Gotteskrieger und Geopolitik – Trumps Drohung gegen Nigeria

VonRainer Hofmann

November 2, 2025

Donald Trump, Dealmaker, in seiner eigenen Welt wohl längst Träger des Friedensnobelpreises, der Mann, der Krieg als Gleichnis für Stärke benutzt, drohte am Samstag auf seiner eigenen Plattform, „das nun schändliche Nigeria“ militärisch anzugreifen – angeblich, um Christen zu schützen. Er sprach von „radikalen Islamisten“, von „Massenmord“, von einem Angriff, der „schnell, grausam und süß“ sein werde, und er befahl dem Pentagon, „Vorbereitungen für mögliche Aktionen“ zu treffen. In Washington nennt man so etwas „Einsatzplanung für den Ernstfall“, im Rest der Welt klingt es nach einem Ultimatum. Schon im Sommer 2025 deckten Recherchen von uns auf, dass Trump Nigeria als „Bedrohung für die globale Sicherheit“ sieht. Darüber berichteten wir bereits am 9. Juli 2025 in unserem Artikel: „Der erfundene Feind – Wie ein internes Zitat Trumps Nigeria-Politik entlarvt“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/der-erfundene-feind-wie-ein-internes-zitat-trumps-nigeria-politik-entlarvt/

Solche Recherchen haben mit Agenturjournalismus wenig zu tun. Sie beginnen nicht mit Presseterminen und übernehmen von Texten, sondern mit sehr viel Arbeit und Einsatz, mit geduldigen Gesprächen und Quellen, die geschützt werden müssen. Whistleblower sind keine Informationslieferanten, sondern Menschen, die etwas aufs Spiel setzen – und genau deshalb verdienen sie Sorgfalt, nicht Schlagzeilen.

Wenn die nigerianische Regierung weiterhin die Tötung von Christen zulässt, wird die USA sofort alle Hilfe und Unterstützung für Nigeria einstellen und könnte sehr wohl in dieses nun in Ungnade gefallene Land einmarschieren – „mit gezückten Waffen“ –, um die islamischen Terroristen vollständig auszulöschen, die diese schrecklichen Gräueltaten begehen.

Ich weise hiermit unser Kriegsministerium an, sich auf mögliche Maßnahmen vorzubereiten. Wenn wir angreifen, wird es schnell, grausam und süß sein – genau wie die terroristischen Schläger unsere geschätzten Christen angreifen!

WARNUNG: DIE NIGERIANISCHE REGIERUNG SOLLTE SICH BESSER SCHNELL BEWEGEN!

Der Hintergrund: Trump hatte tags zuvor Nigeria zum „Land von besonderer Besorgnis“ erklärt, einer diplomatischen Einstufung, die Staaten religiöser Intoleranz bezichtigt. Für Afrika, für die 220 Millionen Menschen zwischen Abuja und Lagos, ist das mehr als Symbolik. Es ist ein Warnschuss mit globaler Resonanz. Präsident Bola Ahmed Tinubu reagierte scharf. Nigeria, so sagte er, sei ein Land religiöser Toleranz. Es gebe keine staatliche Verfolgung, keine strukturelle Diskriminierung. „Religionsfreiheit und Toleranz sind ein Grundpfeiler unserer gemeinsamen Identität“, erklärte er.

Die Realität ist komplizierter. In Nigeria vermischen sich religiöse, ethnische und wirtschaftliche Konflikte seit Jahren zu einem kaum durchschaubaren Krieg mosaikartiger Gewalt. In den Dörfern des Nordens kämpft Boko Haram gegen alles, was westlich klingt – Christen, Muslime, Kinder. In der Mitte des Landes prallen Viehzüchter und Bauern aufeinander, weil das Land vertrocknet und die Zukunft schwindet. In den Städten des Südens wachsen neue Machtzentren, getrieben von Armut, Korruption, Angst. Es gibt Massaker an Christen – ja. Aber ebenso Massaker an Muslimen. Die Mehrheit der Opfer islamistischer Gruppen sind Muslime selbst.

Die Erklärung von Nigerias Präsident Bola Ahmed Tinubu ist eine offizielle Reaktion auf Trumps Vorwürfe religiöser Intoleranz. Tinubu betont darin, dass Nigeria eine Demokratie mit verfassungsmäßig garantierter Religionsfreiheit sei. Seit 2023 arbeite seine Regierung aktiv mit christlichen und muslimischen Führern zusammen und gehe Sicherheitsprobleme an, die Bürger aller Glaubensrichtungen betreffen.

Er weist die Darstellung Nigerias als religiös intolerant entschieden zurück und bezeichnet sie als realitätsfern. Religiöse Freiheit und Toleranz seien ein zentraler Bestandteil der nationalen Identität. Nigeria lehne jede Form religiöser Verfolgung ab und fördere sie nicht. Zudem sichere die Verfassung den Schutz aller Glaubensgemeinschaften zu. Abschließend erklärt Tinubu, seine Regierung wolle weiterhin eng mit den USA und der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um gegenseitiges Verständnis und den Schutz religiöser Gemeinschaften zu vertiefen.

