„Ein Faden, der die Welt zusammenhält – Die leise Weisheit der 13-jährigen Anja Rozen“

VonKatharina Hofmann

Mai 26, 2025

Es gibt Bilder, die schreien – und es gibt Bilder, die flüstern. Die Zeichnung der 13-jährigen Anja Rozen aus Slowenien flüstert nicht nur – sie atmet, verbindet, trägt. Sie ist kein lauter Protest, kein grelles Symbol, kein dröhnendes Manifest. Und doch sagt sie mehr über den Zustand unserer Welt als so manche Konferenz oder Regierungserklärung.

In zarten Linien und warmen Farben zeigt Anja etwas, das wir oft vergessen: die Verwobenheit. Ihre Zeichnung, ausgezeichnet mit dem ersten Preis im internationalen Plakatwettbewerb „Plakat Miru“, wurde unter über 600.000 Einsendungen aus aller Welt ausgewählt. Kein Zufall. Denn was Anja zeigt, ist nicht nur künstlerisch berührend – es ist philosophisch tief, menschlich klug und beinahe universell.

„Meine Zeichnung repräsentiert die Erde, die uns verbindet und vereint. Menschen weben sich gegenseitig. Wenn jemand loslässt, fallen die anderen. Wir sind alle mit unserem Planeten und zwischen uns verbunden, aber leider sind wir uns dessen wenig bewusst.“

Es ist ein Satz wie aus einem großen Roman – und doch stammt er von einem Kind, das offenbar mehr verstanden hat als viele Erwachsene. Menschen weben sich gegenseitig – was für ein einfaches, starkes Bild. Kein Mensch steht für sich allein. Jeder hält und wird gehalten. Jeder Faden zählt. Und wer loslässt, reißt ein Netz auf, durch das andere fallen.

In Anjas Werk ist die Erde nicht abstrakt. Sie ist gelebte Nähe, gewebte Verantwortung. Keine Flagge, kein Land, kein „Wir und Ihr“ – nur Menschen, miteinander verwoben. Ihre Hände halten sich, ihre Körper formen Kreise, Linien, Brücken. Sie tragen sich gegenseitig – oder lassen einander fallen.

In einer Zeit, in der die Welt wieder Mauern baut – zwischen Ländern, Meinungen, Herzen –, erinnert uns dieses Bild an etwas, das uns zu entgleiten droht: das stille Wissen um unsere gegenseitige Abhängigkeit. Nicht als Schwäche, sondern als Stärke. Nicht als Hindernis, sondern als Versprechen.

Vielleicht liegt die Hoffnung für unsere Zeit nicht in neuen Technologien oder großen Worten. Vielleicht liegt sie in einem Kinderbild aus Slowenien. In der Klarheit eines Blicks, der noch nicht verlernt hat zu fühlen. In einem Faden, den eine 13-Jährige spannt – von Herz zu Herz.

Und vielleicht genügt manchmal ein Bild, das nicht schreit – um eine ganze Welt wachzurütteln.

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