Abschied vom amerikanischen Traum – Warum 2025 für viele die USA kein Sehnsuchtsort mehr sind

VonRainer Hofmann

Juni 16, 2025

Früher war Amerika ein Versprechen. Ein Ort, der nicht nur auf der Landkarte existierte, sondern in den Köpfen, in den Herzen – als Synonym für Aufbruch, Freiheit, unbegrenzte Möglichkeiten. Doch das Bild hat Risse bekommen. Wer heute überlegt, in die Vereinigten Staaten zu ziehen, dorthin zu reisen, zu studieren oder zu investieren, fragt sich: Ist das noch das Land, das einmal die „huddled masses“ willkommen hieß? Oder ist es längst ein Ort geworden, an dem Angst regiert, Unsicherheit wächst – und Einwanderung als Bedrohung behandelt wird?

Seit Präsident Donald Trump seine zweite Amtszeit mit einem beispiellosen Feldzug gegen Migranten begonnen hat, kippt die Stimmung – nicht nur im Land selbst, sondern weltweit. Trumps Rhetorik von Invasion und Säuberung, seine Angriffe auf pro-palästinensische Studierende, seine Deportationspläne für Millionen – all das hat eine symbolische und konkrete Wirkung: Es schreckt ab. Es entfremdet. Und es zerstört das fragile Bild Amerikas als weltoffenes Einwanderungsland. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Das Bildungsportal Studyportals meldet einen dramatischen Einbruch beim Interesse internationaler Studierender an US-Hochschulen – auf dem tiefsten Stand seit der Corona-Pandemie. Auch das Pew Research Center verzeichnet in seiner weltweiten Umfrage einen Vertrauensverlust: In 15 von 24 befragten Ländern hat sich das Bild der USA innerhalb eines Jahres verschlechtert. Selbst legale Einwanderer, Touristen oder Austauschstudierende spüren, dass der Wind schärfer weht.

Gleichzeitig erleben die USA 2025 einen dramatischen Einbruch im internationalen Tourismus. Laut World Travel & Tourism Council gingen die Ausgaben ausländischer Touristen im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent zurück – von 181 auf unter 169 Milliarden US-Dollar. Im März lagen die Einreisezahlen um 11,6 Prozent unter dem Vorjahreswert, besonders stark war der Rückgang in Ländern wie Deutschland (minus 28 Prozent), Kanada (bis zu minus 40 Prozent) und Spanien (minus 25 Prozent). Diese Entwicklung ist kein globales Phänomen – unter 184 untersuchten Volkswirtschaften ist die USA laut WTTC das einzige Land mit rückläufigen Tourismuserträgen. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm: 12,5 Milliarden US-Dollar an Einnahmen fehlen bereits, bis zu 260.000 Jobs könnten verloren gehen. Die Gründe reichen vom starken US-Dollar bis zur repressiven Innenpolitik, die das Image der Vereinigten Staaten in der Welt beschädigt hat.

Dabei ist die Geschichte der USA ohne Migration und internationale Anziehungskraft kaum denkbar. Friedrich Trump, der Großvater des Präsidenten, kam selbst einst aus Deutschland. Er wurde eingebürgert, versuchte später nach Bayern zurückzukehren – und wurde ausgewiesen, weil er dem Militärdienst nicht nachgekommen war. „Was werden unsere Mitbürger sagen, wenn ehrliche Untertanen von solch einem Dekret betroffen sind?“, schrieb er 1905 in einem Gnadengesuch. Heute trifft dieses Schicksal Millionen. 2024 wuchs die US-Bevölkerung um 3,3 Millionen Menschen – der Großteil davon durch Migration. In 16 Bundesstaaten war Zuwanderung sogar der einzige Grund, warum sie nicht schrumpften. Doch wo andere Länder – etwa Dänemark oder Australien – gezielt in internationale Talente investieren, baut Trump Mauern. Er überzieht Städte mit ICE-Razzien, verunsichert Universitäten, kriminalisiert Schutzsuchende. Was bleibt, ist ein Klima der Angst – und der Abschottung.

Und dennoch: Menschen kommen weiter. Sie hoffen, sie riskieren, sie versuchen es. Doch der Mythos „Coming to America“ – er klingt 2025 mehr denn je wie eine Warnung. Wer sich auf dieses Land einlässt, muss sich fragen: Fühle ich mich hier willkommen? Oder bin ich nur noch geduldet – bis zum nächsten Erlass? Die Erzählung von Amerika als Ort des Neubeginns wirkt heute wie eine düstere Ankündigung aus Blade Runner: „Ein neues Leben erwartet Sie in den Kolonien.“ Nur dass es diesmal nicht Aufbruch, sondern Abschied bedeutet.

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