Die Vergessenen des Imperiums – Wie Trumps Abschiebemaschine iranische Familien zerreißt

VonRainer Hofmann

Juni 29, 2025

New Orleans, Portland, Basile – es sind stille Orte, weit entfernt von den Machtzentren Washingtons. Und doch stehen sie dieser Tage im Zentrum einer Politik, die mit aller Härte zuschlägt. Mandonna „Donna“ Kashanian, 64 Jahre alt, US-Lebenspartnerin, Gärtnerin, Großmutter – wurde vor wenigen Tagen in ihrem Garten in New Orleans verhaftet. ICE-Beamte legten ihr Handschellen an, während sie Unkraut jätete. Ihre Tochter steht seitdem unter Schock. Ihr Mann, Russell Milne, versteht die Welt nicht mehr. „Wer holt eine Großmutter ab?“, fragt er leise. Donna kam 1978 aus dem Iran, als Studentin. Ihr Vater hatte das prowestliche Schah-Regime unterstützt – sie fürchtete Repressalien und stellte einen Asylantrag. Der wurde abgelehnt, doch sie durfte bleiben – unter der Auflage, sich regelmäßig bei den Behörden zu melden. Das tat sie, sogar während Hurrikan Katrina. Sie heiratete einen US-Bürger, bekam eine Tochter, engagierte sich für „Habitat for Humanity“, drehte persische Kochvideos auf YouTube. Jetzt sitzt sie im Abschiebelager in Basile, Louisiana. Ohne Prozess. Ohne neue Straftat. Nur, weil sie Iranerin ist – zur falschen Zeit.

Denn es sind nicht nur die Raketen, die derzeit auf iranisches Territorium niedersausen. Es sind auch die Razzien in US-amerikanischen Vororten. Das Heimatschutzministerium will keine Zahlen nennen, aber meldet stolz elf festgenommene Iraner am Wochenende der Luftangriffe. Tricia McLaughlin, Sprecherin des Ministeriums, spricht von „mutmaßlichen Terroristen“ und „Extremisten“, die Biden angeblich mit humanitären Visa ins Land gelassen habe – Belege? Fehlanzeige. Die Liste der Betroffenen? Verschlossen. Die Anklagepunkte? Meist Visaverstöße von vor zwanzig Jahren. Es wirkt wie eine kalkulierte Jagd. Ryan Costello vom National Iranian American Council findet klare Worte: „Was ICE hier tut, ist offenbar eine pauschale Anordnung – sammelt so viele Iraner ein wie möglich, egal ob sie eine Bedrohung darstellen oder nicht.“ Die Angst geht um in der iranisch-amerikanischen Community. Viele leben seit Jahrzehnten hier, haben US-amerikanische Kinder, zahlen Steuern – und wissen nun nicht, ob sie morgen noch bei ihrer Familie sind.

So wie S.F., ein Mann aus Oregon. Vor über 20 Jahren kam er in die USA, heiratete, gründete eine Familie. Seine Frau und Kinder sind US-Bürger. S.F. konvertierte zum Christentum – eine Entscheidung, die ihm im Iran Folter oder den Tod bringen könnte. Auch er stellte einst Asyl-Antrag. Auch er wurde abgelehnt – blieb aber im Land, meldete sich regelmäßig. Vor wenigen Tagen wurde er von ICE abgeholt, auf dem Weg ins Fitnessstudio. Zwei Wochen vor seinem nächsten offiziellen Termin. Sein Anwalt warnt: „Die aktuellen Bombardierungen haben ein De-facto-Kriegsverhältnis geschaffen – eine Rückführung nach Teheran käme einem Todesurteil gleich.“ Was hier geschieht, ist mehr als eine Serie bürokratischer Maßnahmen. Es ist ein Akt demonstrativer Härte, ein politisches Signal nach außen – und ein Akt willkürlicher Grausamkeit nach innen. Die Trump-Regierung umgeht diplomatische Hürden, indem sie Menschen nicht in ihre Heimatländer, sondern in Drittstaaten wie El Salvador, Panama oder Costa Rica abschiebt. Selbst Deportationen nach Südsudan sind geplant – einem Land, mit dem die USA keine Beziehungen unterhalten. Es geht nicht um Recht. Es geht um Macht. Um Kontrolle. Um das Exempel. Kashanians Tochter Kaitlynn versteht die Welt nicht mehr. „Sie hat doch alles versucht, richtig zu machen“, sagt sie. Was bleibt, ist ein Gefühl von Verlassenheit. Und die bohrende Frage, ob in diesem Amerika noch Platz ist für Menschlichkeit.

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