Zehn Tage bis zur Offenlegung – die US-Justiz öffnet das nächste Tor im Fall Epstein und Maxwell

VonRainer Hofmann

Dezember 9, 2025

Die Entscheidung kam nüchtern, der Kampf, besonders der Opfer, Rechtsanwälten und investigativen Journalisten war ein harter und langer Weg, doch ihre Wirkung reicht weit: Richter Paul A. Engelmayer hat dem Justizministerium erlaubt, die in großen Teilen bislang geheimen Ermittlungsunterlagen aus dem Verfahren gegen Ghislaine Maxwell öffentlich zu machen. Wir recherchieren selber schon lange tief in diesem Fall und haben im Magazin viele Recherchen veröffentlicht. Es geht um Protokolle, Beweismaterial, Notizen, digitale Datenträger, Finanzunterlagen und Dokumente aus früheren Ermittlungen – ein Bestand, der in die Hunderte oder gar Tausende von Seiten reicht und seit Jahren im Schatten lag. Nun sollen sie innerhalb von zehn Tagen veröffentlicht werden, gestützt auf den Epstein Files Transparency Act, den Donald Trump erst vor wenigen Wochen unterzeichnet hat.

Engelmayer ist bereits der zweite Richter, der dem Antrag der Regierung stattgibt. In Florida hatte zuvor ein weiterer Richter die Freigabe eines lange versiegelten Bundesgeschworenenverfahrens aus den 2000er Jahren genehmigt – jenes Verfahren, das damals im Sande verlief und Epstein statt einer Bundesanklage nur einen fragwürdigen Deal auf Staatsebene bescherte. Ein Antrag zur Offenlegung der Unterlagen aus Epsteins Verfahren von 2019 liegt weiterhin auf dem Tisch. Das Justizministerium verweist klar auf die Absicht des Kongresses: Die Öffentlichkeit soll Zugang erhalten, und zwar in durchsuchbarer Form, nicht als unüberschaubare Papierberge. Der Transparenzakt verlangt die Veröffentlichung bis zum 19. Dezember. Für eine Affäre, deren Bruchstellen seit Jahren sichtbar sind, ist das ein Moment, der ein neues Kapitel aufschlägt – eines, das nicht mehr nur aus Häppchen besteht, sondern aus vollständigen Beständen.

Die Bedeutung wird schon daran sichtbar, wie ungewöhnlich der Weg war. Drei Richter – zwei in New York, einer in Florida – hatten frühere Anträge des Ministeriums abgelehnt, weil die Freigabe von Geschworenenunterlagen ein hochsensibler Schritt ist, der normalerweise nicht in Betracht gezogen wird. Doch der neue Antrag war wesentlich weiter gefasst. Achtzehn Kategorien von Material sollen offen zugänglich gemacht werden, darunter Durchsuchungsbefehle, Notizen aus Interviews mit Betroffenen, Daten aus beschlagnahmten Geräten und Akten aus Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Florida. Ein Archiv, das den Verlauf der Ermittlungen sichtbarer machen dürfte als jede Veröffentlichung zuvor. Epstein wurde im Juli 2019 festgenommen, einen Monat bevor er tot in seiner Zelle aufgefunden wurde. Der Tod wurde offiziell als Suizid eingestuft. Maxwell wurde zwei Jahre später wegen Menschenhandels verurteilt und verbüßt eine 20-jährige Haftstrafe. Sie wurde im Sommer in ein niedriger gesichertes Gefängnis in Texas verlegt – just zu dem Zeitpunkt, als das Interesse an ihrem Fall wieder aufflammte. Ihr Anwalt erklärte nun, sie nehme zur Offenlegung keine inhaltliche Position ein, warnte jedoch, dass die Veröffentlichung die geplante Habeas-Petition seiner Mandantin beeinträchtigen könnte, weil eine spätere faire Neubewertung des Verfahrens dadurch erschwert wäre.

Die Anwälte des Epstein-Nachlasses äußerten sich nicht, während die Seite der Betroffenen durchaus klare Worte fand. Annie Farmer, eine der bekanntesten Stimmen unter den Überlebenden, ließ über ihre Anwältin mitteilen, sie sehe die Gefahr, dass eine Ablehnung des Antrags genutzt werden könnte, um weiterhin entscheidende Informationen über Epsteins Verbrechen zurückzuhalten. Ihr Hinweis spiegelt die Geduld wider, die Betroffene seit Jahren aufbringen mussten, während Akten, Befugnisse und Zuständigkeiten zwischen Gerichten und Behörden hin- und hergeschoben wurden.

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Dass bereits zehntausende Seiten zu Epstein und Maxwell veröffentlicht wurden, ändert nichts an der Bedeutung des jetzigen Schritts. Weil viele der neuen Materialien aus Ermittlungen in Palm Beach und der dortigen Staatsanwaltschaft stammen, könnten sie Einblicke ermöglichen, die bisher nur fragmentarisch bekannt waren. Sie berühren nicht nur die Jahre 2005 und 2006, sondern auch die Entscheidungen, die damals zu Epsteins außergewöhnlich mildem Deal führten. Schon im vergangenen Jahr war in Florida ein kleiner Teil eines Grand-Jury-Transkripts aus dem Jahr 2006 freigegeben worden. Am 5. Dezember folgte auf Antrag der Bundesregierung die Freigabe weiterer Bundesunterlagen. Nun steht eine Veröffentlichung bevor, die größer ist als alles, was bisher freigegeben wurde. Und sie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Geduld der Öffentlichkeit längst erschöpft ist und die Forderung nach vollständiger Transparenz nicht mehr am Rand der Debatte steht, sondern in ihrem Zentrum. Die nächsten zehn Tage werden zeigen, wie viel Licht das Justizministerium wirklich auf dieses Kapitel richten will – und welche Fragen nach all den Jahren endlich beantwortet werden können.

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