Tino Chrupalla hat sich mal wieder gegeben wie einer, der Abstand halten will zu den Radikalsten in seiner eigenen Partei. Aber, er schafft das nicht und das zeigt, wie radikal diese Partei einfach ist. Denn kaum weht der Wind ein bisschen anders, fordert er plötzlich in der bekannten AFD-Manier eine „millionenfache Abschiebung“. 1.000.000 müsse raus, sagt er – sogar die rund 700.000 Ukrainer, die vor Putins Krieg nach Deutschland geflohen sind. Der gleiche Mann, der eben noch vor „überzogenen Forderungen“ warnte, redet nun wie jemand, der jedes Maß verloren hat. Und es passt zu einer Partei, die seit Jahren versucht, ihre eigene Radikalität hinter wechselnden Fassaden zu verstecken.
Noch heute gab sich die Parteispitze verstört über den Auftritt von Alexander Eichwald, AFD als hätte man mit seinen Forderungen nichts zu tun. Man tat so, als sei er ein Einzelgänger, einer, der aus der Reihe tanzt und daher geprüft werden muss. Doch jetzt, da Chrupalla dieselben Forderungen fast wortgleich wiederholt, ist klar, wie wenig Distanz jemals existierte. Dass Eichwald bei der Wahl am 29. November in der sogenannten „Generation D“ auf zwölf Prozent kam, zeigt nur, wie empfänglich ein Teil der Wähler für extreme Parolen geworden ist. Die AfD hat Eichwald innerlich nie wirklich widersprochen, auch wenn einige AfD-Anhänger ihre Entrüstung über den Auftritt äußerten – wobei das größte Problem für viele offenbar darin lag, dass er „Genossen“ statt „Kameraden“ sagte, was einen ehemaligen Marinesoldaten völlig aus der Fassung brachte. In solch sensiblen Bereiche wäre ein Hintergrundcheck vielleicht keine schlechte Idee. Auf der offiziellen Seite des Herforder Stadtrats erscheint Eichwald als „sachkundiger Bürger“. Er arbeitet dort für die AfD-Fraktion und sitzt seit Herbst 2025 unter anderem im Jugendhilfeausschuss. Der umstrittene AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich bestätigte, dass Eichwald aus seinem NRW-Landesverband stammt. Den Auftritt nannte er „unterhaltsam, aber verrückt“.

Die Widersprüche ziehen sich durch diese ganze Partei. Eine Rechts-Bewegung, die vorgibt, für Sicherheit zu stehen, will Geflüchtete aus einem aktiven Kriegsgebiet in Massen ausweisen. Eine Partei, die sich als Stimme des „kleinen Mannes“ ausgibt, fordert Maßnahmen, die genau denjenigen schaden, die ohnehin kaum Luft zum Atmen haben. Eine Partei, die angeblich gegen „Bevormundung“ kämpft, setzt auf Angst und Propaganda. Und während sie all das tut, verkauft sie ihren Anhängern die eigene Unentschlossenheit als Stärke. Schwächer geht es kaum noch und über Regierungsfähigkeit dieser Partei muss man überhaupt nicht anfangen zu sprechen. Durchgefallen.
Die AfD belügt sich selbst, widerspricht sich selbst und belügt ihre eigenen Wähler. Das ist kein Zufall, sondern ihr täglicher Charakter. Man passt die Linie an die Stimmungslage an, dreht Sätze um, verschärft, relativiert, wiederholt – je nachdem, was besser verfängt. Viele glauben es, weil die Entrüstung leicht verfügbar ist und weil einfache Antworten verführerisch bleiben. Doch wer einmal genauer hinschaut, erkennt, wie brüchig das alles ist. Die entscheidende Frage ist, wann die Wähler begreifen, dass sie nicht vertreten, sondern benutzt werden. Eine Partei, die ihre Botschaften im Stundentakt austauscht, führt niemanden irgendwohin. Sie nutzt Enttäuschung aus, ohne Lösungen zu haben. Sie befeuert Konflikte, ohne Verantwortung zu übernehmen. Und sie verkauft das alles als „Mut“ und ist dabei feige.
Irgendwann wird der Moment kommen, an dem selbst die treuesten Anhänger spüren, dass ihnen kein Weg angeboten wurde – sondern nur ein Abgrund, den man hinter Parolen versteckt hat. Und wenn dieser Moment kommt, wird die AfD niemandem erklären können, warum sie gleichzeitig Entsetzen spielt und dieselben Forderungen ausspricht, die sie angeblich so sehr ablehnt. Denn das ist ihr wahres Gesicht: Empörung nach außen, Zustimmung nach innen. Und eine ständige Täuschung, die nur funktioniert, solange niemand laut widerspricht.
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Ich hoffe nur, ihre Wähler merken noch rechtzeitig, wie sehr sie betrogen werden und wurden.