Die Wahrheit über den Angriff auf das mutmaßliche Drogenboot im Karibischen Meer wird nie vollständig ans Licht kommen. Nicht, weil es an Zeugen mangelt oder an politischem Willen. Sondern weil diese Operation tief in einem Bereich stattfand, der selbst im Pentagon nur von wenigen betreten wird. Dort sitzt das Joint Special Operations Command, kurz JSOC, eine Parallelwelt zum regulären Militär, mit eigenen Strukturen, eigenen Kommunikationswegen und einer eigenen Logik der Geheimhaltung. Wer dort etwas wissen will, bekommt Türen und Schweigen – oft beides gleichzeitig.
Aus militärischen und geheimdienstlichen Kreisen wurde bestätigt, dass SEAL Team 6 den Angriff vom 2. September durchführte, jenen Schlag, der inzwischen von vielen im Kongress als mögliches Kriegsverbrechen bezeichnet wird. Die Kontroverse nahm Fahrt auf, als durchsickerte, Kriegsminister Pete Hegseth habe die Operation persönlich angeordnet und mit dem Satz „Tötet sie alle“ versehen. Laut unseren Informationen deutete das Militär diese Weisung so, dass nach dem ersten Angriff ein zweiter Schlag erfolgen sollte, um Überlebende auszuschalten. Genau das wäre ein Kriegsverbrechen. Nun soll Admiral Frank Bradley vor dem Kongress aussagen, der Mann, der JSOC führte, als die Operation stattfand. Dass er spricht und nicht die Kommandeure der regulären Regionen – SOUTHCOM für die Karibik oder NORTHCOM für die Heimatverteidigung – zeigt, worum es hier wirklich geht: nicht um einen Einsatz, sondern um ein System. Und dieses System folgt eigenen Regeln, weit außerhalb jeder demokratischen Kontrolle.
JSOC operiert mit Sonderzugängen, die höher eingestuft sind als fast alles, was normalerweise im Pentagon kursiert. Eigene Netzwerke, eigene Einsatzbefehle, eigene Stützpunkte, oft in Ländern, die offiziell nicht einmal wissen, dass dort US-Kräfte agieren. Selbst im Inneren des Apparats gilt: Wer nicht eingeweiht ist, bleibt blind. Deshalb ist die Vorstellung, der Kongress könne diesen Einsatz vollständig aufklären, kaum mehr als höfliche Fiktion. Ein paar technische Details, einige Bilder vielleicht, dazu die Versicherung, man prüfe alles sorgfältig – mehr wird es nicht geben. Was wirklich passiert ist, bleibt unter Verschluss. Dabei hätte das Land ein Recht darauf zu erfahren, was im Namen der USA geschieht. Doch die politischen Entscheidungsträger zeigen wenig Mut. Senator Wicker kündigte an, „alle Aufnahmen“ prüfen zu wollen, aber wenn er sie sieht, darf er kaum darüber sprechen. Senator Kelly erklärte, der geheime Rechtstext zur Operation sei „nicht zu rechtfertigen“ und müsse öffentlich werden. Doch obwohl er ihn als Senator legal veröffentlichen könnte, schweigt er. Sein Büro reagierte auf keine Nachfrage.
Das eigentliche Problem sitzt also nicht im Ozean, sondern in Washington: Ein Kongress, der seine Macht nicht nutzt. Ein Sicherheitsapparat, der sich seit Jahren daran gewöhnt hat, nur das preiszugeben, was nicht wehtut. Und eine Regierung, die einen Schattenkrieg führt, ohne diesen je beim Namen zu nennen.

In den letzten Monaten wurde deutlich, wie die Trump-Regierung den alten „Krieg gegen Drogen“ umdeutet. Für Hegseth und seine Umgebung ist er längst ein neuer Anti-Terror-Krieg – nur eben in der westlichen Hemisphäre. Nicht Al-Qaida, sondern Kartelle. Nicht entlegene Wüsten, sondern die Karibik. Und plötzlich wirkt ein mutmaßliches Drogenboot wie ein Feind, der angeblich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen soll. Hegseth selbst formulierte es so: „Eine ausländische Terrororganisation, die unser Volk mit Drogen vergiftet, unterscheidet sich nicht von Al-Qaida.“ Wer so redet, erklärt eine ganze Region zu einem Schlachtfeld. Und genau das ist inzwischen geschehen.

