Wenn Friedrich Merz über das Klima spricht, dann klingt es ein bisschen wie ein Versicherungsvertreter, der einem den Hagelschaden mit dem Argument ausreden will, dass sowieso morgen wieder die Sonne scheint. Am Mittwoch stellte sich der Bundeskanzler den Fragen im Bundestag – und sagte einen Satz, der das Zeug hat, in die Annalen politischer Ausweichkunst einzugehen: „Selbst wenn wir morgen klimaneutral wären, würde keine einzige Naturkatastrophe weniger geschehen.“ Es war die Art von Satz, die auf den ersten Blick wie eine rationale Einordnung wirkt – und auf den zweiten wie ein kalter Schlag ins Gesicht jedes Menschen, der dieser Tage mit dem Schlamm der Flut in Texas kämpft oder in einem brennenden Waldstück in Thüringen Schutz sucht. Merz, der in anderen Bereichen gern vom „Führen durch Verantwortung“ spricht, erklärte der Welt also nüchtern: Unsere Anstrengung lohnt sich nicht. Denn was sind schon zwei Prozent CO₂-Anteil an der Welt, wenn wir dafür unsere Industrie „nicht deindustrialisieren“ wollen? Man kann diese Haltung Realismus nennen. Oder Zynismus. Oder den politischen Offenbarungseid eines Mannes, der sich in seinem Denken so eng an die Grenzen der Jetztzeit klammert, dass er die Zukunft nur noch als Belastung empfindet. Wer so spricht, sieht Klimapolitik nicht als Aufgabe, sondern als Rechenaufgabe. Und wer so denkt, ist vielleicht ein guter Buchhalter. Aber kein Kanzler für ein Land, das mitten im Jahrhundert der Kipppunkte steht.
Denn was Merz eigentlich sagt – und das muss man ihm lassen: Er sagt es ehrlich –, ist dies: Wir machen beim Klimaschutz nur dann mit, wenn es sich sofort lohnt. Wenn es keine Schmerzen verursacht. Und wenn man es uns in der Exportbilanz gut anschreiben kann. Diese Haltung hat einen Namen: Bilanznationalismus. Sie denkt ökologisch nur, was sich ökonomisch rechnet, und vergisst dabei das Offensichtliche: Dass sich das Klima nicht für Shareholder-Wünsche interessiert. Es ist kein Zufall, dass Merz in seiner Antwort auf die Flutkatastrophe in Texas nicht Mitleid zeigte, sondern sie als Beleg nutzte, warum deutsche Klimaneutralität keinen Effekt habe. Nicht die Opfer standen im Zentrum, sondern der angebliche Beweis, dass Anstrengung sinnlos sei. Es ist eine Rhetorik, die nicht führt, sondern abschirmt. Eine Kanzlerschaft des skeptischen Achselzuckens. Dabei wäre die historische Aufgabe so klar wie nie: Deutschland, das Land der Ingenieure, könnte Vorbild sein – technologisch, diplomatisch, moralisch. Stattdessen bekommen wir in Friedrich Merz einen Technokraten des Beharrens, der lieber zählt als handelt, lieber relativiert als inspiriert. Einen Mann, der lieber berechnet, wie viel Klimaneutralität kostet – als zu fragen, was Untätigkeit kostet.
Und wenn dann, in einem Anflug internationaler Pflichtschuldigkeit, noch schnell das Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen nachgeschoben wird, wirkt das wie der zögerliche Blick zur Uhr beim verspäteten Eintreffen zur eigenen Hochzeit. Man will ja dabei sein – aber lieber nicht als Erster. Vielleicht sollte man den Kanzler daran erinnern, dass Klimaschutz keine nationale Ego-Show ist, sondern ein kollektives Projekt der Überlebenssicherung. Dass es nicht darum geht, ob eine Überschwemmung in Texas „wegen uns“ passiert, sondern ob wir als wohlhabendes Industrieland bereit sind, unseren Beitrag zu leisten – gerade weil andere es vielleicht nicht können. Wer das nicht versteht, versteht das 21. Jahrhundert nicht. Und so bleibt die Frage: Wer regiert da eigentlich? Ein Reformer? Ein Staatsmann? Oder doch nur der letzte Vertreter einer fossilen Ära, der glaubt, Klimaneutralität sei vor allem ein PR-Risiko? Wenn Friedrich Merz mit solcher sprachlichen Kälte über die Zukunft spricht, muss man sich nicht nur um die Erde Sorgen machen. Sondern auch um das Kanzleramt
Vielleicht sollte jemand dem Herrn Merz erzählen, dass es viel Einsparungspotenzial gibt, wenn wir gezielter durch Regionalisung in vielen Bereichen der Infrastruktur Akzente setzen würden. Hier nur eine kleine Auswahl:
Konzepte gibt es in der Richtung genug.
Wenn aber Deutschland wirklich zeigen könnte, dass sich ein derartiger Umbau am Ende auch finanziell lohnt, dann könnten wir wirklich Vorbild für die Welt sein, sogar für die USA.
Aber das geht nicht mit Merz! Und mit der CDU/CSU-Lobby erst recht nicht. Das halt gibt kein schnelles Geld, wie bei Spahns Masken… ☹️
Das ist leider nicht die Welt von Friedrich Merz. Dazu noch seine Vergangenheit und fertig ist der Klimaschaden