In Charlotte, North Carolina, haben Bundesagenten zwei Menschen festgenommen. Ihr Vergehen: Sie haben andere vor bevorstehenden ICE-Razzien gewarnt. Zehn Tage vor Heiligabend 2025 ist das die neue Realität in den Vereinigten Staaten. Die beiden Festgenommenen haben keine Straftaten begangen. Sie haben Informationen weitergegeben. Von Mensch zu Mensch, wie es in bedrohten Gemeinschaften seit jeher funktioniert. Sie haben Nachbarn angerufen, in Gemeindezentren gesprochen, Warnungen ausgesprochen. Dafür wurden sie als liberale Terroristen bezeichnet und verhaftet.
Die Logik dahinter ist simpel: Wer andere warnt, wird selbst zum Ziel. Apps, die Razzien melden, werden überwacht. Informationsketten werden zerschlagen. Die Botschaft ist klar – Solidarität wird bestraft. ICE hat sich die Weihnachtsfeiertage gezielt ausgesucht. Die Behörde weiß, dass Familien über die Feiertage zusammenkommen. Verwandte reisen an, alle sind an einem Ort. Das macht die Razzien effizienter. Mehr Menschen können auf einmal erfasst werden.

Die Smartphones werden über Weihnachten nicht mit Festtagsgrüßen beschäftigt sein, sondern mit Warnmeldungen, Hilferufen. GPS-Koordinaten werden geteilt. Nachrichten wie „Sie sind in der Nachbarschaft“ oder „Öffnet nicht die Tür“ werden die Runde machen. Das ist kein Fest mehr. Das ist Überlebenskampf. Täglich werden Menschen festgenommen, deren einziges Vergehen ihre Herkunft ist. Auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, vor den Augen ihrer Kinder. Die Willkür ist gewollt. Sie soll Angst verbreiten. Niemand soll sich sicher fühlen.

Der Mann war vollkommen unschuldig: der Maler Krzysztof Klim, in der Nachbarschaft Edison Park in Chicago von Agenten der U.S. Border Patrol und ICE verhaftet, während seine Identität überprüft wurde, ursprünglich aus Polen, längst US-Staatsbürger, festgenommen zwischen Halloween-Dekorationen, später wieder freigelassen – und doch ist es immer dasselbe Muster. Unschuldige werden verhaftet, man verweigert ihnen den Griff zum Portemonnaie, um den Nachweis zu erbringen, amerikanische Staatsbürger zu sein, Familien werden meist nicht informiert, Nachbarn übernehmen das, die Angehörigen fahren zur Haftanstalt, besorgen sich Hilfe, werden erst draußen stehen gelassen, dann besorgt man einen Anwalt, der wiederum stundenlang warten muss, bevor er überhaupt vorgelassen wird. In dem Moment, in dem er die Papiere auf den Tisch legt, könnte alles zu Ende sein, aber es beginnt nur ein neues Kapitel: Misstrauen, Nachfragen, „ist das auch echt?“, „das sind doch nicht sie“, immer neue Verzögerungen – der vollkommene Wahnsinn. Und das sind noch die leichten Fälle. Wer nur einen prekären Aufenthaltsstatus hat, ist der eigentliche Härtetest: Mehr als vier – sechs solcher Fälle pro Tag schafft man kaum, dazu jedes Mal einen Anwalt finden, hoffen auf Pro-bono-Unterstützung oder ein halbwegs erträgliches Arrangement, irgendwo bei 500 Dollar, organisieren, die Familie benachrichtigen, im Eiltempo recherchieren, mit der ACLU oder lokalen Hilfsorganisationen Rücksprache halten – ein System, das vorgibt, Ordnung zu bringen, und in Wahrheit Menschen im Minutentakt aus ihrem Alltag reißt.
In South Minneapolis kam es am Montagnachmittag zu massiven Auseinandersetzungen zwischen ICE-Beamten und Anwohnern gekommen. In der Nähe der Lake Street, unweit des Karmel Mall, stellten sich Dutzende Menschen den Bundesbeamten entgegen, nachdem Warnpfiffe im Viertel ertönt waren. Augenzeugen berichten von Schreien, Gedränge und Gewalt. Eine Frau wurde mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gedrückt, obwohl Umstehende riefen, sie sei schwanger und bekomme keine Luft.
Die Menge forderte ihre Freilassung, während Beamte sie an einem Arm wegzerrten. Schneebälle flogen, weitere Beobachter strömten herbei. ICE setzte Pfefferspray ein, später auch einen Taser. Mehrere Menschen, darunter Journalisten, wurden von Reizstoffen getroffen. Die Polizei von Minneapolis und das Sheriff’s Office des Hennepin County rückten an, erklärten jedoch später, sie hätten keine Angriffe auf Beamte gesehen und selbst keine Gewalt angewendet. Festnahmen, mögliche Verletzungen und der genaue Ablauf bleiben unklar. Der Einsatz traf ein Viertel mit hoher somalischer Bevölkerung und folgte kurz nach abwertenden Aussagen von Präsident Trump über Somalis in Minnesota, was die Spannungen zusätzlich verschärfte.
Bei einem ICE-Einsatz in St. Paul, Minnesota, kam zu extrem massiver Gewalt gegen friedliche Protestierende. Bundesbeamte setzten Pfefferspray aus nächster Nähe direkt ins Gesicht ein, mehrere Menschen erbrachen sich und rangen nach Luft. Beim Versuch, den Ort zu verlassen, haben Einsatzfahrzeuge beinahe Unbeteiligte erfasst. Betroffene berichten von körperlichen Schmerzen und großer emotionaler Belastung. Angehörige von Arbeitern verloren während der Razzia den Kontakt zu ihren Familien. ICE erklärte später, man habe gemeinsam mit FBI und DEA einen bundesweiten Durchsuchungsbefehl bei der Firma Bro-Tex ausgeführt. Wie viele Beschäftigte festgenommen wurden, ist weiterhin unklar. Aktuell liegen uns 21 Fälle vor.

