Die Hölle auf Erden – Das Abschiebecenter Krome in Miami

VonRainer Hofmann

Juli 8, 2025

Während das neu errichtete Internierungslager „Alligator Alcatraz“ in den Everglades derzeit zum Symbol einer enthemmten Abschiebepolitik wird, gerät ein anderer Ort stillschweigend in Vergessenheit: das Krome-Abschiebezentrum in Miami. Wir haben in der Vergangenheit mehrfach darüber berichtet, verdeckte Aufnahmen veröffentlicht, Zeug:innen zu Wort kommen lassen.

Alligator Alcatraz
Alligator Alcatraz

https://kaizen-blog.org/sumpf-der-schande-proteste-gegen-das-neue-abschiebelager-alligator-alcatraz/

https://kaizen-blog.org/alligatoren-im-dienst-der-abschreckung-wie-das-us-heimatschutzministerium-jedes-mass-verliert/

https://kaizen-blog.org/erste-insassen-erreichen-alligator-alcatraz-trumps-abschreckungslager-nimmt-betrieb-auf/

https://kaizen-blog.org/selbstverzehrung-im-ausnahmezustand-amerika-verliert-seine-letzte-scham/

Krome steht nicht weniger für systemische Härte, für Misshandlungen, Überbelegung und Behördenwillkür – es war nur früher da, früher sichtbar, früher verdrängt. Doch wer heute über „Alligator Alcatraz“ spricht, darf Krome nicht ausklammern. Es ist Teil derselben Geschichte.

Amerika – das Land der letzten Hoffnung, der großen Freiheit. Und doch verwandelt sich diese Hoffnung an Orten wie Krome, dem ältesten Abschiebezentrum der Vereinigten Staaten, in eine betongegossene Lüge. In Miami, dort, wo das Versprechen auf ein besseres Leben an den Grenzen seiner Gültigkeit zerbricht, erzählen vier Frauen, was geschieht, wenn Staaten zu Systemen werden – und Systeme zu Maschinen der Entmenschlichung. Sie berichten nicht laut. Sie klagen nicht an. Ihre Worte tragen keine Empörung, sondern Erschöpfung. „Wie Sardinen in der Dose“, sagen sie über ihre Zellen. Ketten um Brust, Handgelenke, Taille. Luft, die steht. Fahrten über zwölf Stunden – ohne Wasser, ohne Toilette. „Dann pinkelt halt auf den Boden“, sagen die Wärter. Und man tut es. Nicht aus Trotz, sondern aus Notwendigkeit. Eine Frau aus Guatemala erzählt, wie sie mit ihrer fünfjährigen Tochter nach Krome gebracht wurde. Die Kleine hatte Fieber. Hilfe kam nicht. Niemand hörte sie schreien – weil sie nicht mehr schrie.

„Hell on Earth“ (Brief)
Ich kann nicht glauben, dass wir es kaum erwarten konnten, nach Krome zu kommen. Wir dachten, das sei der Ort, von dem aus man schneller wieder rauskommt. Das war es, was beide unserer Anwälte sagten. Drei von uns kamen gegen 8:20 Uhr morgens in Miami an. Wir kamen in einen komfortablen Raum mit Fernseher, Decken und einem Bad mit Tür. (lol ja – damals wurde allein eine Badezimmertür zu etwas „Luxuriösem“) Wir waren dort bis etwa 11:20 Uhr. Dann steckten sie uns in einen Bus – einen Transporter für Gefangene, mit kleinen Löchern statt Fenstern, sodass man kaum etwas sehen konnte. Und wir hingen dort einfach fest – auf engstem Raum. Während sie uns um den Flughafen herumfuhren – vor und zurück – bei Hitze, mit offenen Fenstern. Dann brachten sie uns in einen größeren Bus. Sie „checkten“ uns aus, legten uns Ketten an – Hände an Taille, Beine verbunden. Die Kette über meiner Brust war so eng, dass ich nicht richtig atmen konnte. Ich bekam Panik, ich hatte solche Angst – ich dachte, ich werde keine Luft mehr bekommen. Ich weinte und flehte sie an, sie sollen mich losmachen. Sie sagten nur: „Du wirst schon klarkommen.“ Eine andere Frau hörte mich und half. Aber die Angst, dass man so mit einem Leben umgeht, hat sich tief eingebrannt.“