NATIONAL INTELLIGENCE COUNCIL – Aktualisiertes IC-Gray-Zone-Lexikon: Wichtige Begriffe und Definitionen
Seite 5 von 11
BEREICH: POTENZIELLE GRAUZONEN-AKTIVITÄTEN
Information
Ausländischer bösartiger Einfluss (FMI)
Subversive, nicht deklarierte (einschließlich verdeckte und geheime), erzwingende oder kriminelle Aktivitäten durch ausländische Regierungen, nichtstaatliche Akteure oder deren Stellvertreter, um die öffentliche oder politische Haltung, Wahrnehmungen oder das Verhalten eines anderen Landes zu beeinflussen, um eigene Ziele durchzusetzen. FMI kann Bemühungen umfassen, Spaltung zu säen, demokratische Prozesse und Institutionen zu untergraben oder politische Entscheidungen zugunsten der Ziele des ausländischen Akteurs zu lenken.Rechtlicher Bereich
Willkürliche Inhaftierung
Das Festhalten einer ausländischen Person ausschließlich oder überwiegend, um die Politik eines anderen Staates zu beeinflussen oder Zugeständnisse zu erzwingen, einschließlich fingierter Anschuldigungen oder unverhältnismäßiger Strafmaße für Straftaten. Der US-Außenminister kann Fälle von „unrechtmäßiger Inhaftierung“ benennen, die bestimmten politischen und rechtlichen Kriterien entsprechen.Lawfare
Die absichtliche Ausnutzung oder Manipulation internationalen Rechts, internationaler Organisationen oder nationaler Gesetzgebung, um einen anderen Staat zu delegitimieren oder daran zu hindern, seine internationalen militärischen oder politischen Ziele zu erreichen – etwa durch erfundene Vorwürfe von Kriegsverbrechen oder Appelle an internationale Gerichtsbarkeiten wie die UN oder den Internationalen Strafgerichtshof.Waffenisierte internationale Migration
Die absichtliche Manipulation von Migrationsströmen, um einen anderen Staat zu erpressen.
In diesem Zusammenhang bedeutet „waffenisierte Migration“, dass die Regierung versucht, Migration nicht als humanitäre Bewegung zu verstehen, sondern als gezielt eingesetztes Angriffsmittel aus dem Ausland. Genau dieses Denken nutzt die Trump-Regierung, um die Bootsangriffe und die massive Militarisierung der Karibik zu rechtfertigen: Migranten und Schmuggler werden dabei nicht als Zivilisten oder Kriminelle, sondern als feindliche Akteure eines angeblichen „Hybridschlags“ dargestellt. Damit wird ein politisches Konzept geschaffen, das jede Gewaltmaßnahme legitimieren soll – selbst dann, wenn die rechtlichen Grundlagen fehlen oder Menschenrechte verletzt werden.

Der Mann, der diesen Krieg führt, ist Admiral Bradley, jetzt Oberbefehlshaber aller Spezialkräfte weltweit. Doch statt kritischer Berichte wird er mit Lob überschüttet – ausgerechnet aus jenen Medien, die sonst Transparenz predigen. In einem einzigen Artikel feierte vollkommen überraschend die New York Times ihn mit einer Reihe von Komplimenten, die man eher in einer Festrede erwarten würde. Ein anonymer Master Chief nannte ihn „einen erstklassigen Kerl“. Ein früherer SEAL sagte, Bradley sei „so klug wie ethisch“ und „über jeden Zweifel erhaben“. Solche Sätze lesen sich wie Schutzschilde – nicht wie unabhängige Beobachtung. Dabei ist klar, warum Bradley so behandelt wird: Er ist das Gesicht eines Apparats, der seit Jahren wächst, ohne dass jemand seine Macht infrage stellt. Die Diskussion über den Angriff vom 2. September könnte diese Macht sichtbar machen. Doch stattdessen konzentrieren sich viele auf die Frage, ob zwei Männer nach einem ersten Angriff gezielt getötet wurden. Das ist wichtig – aber es verdeckt das größere Bild. Der eigentliche Skandal ist nicht das mögliche Kriegsverbrechen. Der Skandal ist die Tatsache, dass die USA in aller Stille einen neuen Krieg führen, ohne Debatte, ohne Mandat, ohne klare Regeln. Ein Krieg, den niemand offen ausspricht, und der sich hinter Klassifizierungen versteckt, die fast niemand durchschaut.
Wenn der Kongress diesen Zustand ändern wollte, könnte er es tun. Er müsste nur beschließen, weniger hinzunehmen und mehr zu kontrollieren. Doch dafür bräuchte er Rückgrat. Und das fehlt – seit Jahren. Der Kongress könnte das alles natürlich ändern. Er könnte die Gesetze anpassen, die Geheimhaltung einschränken, die Verantwortlichen zwingen, Farbe zu bekennen. Doch nichts deutet darauf hin. Senator Mark Kelly sagte über die geheime Begründung für die Bootsangriffe, er habe sie gelesen, sie dürfe nicht klassifiziert sein und die Regierung „sollte sie dem amerikanischen Volk offenlegen“. Er selbst könnte das tun – dank der Immunität, die Senatoren genießen. Aber als sein Sprecher Jacob Peters gefragt wurde, ob Kelly bereit sei, genau diesen Schritt zu gehen, blieb er jede Antwort schuldig. Mehrere Anfragen, kein Wort. Genau dort beginnt das eigentliche Schweigen.
