US-Veteranen reagieren empört und wütend auf Hegseths Worte

VonRainer Hofmann

Oktober 1, 2025

Die Halle in Quantico war voll, die Ränge dicht besetzt mit Generälen und Admirälen, Flag Officers, die Jahrzehnte im Dienst verbracht haben. Man hätte erwartet, dass dort Fakten, Strategien und nüchterne Befehle verhandelt werden. Stattdessen erlebte das Publikum Anfang der Woche eine Stunde, die viele Anwesende und Beobachter als Egotrips und politisches Theater empfanden: Die mit Spannung erwartete Ansprache von Verteidigungsminister Pete Hegseth über körperliche Fitness, „doctrine of lethality“ und die angebliche Entschärfung einer „woken“ Militärkultur schlug weit über die erwartete Debatte hinaus — und rief eine Welle des Entsetzens hervor. Siehe unseren Artikel: „Die Generalprobe zum Kulturkrieg: Wie Hegseth das US-Militär politisch umbaut – und Trump seine Generäle beschwört“, unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-generalprobe-zum-kulturkrieg-wie-hegseth-das-us-militaer-politisch-umbaut-und-trump-seine-generaele-beschwoert/

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Veteranen und Ex-Offiziere reagieren nicht nur kritisch, sie sind wütend. Viele der Worte, die mir einfallen, darf man nicht drucken“, sagt Naveed Shah, einst Einheitsjournalist in Uniform und heute Politikdirektor der Veterans-Organisation Common Defense. Shah bringt in wenigen Worten auf den Punkt, was viele empfinden: Die Senior Officers, die teils 20, 30 Jahre gedient haben, brauchen keine Antrittsvorlesung über den „warrior ethos“ von einem politischen Entertainer. Das, so Shah, ist beleidigend — und es ist gefährlich.

Die Kritik entzündet sich an mehreren Stellen zugleich. Hegseth forderte eine Rückkehr zu härteren körperlichen Standards, stellte Teile der Personalpolitik infrage und wetterte gegen DEI-Programme. Er sprach von einer Rückkehr zu einem männlichen Fitnessideal, wollte offenbar wieder messbare „Männlichkeitsnormen“ in Kampfeinheiten etabliert sehen. „Wenn Frauen es schaffen, ausgezeichnet. Wenn nicht, dann ist es, wie es ist., formulierte Hegseth sinngemäß — eine Aussage, die Frauenveteranen empört zurückweist. „Als Frauen in Kampfrollen eintraten, wurde ein einheitlicher Standard festgelegt, und den erfüllen wir seitdem“, konterte Amy McGrath, ehemalige Navy-Pilotin. Ihre Antwort ist mehr als ein Statement; sie ist ein Verweis auf jahrzehntelange Leistung, auf Männer und Frauen, die unter Feuer standhielten.

Amy McGrath, ehemalige Navy-Pilotin

Dass Hegseth 800 hohe Militärs nach Quantico bestellte, nur um eine Stunde lang zu dozieren, trifft auf Unverständnis. „Eine schlimme Erkältung hätte unsere gesamte Befehlskette bedrohen können“, sagt Shah — pointiert, aber ernst gemeint: So viele ranghohe Offiziere an einem Ort zu versammeln, kurz vor einem möglichen Government-Shutdown, ist nicht nur politisch fragwürdig, es birgt auch handfeste Risiken für die Einsatzbereitschaft. Dana Pittard, pensionierter General, nennt die Veranstaltung „insulting“ und „egotistical“; er spricht von einer politisierten Inszenierung, die einem demokratischen Militär nicht gut zu Gesicht steht.

