Ein Junge, ein Vater – und eine Trennung, die alles über dieses Regime sagt

VonRainer Hofmann

Dezember 5, 2025

Yuanxin Zheng ist sechs Jahre alt, trägt eine Brille, ein weißes Hemd – und wurde an einem Tag aus der Welt gerissen, die er sich gerade erst aufgebaut hatte. Als sein Vater mit ihm zur routinemäßigen Meldung im ICE-Gebäude an der Federal Plaza erschien, warteten keine Fragen, keine Beratung, kein Hinweis darauf, was kommen würde. Stattdessen warteten Handschellen. Für den Vater das Gefängnis in Orange County, für den Sohn ein Transport in die Obhut der US-Behörde für unbegleitete Minderjährige. Eine gewaltsame Trennung, ausgeführt von einer Regierung, die Abschiebungen nicht mehr nur durchsetzt, sondern sie benutzt, um Menschen zu brechen. Yuanxin war gerade an einer Grundschule in Queens angemeldet worden. Ein Platz, auf den sich eine Familie gefreut hatte, die im Frühjahr über Mexiko in die USA geflohen war, weil der Vater Angst hatte, in China gefoltert zu werden. Doch seine Furcht galt als „nicht glaubwürdig“.

Vater und Sohn

Ein Richter bestätigte diese Einstufung, und obwohl Fei Zheng keine Vorstrafen hat, wurde die Familie zwischen Haft und kurzer Freiheit hin und her geschoben. Als ICE ihn im September in ein Flugzeug nach China setzen wollte, weigerte er sich aus Angst. Im Oktober erneut. Beim dritten Versuch, Ende November, griffen Beamte zu – und trennten ihn von seinem Sohn, um „Gefolgschaft zu erzwingen“, wie Anwälte und Expertinnen es nennen.

Die lokale Aufregung ließ nicht lange auf sich warten. Der Bürgermeister von New York, Zohran Mamdani, sprach von „reiner Grausamkeit“. Senator Schumer und Abgeordnete Nydia Velázquez fordern Auskunft. Doch ICE schwieg – und ließ den Vater tage­lang im Unklaren darüber, wo sein Kind überhaupt ist. Erst aus Akten geht hervor, dass Yuanxin in Bundesobhut gebracht wurde, ohne jede familiäre Bezugsperson, und, wie Daten zeigen, möglicherweise monatelang dort bleiben könnte. Kinder sitzen heute im Schnitt fast ein halbes Jahr in diesen Einrichtungen fest. Unter dieser Regierung ist selbst das zu einer Zahl geworden, die steigt.

Yuanxin Zheng

Zhengs Anwalt beschreibt seinen Mandanten als verzweifelt, erschöpft, mit Angst vor dem, was ihn in China erwartet. In den internen Berichten steht, er habe sich bei der Festnahme gegen die Wand gestoßen und gesagt, er wolle nicht mehr leben. Das ist kein Einzelfall, sondern das Resultat einer Praxis, die selbst unter früheren Republikanern und Demokraten unvorstellbar gewesen wäre. Eine ehemalige Regierungsbeamtin sagt offen, dass man den Vater „brechen“ wolle, indem man ihm sein Kind entzieht. Eine andere warnt, dass man hier ein sechsjähriges Kind in ein Instrument verwandelt – ein Mittel, um die Kapitulation eines Erwachsenen zu erzwingen. Daten und Recherchen belegen, dass seit Trumps Rückkehr ins Amt hunderte Kinder in der Region New York festgenommen wurden – landesweit rund 2.600. Viele sind jünger als zehn. Yuanxin gehört zu den jüngsten von ihnen. Aktuell bearbeiten wir über 120 ICE-Fälle von Kindern, das jüngste ist 2 Jahre alt. So bearbeiten wir auch weitere Fälle aus New York, wie zum Beispiel den Fall einer sechsjährigen Schülerin aus Queens. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem 19-jährigen Bruder wurden sie bei einem ICE-Termin im Gebäude an der Federal Plaza festgenommen Mutter und Tochter wurden innerhalb eines Tages in ein neu eröffnetes Familien­detentionszentrum in Texas gebracht, während der Bruder getrennt festgehalten und später nach Newark verlegt wurde. Die Familie stammt aus Ecuador und lebte in Jackson Heights, doch zwei weitere Kinder mussten beim ICE-Termin nicht erscheinen und blieben daher unbehelligt und leben aktuell in einer Fürsorgeeinrichtung.

Dabei steht nichts von dem, was diese Familien getan haben, in irgendeinem Verhältnis zu der Behandlung, die sie erfahren. Sie sind keine Straftäter. Sie haben niemanden gefährdet. Sie haben Schutz gesucht, in einem Land, das lange damit warb, Familien nicht auseinanderzureißen. Diese Regierung hat daraus eine Methode gemacht. Offiziell heißt es, Eltern hätten „jederzeit die Möglichkeit“, mit ihren Kindern auszureisen. In der Praxis heißt das: Entweder du gehst freiwillig – oder du verlierst dein Kind, bis du bereit bist, das Land zu verlassen. Im Fall von Fei Zheng und seinem Sohn plant ICE nun, beide später im Monat wieder zusammenzuführen – aber nur, um sie dann abzuschieben.

Eine Nachbarin, die mit dem Vater telefonierte, beschrieb Yuanxin als aufgeweckt und neugierig. Ein Junge, der sich auf Englischunterricht freute. Ein Kind, das nie hätte erleben dürfen, wie ein Staat seine Familie auseinanderreißt, um Härte zu demonstrieren. Was hier geschieht, ist nicht kompliziert. Es ist eine Frage der Menschlichkeit – und die Antwort der Regierung fällt jeden Tag brutaler aus.

Fortsetzung folgt …

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