Mark Kelly: „Pete Hegseth sagt, er wolle mich vor ein Kriegsgericht stellen, weil ich exakt dasselbe gesagt habe wie er vor neun Jahren. Was hat sich bei Pete verändert? Nun, zuerst einmal verbringt er seine Tage damit, darüber nachzudenken, wie er sich bei Trump einschmeicheln kann. Wenn Trump „Spring“ sagt, fragt er nur noch, wie hoch“.
Solange diese Zone des Schweigens bleibt, wird sich nichts ändern. Die Operationen gehen weiter. Die Geheimhaltung wächst. Die Verantwortung verflüchtigt sich. Und die Öffentlichkeit wird mit Bruchstücken abgespeist, während im Hintergrund Entscheidungen fallen, deren Tragweite kaum jemand begreift. Am Ende ist die größte Gefahr nicht Hegseth, nicht Bradley, nicht einmal die Schattenflotten in der Karibik. Die größte Gefahr ist ein Staat, der sich daran gewöhnt hat, im Dunkeln zu handeln – und ein politisches System, das ihn lässt. Wir werden unsere Recherchen weiterführen, um das gesamte Ausmaß weiter aufzudecken.
Wer glaubt, das alles gehe einen selbst nichts an, irrt. Rechtspopulistische Strukturen funktionieren überall nach dem gleichen Muster, und dort, wo sie an die Macht gelangen, folgen oft dieselben Gefahren: die Entwertung von Menschenrechten, der Umbau des Staates zur Angriffsmaschine und eine Politik, die Gewalt nicht verhindert, sondern rechtfertigt. Genau deshalb ist unabhängiger Journalismus kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Wir kämpfen täglich dafür, diese Entwicklungen sichtbar zu machen.
Investigativer Journalismus braucht Mut – und Ihre Unterstützung.
Unterstützen Sie unsere Recherchen gegen Rechtspopulismus, Desinformation sowie Menschen- und Umweltrechtsverletzungen. Jeder Betrag fliesst in unsere tägliche Arbeit – Wir arbeiten ohne Werbung, ohne Abos, ohne Unternehmen, ohne Parteien. Unsere Berichterstattung soll frei zugänglich bleiben. Für jede und jeden.
Unabhängig – Kritisch – Für alle
Danke, dass Sie unsere unabhängige Arbeit möglich machen.
Updates – Kaizen Kurznachrichten
Alle aktuellen ausgesuchten Tagesmeldungen findet ihr in den Kaizen Kurznachrichten.
Zu den Kaizen Kurznachrichten In English
Ein Kriegsverbrechen wäre es in einem vom US Kongress abgesegneten bewaffneten Konflikt. Ein solcher liegt nicht vor, daher wird von „gewöhlichem“ Mord auszugehen sein (1st degree murder).
Der Punkt mit dem Kriegsverbrechen wird oft missverstanden. Ob ein Kriegsverbrechen vorliegt, hängt nicht davon ab, ob der US-Kongress einen Krieg erklärt hat, sondern ob ein bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts existiert. In der Karibik war das nicht der Fall – deshalb greift hier nicht das Kriegsvölkerrecht, sondern das reguläre US-Bundesrecht.
Wenn nach dem ersten Angriff absichtlich Überlebende getötet wurden, wäre das nach US-Recht ein „unlawful killing“ und würde unter 18 U.S.C. § 1111 (First Degree Murder) fallen. Politisch mag man von „Kriegsverbrechen“ sprechen, juristisch wäre es eher ein Mord, der unter Missbrauch militärischer Gewalt begangen wurde.
Parallel dazu gibt es dennoch einen klaren Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen, insbesondere gegen Art. 2 Abs. 4, der den Einsatz bewaffneter Gewalt untersagt, sofern keine Selbstverteidigung oder ein Mandat des UN-Sicherheitsrats vorliegt. Die von Präsident Trump verwendete Rhetorik – etwa die Gleichsetzung von Drogenkartellen mit „ausländischen Terrororganisationen“ – sowie seine Anweisungen, ohne völkerrechtliche Grundlage militärische Gewalt anzuwenden, bewegen sich außerhalb dieses Rahmens.
Kurz gesagt: Strafrechtlich wäre es Mord, völkerrechtlich ein unzulässiger Gewaltakt. Beides zeigt, wie problematisch der Einsatz war – unabhängig davon, wie die Regierung ihn bezeichnet.
Bei Kelly dachte ich eigentlich, dass er alles tut, um diese Verbrecher bloßzustellen. Aber wir können uns wahrscheinlich gar nicht vorstellen, unter welcher Bedrohungslage er steht 😟