Die Vorwürfe gegen Hegseth gehen aber über beleidigende Wortwahl hinaus. Kritiker sehen in der Rede eine gefährliche Politisierung der Streitkräfte. Hegseth habe nicht nur Kritik geäußert, er habe Teile des Militärs als Feindbild umgedeutet, verweist auf „der Feind im Inneren“ und zitiert in einer Weise, die bei erfahrenen Offizieren die Alarmglocken schrillen lässt. Die Trennung von Politik und Militär ist in einer Demokratie ein heikles Gut; jede rhetorische Kippbewegung zugunsten von Kulturkämpfen statt klarer strategischer Leitung weckt Besorgnis. Auch der Umgang mit weiblichen Soldatinnen wurde zur Zündschnur. Sally Roberts, Afghanistan-Veteranin und Vizeweltmeisterin im Frauenringen für Team USA, sieht in Hegseths Ansage die Chance — aber nicht in der Form, wie sie vorgetragen wurde. Viele Frauen, die unter härtesten Bedingungen dienten, sehen in der Forderung nach einer „männlichen“ Norm eine Verkennung der Realität: Man kann Leistung messen, ohne ganze Gruppen pauschal auszuschließen oder herabzuwürdigen. Jojo Sweat, ehemalige Marine und Aktivistin, bringt es auf den Punkt: Wer die Beiträge und Opfer von Frauen auslöscht, betreibt Geschichtsverfälschung und schwächt damit die Streitkraft.

Sally Roberts, Afghanistan-Veteranin und Vizeweltmeisterin im Frauenringen

Politisch heizte der Auftritt die Debatten weiter an. Kaliforniens Gouverneur machte sich mit einem Simpsons-Meme über Hegseth lustig; andere Kommentatoren spotteten über den Aufwand, die Reisekosten und das schlechte Timing. Paul Eaton von VoteVets spricht von einer Verschwendung öffentlicher Mittel und warnt davor, dass solche Inszenierungen Vertrauen und Ressourcen untergraben. Die Schärfe der Reaktionen ist kein Zufall: Es geht um mehr als um Wortmeldungen, es geht um die Frage, wie das Militär geführt und wie es in der politischen Landschaft verankert werden soll.

Handfeste Kritik richtet sich auch gegen Hegseths Kompetenz und Hintergrund. Der ehemalige TV-Moderator, nun Verteidigungsminister, wird von Gegnern als politischer Aktivist wahrgenommen, nicht als erfahrener Sicherheitsmanager. Wer in öffentliche Ämter ruft, muss mit Kritik rechnen; die Frage ist, ob die Kritik berechtigt ist oder politisch instrumentalisiert wird. In diesem Fall zeigen die Stimmen der Veteranen, dass die Ablehnung nicht allein parteipolitisch motiviert ist: Hier melden sich Menschen zu Wort, die selbst dort gestanden haben, wo Verantwortung für Leben und Sicherheit verlangt wird. Die zentrale Frage bleibt: Will die Führung des Verteidigungsministeriums die Streitkräfte stärken — oder sie politisieren? Hegseths Rede wirkt wie ein Testlauf: Er sondiert, provoziert und definiert Gegnerbilder. Doch das Militär braucht klare, verlässliche Führung, die Expertise respektiert und nicht in Kulturkampf verwandelt. Wenn die Führung nicht mehr neutral agiert, droht die Entgrenzung — und damit ein Verlust an Vertrauen, der weit über einen peinlichen Auftritt hinausgeht.

Die Empörung der Veteranen ist ein klares Signal. Nicht nur, weil sie verletzte Eitelkeiten widerspiegelt, sondern weil sie eine immanente Verteidigungsbereitschaft zeigt: Verteidiger der demokratischen Institutionen warnen davor, diese Institutionen zu instrumentalisieren. Wer das Militär zu einem Werkzeug parteipolitischer Kampagnen macht, riskiert mehr als schlechte PR — er gefährdet die demokratische Legitimität einer Institution, deren Stärke gerade in ihrer überparteilichen Professionalität liegt. Die Stunde in Quantico wird noch lange nachhallen. Die Debatte ist eröffnet: Sollen Generäle und Admiräle zu Kulissen eines Politdramas degradiert werden, oder bleibt das Militär eine Sachinstanz, die jenseits von mediensüchtigen Inszenierungen handelt? Die Veteranen haben geantwortet. Ihre Antwort ist nicht nur empört, sie ist eine Mahnung.

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