Pete Hegseth war schon bei seiner Anhörung ein Risiko, ein politisches Experiment, das selbst Teile der Republikaner nur zähneknirschend akzeptierten. Ein ehemaliger Fernsehkommentator, der mehr Schlagzeilen als Vertrauen mitbrachte und den Posten des Verteidigungsministers mit einer Mischung aus Aggression, Selbstüberschätzung und lautstarker Geringschätzung für bestehende Regeln antrat. Nicht einmal ein Jahr später steht er dort, steht er heute genau da, wo seine Kritiker ihn von Anfang an sahen: im Zentrum einer Affäre, die seine Amtszeit erschüttert. Nach dem Signalgate, bei dem Hegseth und andere Spitzenbeamte militärische Angriffe über eine verschlüsselte Messenger-App diskutierten, zieht nun der Vorwurf einer möglichen illegalen Tötung über ihm auf. Ein Spezialkommando soll nach einem Angriff auf ein angebliches Drogenboot vor der Küste Venezuelas nicht nur das Ziel, sondern auch Überlebende attackiert haben. Für manche Senatoren ist das nicht irgendein Fehler, sondern ein Bruch des Kriegsrechts – ein Vorgang, der die Grenze zwischen militärischer Operation und exzessiver Gewalt überschreitet.
Hegseth verteidigt sich mit dem „Nebel des Krieges“, spricht von Explosionen, Feuer, fehlender Sicht. Dabei hat er über Monate ein Klima geschaffen, das solche Einsätze fast zwangsläufig macht. Er rief eine „Kultur der Krieger“ aus, verspottete Regeln, die Soldaten schützen sollen, und erklärte, man müsse „mit maximaler Durchschlagskraft“ handeln. Für ihn sind Regeln keine Leitplanken, sondern Fesseln. Wer Bedenken äußert, gehört in seiner Welt automatisch zu jenen, die nichts verstanden haben. Nun aber prallen seine Sprüche auf die Realität des Kongresses. Republikaner wie Roger Wicker oder Thom Tillis, die Hegseth anfangs noch mittrugen, sprechen von ernsten Vorwürfen und fordern Aufklärung. Einige Demokraten gehen weiter: Für sie ist klar, dass der Angriff ein außergerichtliches Töten war und Hegseth zurücktreten muss. Dass ein Senator öffentlich von „Mord“ und „Kriegsverbrechen“ spricht, ist in Washington selten – aber in diesem Fall keineswegs überzogen.
Der Rückhalt im Weißen Haus ist dagegen wackelig und stabil zugleich. Donald Trump schützt Hegseth öffentlich, doch die Ermittlungen der zuständigen Ausschüsse zeigen, wie dünn dieser Schutz in Wahrheit ist. Die Vorsitzenden beider Kammern verlangen Antworten, und dieses Mal kann sich niemand hinter Parteifreundschaft verstecken. Wichtig ist nicht, ob Hegseth loyal zu Trump ist, sondern ob er das Gesetz respektiert – und genau daran bestehen erhebliche Zweifel. Gleichzeitig formiert sich die Verteidigungslinie: JD Vance, der mit seiner Stichstimme Hegseth erst ins Amt brachte, stellt sich demonstrativ hinter ihn. Senatoren wie Eric Schmitt greifen die Kritiker an und behaupten, es gehe nur darum, Trumps Linie in Mittel- und Südamerika zu sabotieren. Doch selbst innerhalb der Republikaner wird spürbar, dass viele genug haben von einem Minister, der lieber provoziert als führt. Jede Woche neue Konflikte, jede Woche neue Entgleisungen – zuletzt ein Foto eines Cartoon-Schildkrötencharakters, den Hegseth als Reaktion auf die Vorwürfe postete. Es wirkte wie ein Kinderscherz in einem Moment, in dem es um Leben und Tod geht.
Demnächst soll der zuständige Admiral vor dem Kongress aussagen, jener Mann, der den zweiten Schlag befohlen haben soll. Die Ausschüsse werden dann erstmals erfahren, ob es ein tragischer Fehler, ein Kommunikationsversagen oder etwas sehr viel Düstereres war. Und sie werden sich erneut fragen müssen, ob dieser Verteidigungsminister jemals in der Lage war, Verantwortung zu tragen. Viele, darunter Senator Tim Kaine, glauben das nicht – und verweisen auf die lange Liste an Warnzeichen: Führungsversagen, fragwürdige Entscheidungen in früheren Organisationen, Anschuldigungen wegen Fehlverhaltens und eine Vergangenheit, die man nicht einfach durch die Vereidigung wegwischt.
Es zeigt sich in diesen Tagen etwas, das im politischen Lärm oft untergeht: Macht ändert Menschen nicht. Sie verstärkt, was ohnehin da ist. Bei Pete Hegseth war es von Anfang an sichtbar. Jetzt, im entscheidenden Moment, wird es unübersehbar.
Investigativer Journalismus braucht Mut – und Ihre Unterstützung.
Unterstützen Sie unsere Recherchen gegen Rechtspopulismus, Desinformation sowie Menschen- und Umweltrechtsverletzungen. Jeder Betrag fliesst in unsere tägliche Arbeit – Wir arbeiten ohne Werbung, ohne Abos, ohne Unternehmen, ohne Parteien. Unsere Berichterstattung soll frei zugänglich bleiben. Für jede und jeden.
Unabhängig – Kritisch – Für alle
Danke, dass Sie unsere unabhängige Arbeit möglich machen.
Updates – Kaizen Kurznachrichten
Alle aktuellen ausgesuchten Tagesmeldungen findet ihr in den Kaizen Kurznachrichten.
Zu den Kaizen Kurznachrichten In English
Sorry, aber auch diese Vorwürfe werden ihn nicht kippen. Meine Meinung. Ich weiss nicht, wie lange Trump gesundheitlich noch durchhält, aber Hegseth traue ich auch durchaus Ambitionen auf die Präsidentschaft zu. Vance sollte sich nicht zu sicher fühlen in seiner Rolle als potentieller Ersatz. Wobei, Vance , Hegseth oder Rubio ist eh die beschissene Wahl zwischen Pest und Cholera.
Wobei ich Hegseth allerdings als Mega-Pest klassifizieren würde.