Der neue Justizskandal – Trump-Regierung feuert federführende Staatsanwälte der Kapitol-Ermittlungen

VonRainer Hofmann

Juni 28, 2025

Washington, 28. Juni 2025 – In einem drastischen Schritt, der das Vertrauen in die Unabhängigkeit der amerikanischen Justiz erschüttert, hat das US-Justizministerium am Freitag mindestens drei Staatsanwälte entlassen, die maßgeblich an der strafrechtlichen Aufarbeitung des Angriffs auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 beteiligt waren. Die Entscheidung erfolgte abrupt und ohne Angabe konkreter Gründe – unterzeichnet von Justizministerin Pam Bondi. Wie zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichten, betrifft der Rausschmiss zwei leitende Anwälte, die die Verfahren im Büro der Bundesstaatsanwaltschaft in Washington beaufsichtigten, sowie eine Linienstaatsanwältin, die selbst Verfahren gegen Angeklagte aus dem Umfeld des Kapitolsturms führte. In einem der Kündigungsschreiben wird die Maßnahme lediglich mit Artikel II der US-Verfassung sowie „den Gesetzen der Vereinigten Staaten“ begründet. Eine Begründung im eigentlichen Sinne fehlt. Ein Sprecher des Justizministeriums lehnte am Freitagabend eine Stellungnahme ab.

Doch die Entlassungen fügen sich nahtlos in ein größeres Muster ein: die schleichende, systematische Demontage des Rechtsstaats durch die Trump-Regierung in ihrer zweiten Amtszeit. Bereits zuvor hatten führende Beamte im Justizministerium Mitarbeiter entlassen oder degradiert, die in Verfahren gegen Donald Trump selbst involviert waren oder als nicht ausreichend loyal galten. Karrieren wurden gekappt, Abteilungen umstrukturiert, institutionelle Sicherungen ausgehebelt. Die jüngste Welle von Personalentscheidungen reiht sich in eine Serie besorgniserregender Entwicklungen ein. Trump hatte bereits am ersten Tag seiner Rückkehr ins Weiße Haus sämtliche Urteile gegen die mehr als 1.500 Beteiligten des Kapitolangriffs annulliert – darunter auch Verurteilungen wegen aufrührerischer Verschwörung und schwerer Gewalt gegen Polizeibeamte. Die Massenbegnadigung galt vielen als juristische Bankrotterklärung. Nun scheint das Ziel klar: Auch jene, die die juristische Aufarbeitung dieser Attacke ermöglichten, sollen aus dem Weg geräumt werden.

Insbesondere trifft es bekannte Namen: Während seiner Zeit als kommissarischer Bundesstaatsanwalt in Washington hatte Ed Martin bereits im Februar mehrere Anklageführer herabgestuft – darunter auch den einstigen Leiter der „Capitol Siege Section“, der die Anklagen gegen die Oath Keepers und die Proud Boys koordiniert hatte. Auch zwei Juristen, die federführend an den Verurteilungen von Stewart Rhodes und Enrique Tarrio wegen aufrührerischer Verschwörung beteiligt waren, wurden versetzt. Bereits im Januar hatte der damalige geschäftsführende Vize-Justizminister Emil Bove rund zwei Dutzend Staatsanwälte entlassen, die ursprünglich befristet für die Kapitol-Fälle eingestellt worden waren, dann jedoch nach Trumps Wahlsieg in feste Positionen überführt wurden. In einer internen Mitteilung erklärte Bove, er werde keine „subversiven Personalentscheidungen der Vorgängerregierung“ dulden – eine Formulierung, die bereits damals als Warnsignal für eine bevorstehende Säuberung galt. Der Kurs des Trump-geführten Justizministeriums ist klar: Loyalität vor Gesetz, Gefolgschaft vor Fachlichkeit. Die Entlassungen vom Freitag sind mehr als nur ein weiterer Personalvorgang. Sie sind ein Angriff auf das institutionelle Gedächtnis der amerikanischen Strafjustiz – und ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass in Trumps zweiter Amtszeit nicht nur die Geschichte umgeschrieben wird, sondern auch die Verantwortung für sie ausgelöscht werden soll. Demokratische Senator:innen kündigten bereits Widerstand an. Einige fordern die Blockade von Trumps künftigen Ernennungen für Schlüsselposten im Justizbereich. Doch die zentrale Frage bleibt: Wer schützt die, die einst den Rechtsstaat zu verteidigen versuchten – wenn selbst das Justizministerium zur Bühne politischer Säuberung wird? Der Preis der Aufklärung von 1.500 Kapitol-Angreifern scheint heute nicht mehr in Anklageschriften, sondern in Kündigungsschreiben gemessen zu werden. Und während treue Staatsanwält:innen entlassen und verurteilte Aufrührer begnadigt werden, verwandelt Donald Trump die Vereinigten Staaten mehr und mehr in einen Schurkenstaat – eine Nation, in der Loyalität zur Person über der Treue zur Verfassung steht.

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