendein Anbieter für Datenanalyse, es ist das Projekt eines Mannes, dessen politische Überzeugungen und Netzwerke mit demokratischen Grundwerten nicht vereinbar sind: Peter Thiel, milliardenschwerer Investor, Silicon-Valley-Vordenker und ideologischer Wegbereiter autoritärer Strukturen.

Peter Thiel – Ein Gegner der offenen Gesellschaft

Peter Thiel ist kein stiller Tech-Milliardär im Hintergrund. Er ist ein Mann mit Agenda – und diese ist alles andere als demokratisch. Thiel war Mitbegründer von PayPal, ein früher Investor bei Facebook, und später enger Berater und Financier von Donald Trump. Seine Nähe zu Trump ist nicht bloß eine Fußnote – Thiel war maßgeblich daran beteiligt, Trumps Regierungspersonal mit auszuwählen, darunter radikale Figuren mit klar antidemokratischer Gesinnung.

Er versteht Demokratie nicht als Errungenschaft, sondern als Hindernis. Bereits 2009 schrieb Thiel in einem vielzitierten Essay:

„Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie kompatibel sind.“

Was wie eine theoretische Provokation klingt, hat Thiel längst in praktische Unternehmenspolitik gegossen – mit Palantir.

Palantir – Das digitale Machtwerkzeug

Palantir entwickelt Plattformen zur Datenintegration und -analyse, die riesige Mengen personenbezogener Informationen verknüpfen, auswerten und im Kontext von Sicherheitsbehörden nutzbar machen. Was wie eine Softwarelösung klingt, ist in Wahrheit ein hochproblematisches Überwachungsinstrument.

In Bundesländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen wird Palantir bereits eingesetzt – mit fragwürdigen Konsequenzen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Reporter ohne Grenzen warnen seit Jahren: Die Software verwandelt Verdachtsmomente in vermeintliche Gewissheiten, indem sie algorithmisch Muster erkennt – und damit Menschen ins Visier bringt, die niemals Anlass für ein Ermittlungsverfahren gegeben haben.

Im Januar 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht den damaligen Palantir-Einsatz in Hessen in weiten Teilen für verfassungswidrig – ein deutliches Zeichen dafür, wie tiefgreifend das System in Grundrechte eingreift.

Ein Unternehmen ohne demokratische Kontrolle

Besonders brisant: Palantir ist ein US-Unternehmen, unterliegt somit amerikanischem Recht und steht in enger Verbindung mit Geheimdiensten wie der CIA und dem Pentagon. Die Firma ist börsennotiert, profitiert von Rüstungs- und Geheimdienstverträgen und lebt von Sicherheitskrisen.

Dass deutsche Behörden nun planen, ihre sensibelsten Informationen – von Bewegungsprofilen über Kommunikationsdaten bis hin zu sozialen Netzwerken potenzieller Verdächtiger, an ein Unternehmen auszulagern, das so tief in die amerikanische Sicherheitsarchitektur eingebunden ist, ist ein sicherheitspolitischer Blindflug.

Niemand kann garantieren, dass diese Daten nicht auch in US-Netzwerke einsickern. Niemand weiß, ob und wie Palantir seine Systeme weiterverwendet oder auswertet. Und die Bundesregierung hat bislang keinerlei überzeugende Antworten auf diese berechtigten Fragen geliefert.

Demokratischer Staat, autoritäres Werkzeug

Besonders widersprüchlich: Ein demokratischer Rechtsstaat wie Deutschland bedient sich nun ausgerechnet einer Software, die aus dem Gedankengut eines Mannes stammt, der sich offen gegen die Prinzipien dieses Rechtsstaates stellt. Peter Thiel betrachtet Transparenz und Mitsprache als Schwächen, Privatsphäre als Problem und Gleichheit als Illusion. Seine Investitionen folgen einem ideologischen Ziel: den Staat effizienter zu machen, aber nicht demokratischer.

Palantir ist damit nicht einfach ein Werkzeug, es ist Ausdruck einer autoritären Ideologie, die Daten über Bürger sammelt, sortiert und im Zweifel gegen sie verwendet. Wer sich in Zukunft gegen Überwachung, Diskriminierung oder Polizeigewalt wehren will, sieht sich vielleicht mit einem Algorithmus konfrontiert, der nicht hinterfragt wird – sondern automatisiert verdächtigt.

Ein Weckruf – kein technisches Detail

Dass ausgerechnet jetzt, in Zeiten wachsender autoritärer Tendenzen, steigender Skepsis gegenüber dem Staat und zunehmender Digitalisierung des Öffentlichen – deutsche Innenpolitiker glauben, mit Palantir ein modernes Polizeiinstrument einzuführen, zeigt vor allem eines: eine gefährliche Naivität.

Denn Peter Thiel ist kein neutraler Unternehmer, Palantir kein unpolitisches Produkt. Es geht um mehr als Software, es geht um Macht, über Daten, über Menschen, über Gesellschaft.

Ein demokratischer Staat darf seine Grundwerte nicht an autoritäre Logiken verkaufen

Palantir mag nach Effizienz und moderner Polizeiarbeit klingen. Doch der Preis dafür ist hoch – zu hoch. Denn wer einem erklärten Demokratiegegner wie Peter Thiel Vertrauen, Geld und Zugriff auf die intimsten Informationen seiner Bürger gibt, verspielt nicht nur Privatsphäre, sondern auch den inneren Kompass einer offenen Gesellschaft.

Palantir ist kein Dienstleister. Es ist ein trojanisches Pferd. Und wer es einlässt, riskiert am Ende nicht nur seine Daten, sondern seine Freiheit.

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