Ein MAGA-Großvater in Wyoming ruft 911, weil der Amazon-Bote Spanisch spricht, und man fragt sich unweigerlich, ob das Land inzwischen einen kollektiven Sprachtest nicht bestanden hat oder ob einfach zu viele Menschen ihre Restnerven im Trump-Jahr eins in seiner zweiten Amtszeit verloren haben. Der Mann fordert „ICE rufen“, als hätte er gerade einen internationalen Schmugglerring entdeckt und nicht jemanden, der Amazon-Bestellungen bringt. Die Operatorin versucht ihm beizubringen, dass Fremdsprachen keine Notfälle sind, doch er bleibt dabei, als sei er der letzte Wächter einer Einfahrt, die er für ein strategisches Gebiet hält.
Dieser Vorfall wirkt wie eine kleine, aber brillante Demonstration der amerikanischen Gegenwart: Misstrauen als Hobby, Panik als Freizeitbeschäftigung, und jeder, der zwei Sprachen spricht, wird automatisch verdächtigt, einen Umsturz zu planen. Während Washington über „Ordnung“ schwadroniert, melden manche Bürger inzwischen Menschen, weil sie nicht klingen wie der Wetterbericht aus Nebraska. Ein Land, das einmal stolz auf Vielfalt war, ruft heute die Behörden, weil jemand ein anderes Wort kennt. Und am Ende bleibt die Erkenntnis: Nicht der Bote war das Problem – sondern die Tatsache, dass man in den USA inzwischen schneller ICE ruft als den gesunden Menschenverstand. Und wer sich fragt, wie ein Land an diesen Punkt kommen konnte, braucht nur nach Washington zu schauen: Wenn eine Trump-Regierung den Hass sät, dass Nachbarn Bedrohungen und Paketboten Sicherheitsrisiken sind, darf sie sich nicht wundern, wenn am Ende selbst ein harmloser spanischer Satz als Staatsfeind klingt.
Und dann gibt es die, die zeigen, dass dieses Land noch nicht verloren ist

Es gibt aber auch Momente, die Hoffnung machen – kleine, unspektakuläre Szenen, in denen Menschen einfach zeigen, dass Anstand lauter sein kann als Angst. Großväter, die nicht 911 wählen, weil jemand Spanisch spricht, sondern mit selbstgemalten Bannern auf der Straße stehen und „Grandfathers Against Racism“ hochhalten. Männer, die alt genug wären, sich rauszuhalten, und stattdessen sagen: Nicht in meinem Namen, nicht in meiner Stadt, nicht in meiner Generation. Genau das erinnert daran, dass dieses Land nicht nur die Stimmen hat, die hetzen, sondern auch jene, die still und standhaft bleiben, wenn andere durchdrehen. Und manchmal reicht ein solcher Anblick, um zu wissen: Der Rückfall in Dunkelheit ist kein Naturgesetz – es gibt Menschen, die ihn nicht mitmachen.
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