Es ist ein Bild, das man eher aus einer Diktatur erwarten würde als aus den Vereinigten Staaten: Während Flammen sich durch die Wälder der Olympic Peninsula fressen, tauchen plötzlich maskierte Bundesbeamte auf, kontrollieren Ausweise und führen zwei Männer ab – Männer, die nicht auf der Flucht sind, sondern mit Hacke und Schlauch gegen das Bear-Gulch-Feuer kämpfen. Zwei Feuerwehrleute aus Vertragscrews, mitten im Einsatz, wurden in Handschellen abgeführt. Man konnte beide Männer wieder aus der Haft herausholen.

Dem muss man sich entgegenstellen. Nicht nur theoretisch, sondern praktisch. Dort, wo es passiert. In den Stadtvierteln, an den Haustüren, auf den Straßen. Anwälte müssen bereitstehen. Auch an Weihnachten, auch an Silvester. Hotlines müssen geschaltet sein. Rechtsbeistand muss sofort verfügbar sein, weil oft nur Minuten zählen. Jede Verhaftung muss dokumentiert werden – Name, Ort, Uhrzeit. Die Beweiskette muss lückenlos sein. Die Organisation muss funktionieren. Von Norden nach Süden, von Osten nach Westen. Das Problem ist nicht lokal begrenzt. Charlotte heute, morgen könnte es Los Angeles, Houston, New Orleans, Minneapolis, Chicago oder New York sein. Trumps Politik macht keine regionalen Unterschiede vor seinem Hass.

Europa sollte genau hinsehen. Was hier passiert, ist nicht abstrakt. Das ist die konkrete Umsetzung einer Politik, wie sie auch eine AfD anstreben könnte. Menschen werden zu Gejagten. Familien werden auseinandergerissen. Wer hilft, wird bestraft. Das passiert jetzt, in Echtzeit, in einem westlichen Land.

Die zwei Menschen in Charlotte haben das getan, was moralisch richtig ist. Sie haben gewarnt. Sie haben geschützt. Natürlich unterstützen wir die zwei Personen. Sie haben Solidarität gezeigt. Dafür wurden sie verhaftet. Genau deshalb muss man weitermachen. Weiterwarnen. Weiterhelfen. Nicht aufhören. Die Organisation braucht noch mehr Struktur. Es braucht Menschen, die Bereitschaftsdienste übernehmen. Es braucht Netzwerke, die schnell reagieren können. Es braucht Dokumentation, die gerichtsfest ist. Es braucht finanzielle Mittel für Anwälte und Kautionen. Es braucht sichere Kommunikationswege.

ICE wird die Feiertage nutzen. Das steht fest. Die Razzien werden kommen, großflächig und koordiniert. Die Frage ist nicht ob, sondern wo und wann. Die Antwort darauf ist ein organisierter Widerstand. Keine symbolischen Gesten, sondern konkrete Hilfe. Rechtsbeistand. Schutzräume. Fluchtpläne. Finanzielle Unterstützung. Öffentlichkeit. Freisprüche. Was in Charlotte passiert ist, ist ein Warnsignal. Die Verhaftung von Menschen, die andere warnen, ist eine neue Eskalationsstufe. Es geht nicht mehr nur um die Verfolgung von Migranten ohne Papiere. Es geht um die Kriminalisierung jeglicher Form von Hilfe und Solidarität.

