Es ist ein Streik, der den Puls eines ganzen Bundesstaates anhält. Am Freitagmorgen erwachte New Jersey zu einem Chaos, das sich in leeren Bahnsteigen, langen Warteschlangen an Bushaltestellen und verzweifelten Anrufen bei Fahrdiensten spiegelte. Rund 350.000 Pendler, die sonst täglich mit NJ Transit durch den Staat oder nach New York City reisen, standen plötzlich ohne ihre gewohnte Verbindung da.
Mit dem ersten Schlag der Uhr nach Mitternacht standen die Züge still. Ein einziger Augenblick, der aus Routine ein Risiko machte. Einige hatten den Streik erwartet, verließen ihre Häuser früher, kämpften sich durch die morgendliche Dunkelheit, um Busse, Taxis oder Fähren zu erwischen. Andere standen verloren an den Bahnhöfen, starrten auf leere Gleise, warteten auf Züge, die niemals kommen würden.
Es war der erste Streik bei NJ Transit seit über 40 Jahren – eine Blockade, die aus einem Scheitern in Verhandlungen hervorging. Die Lokführer, organisiert in der „Brotherhood of Locomotive Engineers and Trainmen“, hatten eine neue Vereinbarung mit dem Management abgelehnt. „Wir haben ihnen den letzten Vorschlag unterbreitet, und sie haben ihn abgelehnt“, sagte Tom Haas, der Vorsitzende der Gewerkschaft. Für die Lokführer geht es um mehr als Geld – es geht um Anerkennung und Sicherheit.
Doch nicht alle haben Verständnis. Vor den NJ-Transit-Büros in Newark und am Hoboken Terminal schwenken streikende Lokführer ihre Schilder: „Lokführer im Streik“, „NJ Transit: Millionen für Penthouse-Aussichten, nichts für Zugcrews.“ Auf den Straßen hingegen murren Pendler. „Gierig sind sie“, schimpft David Lopez, ein Gleisarbeiter. „Züge sind nie pünktlich, und sie beschweren sich trotzdem.“
Der Streik ist ein Spiegelbild der Spaltung. Auf der einen Seite Lokführer, die für ihre Rechte kämpfen, auf der anderen Seite Pendler, die das Gefühl haben, im falschen Moment geopfert zu werden. Gouverneur Phil Murphy und NJ Transit-CEO Kris Kolluri betonen, dass sie den Lokführern höhere Löhne angeboten hätten, doch zugleich warnen sie vor den finanziellen Folgen. „Was nützt eine Gehaltserhöhung, wenn Ihr Job in ein paar Jahren nicht mehr existiert?“, fragt Kolluri.
Der Streik ist mehr als ein Arbeitskampf. Er ist ein Test für ein ganzes Verkehrssystem, das täglich fast eine Million Fahrten ermöglicht – vom ruhigen Vorort bis zur Hektik von Manhattan, vom Flughafen Newark bis zu den Stadien der Meadowlands. Jetzt herrscht Ungewissheit. Am Wochenende sollen neue Verhandlungen unter Vermittlung von Bundesmediatoren stattfinden. Doch für die Lokführer ist klar: Sie bleiben auf den Schienen – auch wenn sie stillstehen.
Der Streik legt das zerbrechliche Gleichgewicht eines Bundesstaates offen, der sich zwischen wirtschaftlicher Effizienz und menschlicher Würde hin- und hergerissen fühlt. Für einige ist es ein Akt des Widerstands. Für andere ist es eine Zumutung. Und für New Jersey ist es ein Tag des Stillstands.