Trumps Junior Beleidigungen der Ukraine – „Arme Bauern“ an der Front

VonRainer Hofmann

Dezember 8, 2025

Donald Trump Jr. saß am 7. Dezember 2025 auf der Bühne beim Doha Forum, selbstbewusst und überheblich wie immer, und sprach über die Ukraine, als würde er ein Land beschreiben, das er aus einem alten Schwarz-Weiß-Archivfilm kennt. Die ukrainische Führung, sagte er, schicke „arme Bauern“ an die Front, während alle Reichen längst geflohen seien. Es klang nach jener einfachen Geschichte, die in den Köpfen hängen bleibt, weil sie ein klares Täter-Opfer-Schema bietet: oben die korrupte Elite, unten die, die geopfert werden. Nur hat diese Geschichte mit der Wirklichkeit so wenig zu tun wie ein Wahlkampfspot mit einem Lagebericht.

Die Ukraine mobilisiert seit Beginn des Krieges entlang gesetzlicher Vorgaben, nicht entlang sozialer Kategorien. Es gibt keine Liste, auf der steht, wer reich ist und wer deshalb nicht zu dienen braucht. Es gibt Freiwillige, Berufssoldaten, Reservisten, Arbeiter, Künstler, Unternehmer, Bauern, Programmierer, Mechaniker, Universitätsabsolventen. Männer aus Städten, Dörfern, Fabriken, Vororten, aus Kiew, Charkiw, Lwiw, Dnipro. Und ja – auch reiche Männer, bekannte Männer, Männer mit Berufen, die man in den USA längst als Teil der Elite bezeichnen würde. Oleksandr Usyk meldete sich. Wladimir Klitschko, meldete sich zu den Territorialkräften und blieb im Land, aber ohne Fronteinsatz, sein Bruder Vitali Klitschko blieb als Bürgermeister in Kyjiw, führt die Stadt durch den Krieg. Und sie sind nur die sichtbarsten Beispiele. Dass Menschen mit Geld theoretisch fliehen könnten, heißt nicht, dass es die Regel wäre. Im Gegenteil: Viele, die es versuchten, wurden festgenommen. Die Ukraine hat strenge Ausreiseverbote – und sie setzt sie um.

Trump Jr. aber erzählt das Gegenteil. Vielleicht, weil es in seine politische, fehlgeleitete Linie passt. Vielleicht, weil es in den USA besser klingt, wenn man die Ukraine als moralisch verrottetes System beschreibt, das seine eigenen Bürger ausbluten lässt. Es ist die Art von Satz, die Kreml-Strategen lieben: leicht zu teilen, schwer zu widerlegen, wenn man das Publikum nicht mit Fakten langweilen will. Wer die Ukraine delegitimieren will, braucht keine Panzer – er braucht eine Geschichte, die Menschen glauben, weil sie scheinbar logisch ist: Die Elite rettet sich, die Armen sterben. Russland baut seit Jahren auf genau dieses Bild. Und nun wiederholt es der Sohn des amerikanischen Präsidenten.

Trump Jr. erzählte dann eine Anekdote, die er für einen Beweis hielt, in Wirklichkeit aber nur seine eigene Weltanschauung entlarvte. „Ich war diesen Sommer mit meiner wunderschönen Freundin Bettina in Monaco, und wir sind herumgefahren, und an einem durchschnittlichen Tag hatten 50 Prozent der Supersportwagen – die Bugattis, die Ferraris, all das – ukrainische Kennzeichen.“ Es sollte klingen wie ein Augenzeugenbericht über eine flüchtende Elite. Tatsächlich beschreibt er damit nur, dass er Monaco bereist – jenen Ort, an dem sich seit Jahrzehnten die Reichen der ganzen Welt konzentrieren, egal ob aus Russland, den USA, den Emiraten oder eben aus der Ukraine. Ob Trump Junior überhaupt weiß, wie ein Kennzeichen aus der Ukraine aussieht, steht noch auf einem anderen Blatt. Einige ukrainische Millionäre haben dort seit Jahren Wohnsitze, lange vor dem Krieg. Eine handvoll Luxusautos im Fürstentum taugen nicht als Beleg für ein angebliches moralisches Versagen eines Staates im Krieg. Doch Trump Jr. präsentierte diese Szene, als könne man aus der Zahl von Bugattis auf der Côte d’Azur die Haltung einer gesamten Nation ableiten. Es ist das gleiche Muster: persönliche Eindrücke als politische Diagnose – und der Versuch, daraus eine Schuldzuweisung zu stricken, die sich bei näherem Hinsehen in Luft auflöst.

Sehen wir uns die Realität an: Die Ukraine hat über drei Jahre lang die Verteidigung eines Landes organisiert, das an allen Fronten angegriffen wird. Sie setzt Soldaten ein, die aus jeder Schicht der Gesellschaft kommen. Sie hat Freiwillige, die an die Front gehen, obwohl sie nicht müssten. Sie hat Männer, die im Ausland lebten und zurückkehrten, um zu kämpfen. Das Bild des „armen Bauernheeres“ ist nicht nur falsch, es ist eine Beleidigung für diejenigen, die dort dienen – für diejenigen, die gestorben sind, für diejenigen, die zurückkommen ohne Arme, ohne Beine, ohne Schlaf.

