Hegseth sagte einen Satz ohne Zögern: Eltern sollten dem Militär „ihre wertvollste Ressource – ihre Söhne und Töchter“ anvertrauen. Genau an diesem Punkt zeigt sich, wie weit sich die amerikanische Politik von dem entfernt hat, was sie vorgibt zu verteidigen. Kinder sind keine Ressource. Keine Zahlen, die man verbucht. Kein Material, das man bestellt, wenn Washington es verlangt. Und trotzdem fällt dieser Satz, als wäre er die normalste Anforderung der Welt.
„Wir bitten die amerikanischen Steuerzahler, das größte Militär der Welt zu finanzieren, und wir bitten Mütter und Väter in ganz Amerika, uns ihre wertvollste Ressource anzuvertrauen – ihre Söhne und Töchter. Und wir werden dieses Vertrauen und ihren Einsatz ehren.“
Das Beeindruckende – und Erschreckende – ist die Selbstverständlichkeit dahinter. Man spricht vom größten Militär der Welt, vom Opfer, vom Dienst am Land. Doch am Ende bleibt ein Wort hängen, das alles verrät: Ressource. Wer so spricht, denkt an ein System, das Nachwuchs braucht, egal, was es kostet. Hegseth versuchte, das Ganze mit dem unglaubwürdigen Versprechen zu entschärfen, man werde dieses Vertrauen „ehren“. Aber genau das trifft den Punkt nicht. Der Fehler liegt nicht in der fehlenden Ehre. Der Fehler liegt in einem Blick auf junge Menschen, der sie in eine Kategorie steckt, die nichts mit ihrem Wert zu tun hat. Und es ist kein unbedachter Satz – es ist Hegseth, der ständig beansprucht, im Namen der Freiheit zu handeln, während er gleichzeitig alles einfordert und am nächsten Morgen sich daran nicht mehr erinnern kann. Doch das würde jetzt zu weit führen.
Betrachten wir uns einfach die Realität zur Glaubwürdigkeit dieser Aussage:

Am 4. April 2025, an einem Freitag wie aus dem Drehbuch für Tragödien der Demokratie, schrieb Donald Trump einen Satz. Er war kurz, in Versalien gesetzt und in Wahrheit ein Spiegel dessen, was diese Präsidentschaft geworden ist: ein schreiender Monolog ohne Zuhörer. “ONLY THE WEAK WILL FAIL!” – “Nur die Schwachen werden scheitern!” Ein Präsident, umgeben von gepanzerten Wagen, Golfplätzen und Champagnergläsern, sendet diese Botschaft an eine Nation im Ausnahmezustand. Während die Finanzmärkte taumelten, der Dow Jones war um 2.200 Punkte einbrochen, der schwerste Verlust seit den ersten Pandemie-Monaten, spielte Trump Golf in Mar-a-Lago. Und während er ein Candlelight-Dinner mit Spendern seiner Super-PAC-Maschine MAGA Inc. genießt, flimmert der Satz durch die sozialen Medien wie ein Signal aus einer anderen Welt. Einer kalten Welt. Einer Welt ohne Gedächtnis, ohne Mitgefühl, ohne Verantwortung. Vier junge Männer sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Troy S. Knutson-Collins (28), Jose Duenez Jr. (25), Edvin F. Franco (25), Dante D. Taitano (21), allesamt Mitglieder der 1st Armored Brigade Combat Team, 3rd Infantry Division. Verschwunden bei einer taktischen Übung in Litauen. Ihr Fahrzeug, ein stählernes Ungetüm, Symbol amerikanischer Militärmacht – war am 26. März in einem Torfmoor entdeckt worden. Ihre Leichen: schwer zu bergen, schwerer noch zu begreifen. Trump, der Commander-in-Chief, blieb der Rückführung der gefallenen Soldaten fern. Kein Händedruck für trauernde Eltern, kein Blick, kein Schweigen an der Rampe des Militärflugzeugs. Stattdessen ein Abendessen in seinem eigenen Club. Statt Trauer ein Tweet. Statt Anteilnahme ein Aphorismus der Grausamkeit. „Nur die Schwachen werden scheitern.“

Doch wer waren die Schwachen? Sind es die Familien, die in diesen Tagen ihre Kinder verlieren? Sind es die Anleger, deren Ersparnisse in Minuten verdampfen? Sind es die Flüchtlinge, deren Abschiebung unter Trumps Exekutiverlassen zur Todesdrohung wird? Oder sind es die Soldaten selbst, die ihr Leben in der Fremde verlieren, ohne dass ihr Präsident sie mit einem Wort ehrt? Der Satz ist kein Zufall. Er ist ein starrer Anspruch. Die US-Regierung predigt eine Ideologie der Stärke, die weder Rücksicht kennt noch Recht. Eine Ideologie, in der Mitleid Schwäche ist, Empathie ein Fehler, und menschliche Verluste bloß Kollateralschäden im Krieg um Einfluss, Macht, Deutungshoheit. Dass Trumps Satz inmitten eines ökonomischen Bebens veröffentlicht wurde, nach der Verkündung seiner globalen Zollerhöhungen, die Experten als politisch motivierten wirtschaftlichen Selbstmord bezeichneten – ist kein Zufall. Es war Strategie. Die Krise als eine eigene Ego-Bühne. Das Volk als Publikum eines faschistischen Theaterstücks.

Während Litauens Präsident Gitanas Nausėda persönlich der Rückführung der US-Soldaten damals beiwohnte, glänzte der amerikanische Präsident durch Abwesenheit. Während andere still standen, sprach Trump in Schlagwörtern. Während Mütter weinten, war in Mar-a-Lago die Zeit des Weines.

Und genau deshalb steht der Satz nicht für eine unglückliche Formulierung, sondern für einen Charakter, Moral und Intelligenz. Eine Politik, die Schwierigkeiten damit hat, Menschen als Menschen zu sehen, nennt Kinder „Ressource“. Und genau deshalb wirkt dieser Moment eigenartig. Er zeigt, wie weit oben die Sprache schon von der Realität derer abgehoben ist, die am Ende den Preis zahlen. Entmenschlichung beginnt immer mit einem Wort. Und das ist nicht nur in Amerika der Fall.
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