Es ist ein Satz, der längst Geschichte geschrieben hat: „Ich habe das Wort ‚equalize‘ erfunden.“ Gesagt von niemand Geringerem als dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald J. Trump, am 12. Mai 2025 in Washington. In einem wirren und altersdement wirkenden Moment nahm Trump während einer Rede das Wort „equalize“ für sich in Anspruch: „Im Grunde gleichen wir gerade aus. Das ist ein neues Wort, das ich mir ausgedacht habe – und ich glaube, es ist wahrscheinlich das beste Wort.“ Tatsächlich existiert das Wort bereits seit dem Jahr 1599, wie das Merriam-Webster-Wörterbuch nüchtern feststellt. Und Trump selbst hatte es noch Wochen zuvor verwendet, im März 2025, als er von Verteidigungsausgaben für die Ukraine sprach.
Man könnte meinen, es handle sich um eine beiläufige Anekdote, ein amüsanter Ausrutscher im politischen Theater. Doch es ist mehr. Denn Trump fügte mit seinem Auftritt am Memorial Day, dem 26. Mai 2025, eine weitere Groteske hinzu. Auf dem Arlington National Cemetery, wo eigentlich den gefallenen US-Soldaten gedacht werden sollte, sprach er über sich – und sprach sich dabei erneut um Kopf und Kragen. Inmitten einer ansonsten stockenden und oft vom Teleprompter abweichenden Rede verwendete er das Wort „cryptolagagic“. Ein Begriff, den es nicht gibt. Keine Bedeutung, keine Herkunft, kein Eintrag. Ein Nichts, ausgerufen mit der Gewissheit eines Mannes, der selten hinterfragt wird.
Was genau er sagen wollte, bleibt unklar. Wahrscheinlich sollte es „cryptologic“ heißen – ein Fachbegriff für die Wissenschaft der Verschlüsselung. Doch aus dem Munde Trumps wurde es „cryptolagagic“ – ein Wort, das nicht nur seine Zuhörer:innen, sondern auch das Internet in Rätselraten versetzte. Innerhalb von Minuten wurde es zum Trendbegriff auf Google, Meme-Material auf Facebook, und eine Fundgrube für Kommentare wie: „Ich hab am Mittwoch eine cryptolotogic-Prüfung – hoffentlich muss ich das Zeug vorher nicht trinken.“
Was wie harmlose Späße klingt, ist Teil eines ernsteren Musters. Es ist nicht nur die Tatsache, dass Trump Wörter erfindet oder bestehende für seine Erfindung hält – es ist die Selbstverständlichkeit, mit der er Sprache instrumentalisiert, entstellt und entwertet. Jedes Wort wird zum Werkzeug der Selbstinszenierung. Jedes Versprechen zur rhetorischen Luftnummer. Und jeder Fehler – zum Angriff auf die Wirklichkeit selbst.
Sprache ist Macht. Und wer sie nicht beherrscht, wird schnell zu ihrem Opfer. Trump jedoch nutzt die Sprachverwirrung nicht nur, er kultiviert sie. Aus „alternative facts“ wurden „alternative words“. Die Welt wird nicht mehr erklärt, sondern beschworen. Nicht mehr geordnet, sondern neu erfunden – von einem Mann, der offenbar selbst nicht weiß, wie man schreibt, was man sagt.
„Equalize“ war nie seins. „Cryptolagagic“ ist nie unseres gewesen. Und wenn wir morgen nicht wissen, ob der Präsident sich noch an seinen eigenen Namen erinnert, dann bleibt uns nur zu hoffen, dass wenigstens das Wörterbuch Bestand hat.