Da will ein Mensch in Clinton, Utah, einfach nur trainieren, einmal kurz dem täglichen Lärm entkommen, und plötzlich steht ein Typ da, der aussieht, als hätte er den Verstand an der Garderobe abgegeben. Ein MAGA-Anhänger, das Handy wie eine heilige Reliquie in der Hand, öffnet eine App, die er stolz „ICE anrufen“ nennt – und verkündet im Brustton eines selbsternannten Hilfssheriffs, er werde jetzt „melden, wer hier legal ist und wer nicht“. Nebenbei trägt er ein Sweatshirt mit der Aufschrift „Alligator Alcatraz“, als wäre er gerade aus dem Merchandising-Shop eines Autoritarismus-Festivals gestolpert. Das Nazi-Ambiente hätte nur noch einen schicken FOX-Bericht gebraucht, in dem Kristi Noem ihre Abschiebungsgelüste auslebt.
FOX News am 9. Dezember auf TikTok tut so, als würde Kristi Noem morgens beim Kaffee persönlich die Deportationslisten abhaken. In ihren Clips klingt es, als hätten seit Trumps Rückkehr 2,2 Millionen Menschen freiwillig beschlossen, „Danke für nichts“ zu sagen und das Land zu verlassen. Bis Jahresende sollen weitere 650.000 folgen – laut Noem ein „Erfolg“, laut jedem denkenden Menschen ein Albtraum in Regierungsform. Das Ganze wird verkauft wie ein Fitness-Programm für den Staat: weniger Menschen, bessere Wirtschaft. Und genau dafür ist TikTok der perfekte Ort – schnelle Clips, einfache Feindbilder, junge Zielgruppe, maximale Manipulation …, aber weiter im Text.
Der Mann, den er anschreit, sagt ruhig: „Ich bin US-Staatsbürger.“ Normalerweise wäre das der Moment, in dem jede Form von Restverstand kurz aufblitzt. Aber nicht hier. Die Szene läuft weiter, als müsse jemand beweisen, wie schnell ein ganz gewöhnlicher Raum zu einem Experimentierfeld für Abschottungsfantasien werden kann. Die Leute wollten eigentlich Gewichte heben – stattdessen hebt jemand seine eigene Bedeutunglosigkeit in die Stratosphäre. Dieser Vorfall zeigt, wie nah Wahnsinn mittlerweile an der Türschwelle des Alltags steht. Es braucht keine politischen Großereignisse mehr, keine Demonstrationen, keine Parteitage. Ein Fitnessstudio reicht, eine App reicht, ein Mensch mit Überzeugungen aus der Mottenkiste der Geschichte reicht. Und plötzlich steht man in einem Moment, der jedem klar macht, warum Parteien wie die AfD den Regierungsstab nur anfassen dürfen: Wer ein solches Denken bejubelt, importiert diese Absurditäten irgendwann in die eigene Nachbarschaft.
In diesem Fitnessraum in Utah zerfällt das normale Leben innerhalb weniger Sekunden: Ein Streit um Trainingsgeräte verwandelt sich in ein kleines Theaterstück über Wahn, Größenfantasie und die Lust, Mitmenschen zu Objekten zu machen. Ein Ort, an dem Menschen eigentlich durchatmen wollen, wird zum Spiegel einer Entwicklung, in der manche nur noch darauf warten, aus Alltäglichem eine Grenzkontrolle zu basteln.
Diese Szene ist keine Ausnahme. Sie ist ein Vorgeschmack. Sie zeigt, wie schnell der Grundton öffentlicher Räume kippen kann, wenn politische Ideen, die nie in Hände von Erwachsenen gehören sollten, plötzlich im Alltag herumgetragen werden. Und sie erinnert daran, dass der Zerfall nicht groß beginnt, sondern in stillen Momenten, zwischen Hanteln, Schweiß und einem Mann, der glaubt, sein Smartphone entscheide über Staatsbürgerschaften.
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Ja, sehr gruselig. Der eine wählt 911, der andere nutzt eine App. Gib einem kranken Ego Macht, und das Böse wird eskalieren