Pentagon Pete und die geschändete Schildkröte

VonRainer Hofmann

Dezember 1, 2025

Man hätte denken können, schlimmer geht es in Amerika nicht mehr. Man hätte denken können, der Zenit des Wahnsinns ist erreicht. Man hätte denken können, der US-Verteidigungsminister habe genug zu tun. Kriege, Krisen, Krisensitzungen. Nein. Pete Hegseth, dieser dauererregte Prediger des permanenten Ausnahmezustands, fand noch Zeit, eine Kinderbuchfigur in einen paramilitärischen Kampfkünstler zu verwandeln. Franklin die Schildkröte, seit Jahrzehnten der friedlichste Bewohner der Kinderzimmer, taucht plötzlich mit kugelsicherer Weste, taktischer Ausrüstung und einem Blick auf, der sagt: „Heute lernt ihr, wie man Panzer füllt.“

Das Bild wirkt wie ein Produkt jener düsteren Ecke des Internets, in der Cartoonfiguren Entführungen lösen und Osterhasen Sturmgewehre tragen. Nur dass es diesmal nicht von irgendeinem gelangweilten Grafikstudenten stammt, sondern vom Chef des Pentagon. Der Mann, dessen Unterschrift entscheidet, welche Waffen wohin gehen — und wie viele Menschen deshalb sterben. Dass Hegseth dieses Machwerk „witzig“ fand, sagt mehr über den Zustand amerikanischer Militärpolitik aus als jede Haushaltsdebatte. Wer einen literarischen Haustier-Philosophen in eine tödliche Kampfmaschine verwandelt, hat endgültig die Grenze zwischen Machtfantasie und politischem Amt verloren. Franklin war jahrzehntelang das Symbol einer Welt, in der Konflikte durch Gespräche, Humor und kleine Lebensweisheiten gelöst wurden. Jetzt hält er eine Waffe, die selbst in den USA nicht durch jeden Sicherheitscheck kommt.

Vielleicht ist das die neue Militärbibel: Wenn man das Land nicht mehr mit Zahlen beruhigen kann, wenn die Einsätze aus dem Ruder laufen, wenn niemand mehr weiß, wer wen woran hindert, nimmt man einfach eine harmlose Figur und macht sie zum Frontsoldaten. Wer braucht Diplomatie, wenn man kindliche Nostalgie militarisieren kann? Hegseths Botschaft ist eindeutig: Selbst die letzten unbeschädigten Orte der US-Kultur, als Weihnachtsgeschenk — die Kinderzimmer, die Regale voller Pappbücher, die Geschichten ohne Blutvergießen — werden jetzt in das große patriotische Schlachtfeld hineingezogen. Wenn selbst Franklin nicht mehr friedlich sein darf, was bleibt dann eigentlich noch übrig?

Am Ende steht ein Bild, das alles zusammenfasst, was an dieser Generation politischer Kommandanten falsch läuft: die Verwechslung von Stärke mit Brutalität, die Unfähigkeit, zwischen Führung und Folklore zu unterscheiden, und die groteske Lust daran, selbst der Unschuld das Messer anzusetzen. Hegseth hat aus einer Schildkröte einen Soldaten gemacht. Doch es gibt kein solches Buch. Es gibt nur das Bild. Und genau das macht Hegseths Posting so verstörend und krank.

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Irene Monreal
Irene Monreal
2 Stunden zuvor

Und ich sehe gestern einen Film über die „Baby-Division“, die 12. SS-Panzer-Division, rekrutiert aus der Hitlerjugend.
Sie waren die brutalsten, indoktriniert bis in die Haarspitzen, aufgewachsen mit und in der Hitlerjugend mit dem Gefühl, Helden und unsterblich zu sein.
Und jetzt die USA! Was da herangezogen wird, was an Jugend „ver“-bildet wird, wird auf lange Jahre nicht mehr gutzumachen zu sein.
Sogar in den alten Köpfen der interviewten Zeitzeugen blitzte noch durch: „geile Zeit“
Diese Dokumentation sollte im Bundestag mit Anwesenheitspflicht für alle ausgestrahlt werden. Und wer danach nicht für ein Verbot der AfD stimmt, die sich ja so „rührend“ und mit einschlägiger Indoktrination ganz speziell um die Jugend „kümmert“, dem sollte das Grundgesetz links und rechts um die Ohren gehauen werden.

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