Krome ist kein Ausnahmefall. 1.700 Menschen sind derzeit dort inhaftiert – das fast Dreifache der eigentlichen Kapazität. Und während die Beschwerden über Essens- und Wassermangel, medizinische Vernachlässigung und Überbelegung steigen, schloss die Trump-Regierung drei Kontrollstellen des Heimatschutzministeriums, die genau solche Vorwürfe untersuchen sollten. Statt Aufsicht: Abwicklung. Die sogenannte „Office of Immigration & Detention Ombudsman“ wurde aufgelöst, inklusive ihrer 100 Mitarbeitenden. Ein interner Widerstand gegen die systematische Entrechtung – abgeräumt wie ein Hindernis. Die Robert F. Kennedy Human Rights Organisation klagt gegen diesen Schritt. Vierzig Frauen wurden im März in das ausschließlich für Männer vorgesehene Zentrum Krome überstellt – ein Vorgang, der möglicherweise gegen Bundesgesetze zum Schutz vor sexuellen Übergriffen in Gefängnissen verstößt. Diese Ankunft wurde dokumentiert – und bleibt dennoch unbeantwortet von den Behörden. Drei Menschen starben allein in diesem Jahr in US-Einwanderungshaft, zwei davon in Krome. Der Ukrainer Maksym Chernyak, legal eingereist mit seiner Frau, wurde nach einer Festnahme wegen häuslicher Gewalt krank, bekam Fieber, erbrach sich, lag zitternd in der Zelle – und starb zwei Tage nach seiner Verlegung ins Krankenhaus. Ursache: ein Schlaganfall, verschärft durch Bluthochdruck. Medikamente? Gab es nicht. Die Witwe sagte: „Sie sahen seinen Zustand – aber sie ignorierten ihn.“ Der Tod ist hier kein Unfall. Er ist eingebaut. Teil des Systems, das Verwaltung nennt, was in Wahrheit Gewalt ist. Ein anderer Inhaftierter, Osiris Vázquez, filmte mit dem Handy heimlich aus dem Inneren: Männer auf Betonböden, unter Tischen, mit Schuhen als Kopfkissen. „Wir wollen keine Likes – wir wollen Hilfe“, sagt er mit geröteten Augen. Vázquez wurde später deportiert. Zwei Krankenhausaufenthalte wegen einer Infektion, die er sich dort zuzog, folgten. Auch Huber Argueta-Perez, seit 20 Jahren in den USA, wurde festgenommen, nachdem er seine Töchter zur Schule gebracht hatte. Er schlief neun Tage auf dem Betonboden, krank vor Kälte, ohne Medizin. „Wir haben nicht reingepasst“, sagt er. „Und je mehr wir uns beschwerten, desto schlimmer war die Strafe.“ Ein Bundesbeamter, der anonym blieb, berichtete: Mehr als 2.000 Beschwerden wurden allein in diesem Jahr an das Ombudsbüro gemeldet. Doch das wurde inzwischen aufgelöst – samt allen 100 Mitarbeitenden. Als Hindernis. Eine Klage gegen die Auflösung wurde von der Robert F. Kennedy Human Rights Organisation eingereicht. Auch das Bundesgefängnis in Downtown Miami erlebte einen Aufstand: 40 Detainees warteten acht Stunden auf Einlass, ein Feueralarm wurde ausgelöst, Schlagstöcke geraubt. Flashbangs, Pfefferspray, Chaos. Die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts. Auch das ist ein Muster. ICE plant, bis zu 100.000 Haftplätze zu schaffen – auf Militärbasen, in Guantánamo, in kommunalen Gefängnissen. Trumps Grenzchef erklärte: Es genüge, wenn die Standards jenen amerikanischer Gefängnisse entsprächen. Menschenrechte? Optional. Was bleibt, ist nicht Empörung, sondern dieser Brief. Vier Frauen, die berichten, festhalten, durchhalten. Keine Schreie, kein Zorn. Nur das leise Protokoll einer Hölle, die längst Realität ist. Wie „Die Verzweiflung hat keine Sprache – sie hat nur Wiederholungen.“ Die Hölle ist nicht irgendwo. Sie ist hier. Und sie trägt eine Uniform.

Wir werden uns nicht beirren lassen. Nicht von Zensur, nicht von Druck, nicht von Gleichgültigkeit. Der Einsatz für die Rechte dieser Menschen – ob in den USA, in Deutschland oder anderswo – ist kein Akt der Wohltätigkeit, sondern eine Pflicht. Und jeder Versuch, unsere Arbeit zu behindern, ist für uns kein Hindernis, sondern Antrieb. In einer Zeit, in der die Welt rauer, kälter, verrohter geworden ist, braucht es Stimmen, die standhalten. Die nicht weichen, nicht schweigen, nicht resignieren. Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Und wir werden weiterhin dafür kämpfen – mit allem, was wir haben. Wer glaubt, uns einschüchtern oder kleinhalten zu können, hat sich geschnitten. Wir stehen. Basta.

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Torben
Torben
5 Monate zuvor

Drittes Reich 2.0, man bekommt Tränen in die Augen, wenn man das sieht und liest!

Zuletzt bearbeitet am 5 Monate zuvor von Torben
Helga
Helga
5 Monate zuvor

Habe diesen Bericht heute schon bei Fb gelesen und bin immer noch fassungslos. Dieser senile, kranke Mann mordet! Er ruiniert die Wirtschaft, auch die Landwirtschaft. Er ist schuld am Tod der Inhaftierten und der Kinder in Texas. Auch trägt er die Schuld am Ausbruch der Masern.
Es muss dringend ein Weg gefunden werden ihn aus der Politik zu verbannen.

Geisler Manfred
Geisler Manfred
5 Monate zuvor

Ich zweifle immer mehr daran zu glauben, dass Trump und sein Gefolge krank in Hirn sind. Das sind doch eher geistig Verwahrloste. Die Zügel haben die vielleicht schon gar nicht mehr in der Hand. Das scheint sich auch einiges bis in die untersten Ebenen zu verselbständigen. Kommt Zeit, kommt Rat …
Wann landet eigentlich Melania in einem der Abschiebeentmenschlichungslager?

Ela Gatto
Ela Gatto
5 Monate zuvor
Antwort auf  Geisler Manfred

Oder die Frau von Vance?

Spätestens wenn sie es wagen sollten den Mund aufzumachen.

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