Das ist der Moment, in dem sich zeigt, wie ernst es gemeint ist. Nicht mit Worten, nicht mit Empörung, sondern mit Taten. Wenn der Nachbar abgeholt wird – was tun wir? Wenn die Familie nebenan verschwindet – wie reagieren wir? Wenn Menschen für ihre Menschlichkeit verhaftet werden – stellen wir uns dagegen? Die zwei Menschen in Charlotte haben ihre Entscheidung getroffen. Sie haben gehandelt. Jetzt zahlen sie dafür. Die Menschen die mit Pfefferspray beschossen wurden, stehen für etwas, was in dieser Welt viel verloren gegangen ist. Sich offen dagegenzustellen. Ihre Warnung ist draußen, nicht am Küchentisch. Und sie muss weitergegeben werden. Von Mensch zu Mensch. Trotz der Risiken. Gerade wegen der Risiken. Weihnachten 2025 wird zeigen, wie viel Menschlichkeit noch möglich ist, wenn der Staat sie kriminalisiert. Die Feiertage werden kein Fest. Sie werden die Hölle

Die gesellschaftlichen Konsequenzen sind gravierend. Familien werden zerrissen, Kinder bleiben zurück, soziale Netzwerke brechen auseinander. Besonders betroffen sind Staaten wie Ecuador, El Salvador, Honduras oder Venezuela – aber auch Menschen aus Bangladesch, Russland oder China. Die politische Botschaft: Abschreckung durch Unvorhersehbarkeit, Abschiebung als Akt der administrativen Gewalt, nicht als Ergebnis einer individuellen Prüfung.

Es war kurz nach sieben Uhr morgens, die Kinder liefen lachend durch die Glastüren des Rayito de Sol Spanish Immersion Early Learning Center, ein zweisprachiger Kindergarten im Norden der Stadt, als plötzlich schwarze SUVs auf den Parkplatz rollten. Sekunden später rannte eine Frau, Diana Patricia Santillana Galeano – eine Erzieherin – aus einem Fahrzeug in Richtung Eingang. Hinter ihr Männer mit kugelsicheren Westen, auf denen in großen weißen Buchstaben stand: POLICE ICE. Noch bevor sie die Tür hinter sich schließen konnte, wurde sie festgesetzt – zwischen zwei Glasfronten, vor den Augen der Kinder.

Für Angehörige von Festgenommenen ist es wichtig, schnell zu handeln. ICE vergibt für jede inhaftierte Person eine neunstellige Ausländerregistrierungsnummer, mit der sich der Aufenthaltsort über das offizielle ICE-Lokalisierungsportal ermitteln lässt. Festgenommene haben grundsätzlich das Recht auf anwaltliche Beratung und können eine Liste kostenloser oder günstiger Rechtsangebote verlangen. Familien sollten Kopien aller relevanten Dokumente sichern und Details zur Festnahme festhalten. Razzien und ICE-Aktivitäten können außerdem gemeldet werden, um rechtliche Hilfe und öffentliche Dokumentation zu ermöglichen – etwa über die landesweite Hotline von United We Dream unter 1-844-363-1423.
Eine Frage muss sich Donald Trump stellen lassen: Viele wurden auf einen Berg geschickt. Was dachte er, was vom Berg wieder herunterkommt? Der Widerstand wird immer größer, und keiner von uns ist gewillt, in diesem Kampf auch nur einen Millimeter zurückzuweichen. Die Menschen benötigen Hilfe – und sie sollen sie bekommen und werden sie bekommen.
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Bei all diesen geschilderten Ereignissen kann man getrost die derzeitige Nichtregierung von Trump und seine von ihm angeordneten Schlägertrupps als kriminelle Vereinigung bezeichnen. Hinzu kommen weitere Verbrechen ohne Zahl im Zusammenhang mit den körperlichen und psychischen Verletzungen sowie die ganzen Maßnahmen zur Terrorisierung Einzelner und ganzer Bevölkerungen in Stadt und Land. Nicht zu vergessen der Aufruhr durch Verweigerung gesetzlicher Schutzgesetze um dadurch einen Bürgerkrieg zu riskieren und damit den Staat zu vernichten.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen zu weitgehender Verhinderung der zerstörerischen Ausgeliefertheit sind gute Vorschläge. Aber meiner Meinung nach ist das der Beginn eines Bürgerkrieges und nicht lange durch zu halten.Daher die Frage aller Fragen: Wie schnell kann dieser Irre und seine Minister festgesetzt, also unschädlich, gemacht werden?