Die Behauptung, alle Reichen seien geflohen, ist ebenso absurd. Dass einzelne versucht haben, das Land zu verlassen, ist kein Beleg für ein Massenphänomen. Dass Trump Jr. seine Beobachtung mit der Anekdote eines Sommerurlaubs bei seiner „beautiful girlfriend Bettina“ einleitet, sagt mehr über ihn aus als über die Ukraine. Es wirkt, als betrachte er eine Nation im Krieg durch die Fensterscheibe seines Privatjets: weit weg, überschaubar, leicht einzuordnen.

Es ist nicht neu, dass die Trump-Familie den Krieg in der Ukraine benutzt, um ihre eigene Linie zu stützen: weniger Unterstützung, mehr Druck, schnelle Deals, die Russland gefallen. Doch diese Erzählung aus Doha war ein Tiefpunkt, weil sie etwas entmenschlicht, das keine Rhetorik verdient: den Einsatz von Millionen Ukrainern, die ihr Land verteidigen, während Trump Jr. ihnen in einem Golfstaat erklären will, wer sie sind. Man kann über Strategien streiten, über Diplomatie, über Fehler der ukrainischen Regierung, über die Rolle des Westens. Aber wer Menschen, die ihr Land verteidigen, als „arme Bauern“ abtut, verstrickt sich nicht in geopolitische Analyse. Er wiederholt das, was Moskau seit Jahren mit schwerem Gerät in die Welt drückt: Die Ukraine sei ein Staat ohne Struktur, ohne Moral, ohne Zukunft. Nur ist diese Behauptung genauso falsch wie die Vorstellung, Reichtum schütze vor Mobilisierung.

Die Wahrheit ist unangenehm für jene, die einfache Antworten brauchen: Die Ukraine kämpft nicht mit Bauern. Sie kämpft mit Bürgern. Sie kämpft mit Menschen, die nicht gefragt haben, ob sie genug Geld oder ausreichend Einfluss haben, um einem Krieg zu entkommen. Sie kämpft, weil ein anderes Land beschlossen hat, sie von der Landkarte zu löschen. Trump Jr. wollte in Doha beeindrucken. Was bleibt, ist ein Satz, der die Welt betrachtet wie ein Reality-TV-Format: mit der Annahme, dass Komplexität nur stört und dass Menschen, die er nicht kennt, Rollen spielen, die er ihnen zuschreibt. Doch Krieg ist kein Drehbuch. Und die Ukraine ist keine Kulisse für politische Dummheit aus Florida.

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Irene Monreal
Irene Monreal
5 Stunden zuvor

Das ist wieder mal ein Artikel, der Emotionen in mir auslöst, die ich kaum in den Griff bekomme! Diese Neureichenbrut, die niemals „dienen“ würde, wagt es, mit genau ihrem eigenen Verhalten ein Land, dass sich in einem brutalen Krieg befindet, zu diskreditieren!
Natürlich gibt es Menschen, wie überall, die Angst haben zu sterben und fliehen und dem einen oder anderen mit Geld fällt das leichter, als den Ärmsten. Aber die Ukraine verteidigt sich und hätte noch viel mehr Soldaten zur Verfügung, wenn sie massiv und unmissverständlich unterstützt würde von Europa, dass immer noch zaudert und hofft, dass Trump seinen „Gewaltfrieden“ durchsetzt um danach zu sagen „uups, wenn die Ukraine kapituliert, müssen wir das natürlich respektieren“. Und dann lehnt man sich zurück und wird völlig überrascht, wenn sich Putin in ein/zwei Jahren das nächste Ziel vornimmt.
Dass Putin, weil Angriffskriege natürlich nicht motivieren, seine Soldaten von der Straße shanghait, oder aus Gefängnissen zusammenkratzt ist diesem „Don“ natürlich kein Wort wert, Imperialismus bedeutet einfach leicht verdiente Kohle, solange man dem Imperator in den Ar… kriecht.
Auch im Privaten habe ich schon oft genug gehört: ja, schau mal ihre Autos an!
Meine Antwort „Du willst mir weismachen, du kaufst extra ein altes unzuverlässigen Auto, wenn du flüchten musst, um Menschen wie dich zu überzeugen, dass du aus der Hölle kommst!“
Boah, jetzt habe ich mich in Rage geredet und es kotzt mich eigentlich selber an, dass Leute wie er es immer wieder schaffen, dass ich so zornig werde.

Zuletzt bearbeitet am 5 Stunden zuvor von Irene Monreal
Dr. Dagmar Schatz
Dr. Dagmar Schatz
3 Stunden zuvor
Antwort auf  Irene Monreal

I could not agree more. Ausserdem erlaube ich mir zu bemerken, daß ein draft dodger in 4. Generation hier seine unmaßgebliche Meinung über die Held:innen der Ukraine auskübelt. Abgefangen von Friedrich, über Fred, Donald Sr. bis Donald jr. hat keiner seiner Vorfahren Militärdienst geleistet. Sein Großvater Fred, jg 1905 hättr js durchaus in die Alterskohorte gepasst, die im 2. WK gedient hat… Und diese Schrumofgermanensippe erdreistet sich ja nicht nur, die Ukraine zu beleidigen, sondern auch das Gedenken an die Männer und Frauen aller Hautfarben und Bekenntnisse in den Dreck zu ziehen, die ihre Haut für die Freiheit zum Markte getragen haben. @Irene: ich bin bei Ihnen…

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