Kraftprobe im Senat – Trumps Steuergeschenk droht am eigenen Lager zu scheitern

VonRainer Hofmann

Juni 29, 2025

Es ist Samstagabend in Washington, und im Senat brennt noch Licht. Kein Festakt, kein Staatsbesuch – sondern ein politisches Nervenballett, bei dem jede Stimme zählt. Während Präsident Donald Trump auf seinem Golfplatz in Virginia Selfies mit loyalen Senatoren macht, ringt sein eigenes Lager im Kapitol mit einem Monster von Gesetz: 940 Seiten voller Steuergeschenke, Sozialkürzungen und Milliarden für den Abschiebungsapparat. Ein Paket, das Amerikas innere Verfasstheit neu vermessen soll – und dabei an den Widersprüchen der eigenen Partei zu zerbrechen droht.

Denn obwohl die Republikaner mit knapper Mehrheit regieren, herrscht alles andere als Einigkeit. Mehrere Senatoren verweigern offen die Gefolgschaft, die Debatte stockt, und schließlich muss Vizepräsident JD Vance persönlich erscheinen, um einen drohenden Gleichstand zu brechen. Währenddessen beginnen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, das CBO warnt vor 2,4 Billionen Dollar neuen Schulden und über zehn Millionen Menschen, die ihre Krankenversicherung verlieren würden – und draußen vor den Kameras schweigt Trump. Oder lächelt. Oder droht. „It’s time to get this legislation across the finish line“, sagte Mehrheitsführer John Thune noch optimistisch – aber die Realität sieht anders aus. Es ist ein zähes Ringen zwischen politischen Dogmen, persönlichem Kalkül und einem Präsidenten, der auf maximale Loyalität pocht. Wer nicht spurt, wird öffentlich vorgeführt. Wer zaudert, gilt als Verräter. Die Gegner kommen diesmal nicht nur aus der Demokratischen Ecke. Senator Thom Tillis etwa – Republikaner aus North Carolina – erklärte offen, er könne das Gesetz nicht mittragen. Die Kürzungen bei Medicaid, sagte er, würden seinem Bundesstaat „hunderttausende schmerzhafte Entscheidungen“ aufzwingen. Auch Senator Rand Paul verweigert die Zustimmung – nicht aus Mitgefühl, sondern aus Prinzip: Die Schuldenobergrenze um fünf Billionen Dollar zu erhöhen, sei für ihn politischer Selbstmord.

Währenddessen meldet sich ausgerechnet Elon Musk zu Wort. Der Mann, der einst das technokratische Aushängeschild der MAGA-Ära war, nennt Trumps Gesetz nun „verrückt“ und „strategisch zerstörerisch“. Es würde, so Musk, „Millionen Jobs vernichten“. Ein Satz, der schwerer wiegt als so manche Parteitagsrede – und zeigt, wie rissig das republikanische Fundament geworden ist. Dass dieses Gesetz durchgepeitscht werden soll, ohne dass die Öffentlichkeit auch nur einen Tag Zeit hatte, es zu verstehen, ist Teil der Strategie. Der finale Entwurf wurde erst Freitagnacht veröffentlicht – und bereits am Samstag lag das Kapitol unter Druck. Die Demokraten sprechen von einer „gesetzgeberischen Nacht-und-Nebel-Aktion“, Schumer verlangt eine vollständige Lesung im Senat. Symbolisch, ja – aber auch ein verzweifelter Versuch, den demokratischen Atem anzuhalten, solange es noch geht. Denn das, was hier zur Abstimmung steht, ist keine bloße Steuerreform. Es ist ein politisches Gesamtkunstwerk aus Abschreckung, Privilegien und staatlich verordneter Ungleichheit. Reiche profitieren mit durchschnittlich 12.000 Dollar, die Ärmsten verlieren 1.600. Grüne Energie wird beschnitten, Abschiebung ausgebaut. Und wer glaubt, es gehe hier nur um Zahlen, der hat Trumps Agenda nie verstanden: Es geht um Identität. Um Dominanz. Um eine Neuordnung des Sozialvertrags nach dem Prinzip: Wer bleibt, zahlt. Wer stört, geht. Sogar bei den sogenannten SALT-Abzügen, einem technokratischen Steuerdetail, das bisher nur Steuerberater und Abgeordnete aus New York interessierte, droht der Kompromiss zu kippen. Die Erhöhung des Abzugs auf 40.000 Dollar – ein Zugeständnis an Republikaner aus Hochsteuerstaaten – wird von anderen als „zu großzügig“ kritisiert. Der Riss geht durch Fraktionen, durch Bundesstaaten, durch Familien. Und über allem tickt die Uhr. Trump will den Sieg zum Unabhängigkeitstag. Ein Gesetz, das sein Amerika für die kommenden Jahrzehnte zementieren soll – notfalls gegen den Widerstand der eigenen Leute. Doch noch ist unklar, ob der Pakt hält. Noch ist unklar, ob das Papier, auf dem diese Steuerträume gedruckt sind, bis zum 4. Juli überhaupt trocken wird. Was bleibt, ist ein Bild: Der Präsident im Golfdress. Der Vizepräsident auf dem Weg zur Abstimmung. Und ein Senat, der sich durch die Nacht windet – zwischen Loyalität, Angst und dem dumpfen Gefühl, dass dieses Gesetz nicht nur Zahlen verändert, sondern das Wesen der Vereinigten Staaten.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Gibt es schon Neuigkeiten bezüglich einer erneuten Abstimmung?
Das Instrument Drohung, Erpressung oder Aussicht auf Profit wird, leider leider, die abweichenden Republikaner auf Kurs bringen.

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