Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, fordert Folter für Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Währenddessen marschieren Marines in Los Angeles ein, eskaliert die Gewalt in Austin, und landesweite Proteste kündigen sich für den 14. Juni an. Amerika taumelt. Manchmal reicht ein einziger Satz, um ein politisches System ins Wanken zu bringen. „Er sollte geteert und gefedert werden“ – das sagte Mike Johnson, Sprecher des US-Repräsentantenhauses, öffentlich über Kaliforniens demokratischen Gouverneur Gavin Newsom. Es ist kein Ausrutscher, kein missverständlicher Witz, sondern eine bewusste Aufforderung zur Entwürdigung, zur Gewalt – zur Lynchjustiz.
Während Johnson solche Drohungen ausspricht, rollt das Militär durch die Straßen von Los Angeles. Marinesoldaten, entsandt von Präsident Donald Trump persönlich, treffen am Dienstag ein. Mehr als ein Dutzend Busse verließen Twentynine Palms, 700 aktive Marines wurden binnen Stunden in der Stadt stationiert – als Antwort auf Proteste gegen die Eskalation der ICE-Razzien in Kalifornien.
Proteste, die in ihrer Mehrheit friedlich verlaufen – und dennoch als Vorwand herhalten müssen für den Einmarsch bewaffneter Truppen in eine amerikanische Großstadt. Der Befehl kam gegen den ausdrücklichen Willen des kalifornischen Gouverneurs und lokaler Behörden.
Doch Trump geht es längst nicht mehr um Ordnung. Ihm geht es um Machtdemonstration – gegen jene, die widersprechen. Gegen Städte, die Zuflucht bieten. Gegen Gouverneure, die widersprechen. Und gegen Menschen, die er schlicht als „illegale Invasoren“ entmenschlicht.
Der Widerstand wächst. In Atlanta versammelten sich am Montag hunderte Demonstrierende vor dem ICE-Gebäude in der Innenstadt. Auch in Austin, Texas, kam es zu schweren Ausschreitungen. Vier Polizisten wurden verletzt – drei durch geworfene Steine, einer bei einer Festnahme, wie Polizeichefin Lisa Davis mitteilte. Der Staat setzte Reizgas ein, die Proteste wurden gewaltsam aufgelöst. Für das kommende Wochenende kündigt Davis weitere Kundgebungen in der Innenstadt an. „Wir unterstützen friedlichen Protest“, sagte sie. „Aber wenn aus Protest Gewalt wird, wenn Steine und Flaschen fliegen – dann wird das nicht toleriert.“
Doch was ist Gewalt in einem Land, in dem der Parlamentspräsident die Teerung und Federung eines demokratisch gewählten Gouverneurs fordert? Was ist Eskalation in einem Land, in dem der Präsident persönlich Truppen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt? Es gibt auch Gegenstimmen – leise, aber aufrecht. David Valadao, republikanischer Abgeordneter aus Kaliforniens San Joaquin Valley, zeigte Rückgrat. Auf Social Media erklärte er: „Ich unterstütze das verfassungsmäßige Recht auf friedlichen Protest. Aber die Gewalt und Zerstörung in Los Angeles ist inakzeptabel, und ich stehe hinter unseren Ordnungskräften.“ Doch Valadao beließ es nicht bei der üblichen Rhetorik. Er kritisierte auch die ICE-Razzien: „Ich bleibe besorgt über die anhaltenden ICE-Einsätze in Kalifornien und werde meine Gespräche mit der Regierung fortsetzen – mit dem Ziel, dass Abschiebungen sich auf bekannte Kriminelle konzentrieren und nicht auf hart arbeitende Menschen, die seit Jahren friedlich im Valley leben.“
Während Trump von „Migranten-Aufständen“ spricht und verspricht, Los Angeles zu „befreien“, sehen die Menschen vor Ort keine Invasion. Was sie sehen, sind Nachbarn, Kollegen, Freunde – verschwundene Väter, verhaftete Mütter, Kinder in Angst.
Der 14. Juni – Trumps 79. Geburtstag und der 250. Jahrestag der US-Armee – könnte zum Wendepunkt werden. In Dutzenden Städten sind Großdemonstrationen angekündigt. In Kalifornien, in New York, in Texas. In Los Angeles soll ein Marsch auf das Federal Detention Center stattfinden. In San Diego wird eine „Wall of Justice“ aufgebaut. In San Francisco soll eine Menschenkette symbolisch ICE-Gefängnisse umschließen. Die Frage ist längst nicht mehr, ob dieser Präsident autoritär handelt. Die Frage ist, wie weit er noch geht – und wie lange ihn ein Land, das sich frei nennt, gewähren lässt. Amerika steht am Scheideweg. Wer jetzt schweigt, stimmt zu. Wer jetzt zusieht, macht sich mitschuldig. Denn wo ein Regierungssprecher zur Folter aufruft, ist nicht mehr Protest das Problem – sondern die Regierung selbst.