Trump ignoriert diese Komplexität. Seine Rhetorik folgt einem Muster, das längst vertraut ist: Religion als geopolitisches Werkzeug, Christentum als moralische Waffe. „Unsere geschätzten Christen“ nennt er sie, als gehörten sie ihm. Der Mann, der vor Jahren Evangelikale hofierte, um die Wahl zu gewinnen, spielt nun wieder die alte Platte vom christlichen Märtyrertum. Seine Worte sind nicht bloß religiös gefärbt – sie sind militärisch aufgeladen, ein Aufruf an jene, die Amerika als göttliche Mission verstehen.

Nigeria hat gelernt, auf solche Töne zu reagieren – mit Diplomatie, nicht mit Gegenschlägen. Außenamtssprecher Kimiebi Ebienfa erklärte, das Land werde „alle Bürgerinnen und Bürger verteidigen, unabhängig von Glaube oder Herkunft“. Nigeria feiere die Vielfalt als seine größte Stärke. Und doch weiß Tinubu, dass die Drohung real ist. Die USA haben Militärbasen in Niger, Drohnen in der Sahelzone, Berater in Abuja. Was als moralische Empörung beginnt, kann schnell zu einem Präzedenzfall werden – für „humanitäre Intervention“, für neue Stellvertreterkriege. Die Ironie ist bitter: Noch 2023 hatte Washington Nigeria von jener Liste der religiös problematischen Staaten gestrichen, um die Beziehungen zu verbessern. Antony Blinken, damals Außenminister, war eigens nach Abuja gereist, um Amerika als „besseren Partner“ zu präsentieren – im Gegensatz zu Russlands Wagner-Söldnern, die in Mali, Burkina Faso und Niger ganze Regionen kontrollieren. Er sprach von Zusammenarbeit, von Ausbildung, von gemeinsamer Sicherheit im Sahel. Es war der Versuch, das Vertrauen wiederherzustellen, das nach Jahren westlicher Heuchelei verloren gegangen war.

Nun droht ein Präsident, der in Religion eine Waffe sieht, dieses fragile Gleichgewicht zu zerstören. Während Blinken noch vor einem Jahr von „Sicherheit der Bürger“ sprach – der Sicherheit der Menschen, nicht der Regierungen –, redet Trump von „schießend in den Kampf ziehen“. Der eine wollte Partnerschaft, der andere Unterwerfung. Afrika, das immer wieder Schauplatz fremder Kriege war, steht erneut zwischen den Fronten. Niger hat sich längst nach Russland gewandt, Mali ebenso, Burkina Faso folgte. Nigeria, das wirtschaftliche Herz des Kontinents, will sich nicht einreihen – nicht in Moskaus Orbit, nicht in Washingtons. Tinubu versucht, Neutralität zu wahren, Stabilität zu wahren, während die Welt sich neu sortiert. Doch Trumps Worte verschieben Gewichte. Wenn die USA Nigeria nun sanktionieren oder isolieren, könnten sich neue Allianzen bilden – und alte Abhängigkeiten zementieren. Die Wahrheit ist: Die nigerianische Krise lässt sich nicht in Tweets lösen. Sie ist das Resultat jahrzehntelanger Vernachlässigung, einer Elite, die vom Öl lebt und von der Bevölkerung entfremdet ist, eines Nordens, den der Klimawandel austrocknet, und eines Südens, der im Wohlstand ertrinkt. Zwischen diesen Polen leben Menschen, die weder Märtyrer noch Terroristen sein wollen.

Trumps martialische Rhetorik zeigt, wie gefährlich es ist, wenn Religion zum geopolitischen Werkzeug wird. Wer „Gotteskrieger“ mit „Gottes Schutzbefohlenen“ verwechselt, schafft den nächsten Brandherd. Und wer „sweet“ sagt, wenn er von Krieg spricht, offenbart, dass er längst jede Grenze zwischen Moral und Macht gelöscht hat. Was in Nigeria passiert, ist kein Kampf zwischen Christentum und Islam – es ist ein Kampf um Wahrheit, um Gerechtigkeit, um die Deutung der Gewalt.

Fortsetzung folgt …

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Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Ein Sexualstraftäter, der eine Kirche kein dutzend Mal von innen gesehen hat, redet über den Schutz von Christen und christliche Werte in Nigeria 🙈

In den USA herscht eine von der Regierung geförderte Islamophobie.
Gleichzeitig hofiert Trump muslimische Autokraten und künftige Anfûhrer.

Aber in Nigera will er „seine“ Christen schützen.

Bin ich ein Schelm, wenn ich sehe, das Nigeria reich an Öl und anderen Bodenschätzen ist?
Ein perfekter Ort um präsent gegenüber Mali etc zu sein, die sich Russland zugewandt haben.

Aber wieder ist es ein vorgeschobener Grund. Diesmal Christen, in Venezuela Fentanyl.
Und mein MAGA Bekannter postet noch ein Bild mit einer knapp bekleideten Blondine, die ein Schild hält „I support my president who blew up drug boats: 🤮

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor
Antwort auf  Rainer Hofmann

Dem stimme ich vollkommen zu.

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