Als Steve Witkoff in der Tucker-Carlson-Sendung am 21. März 2025 sagte, er habe Putin gemocht, er sei ihm offen begegnet und er halte ihn nicht für einen schlechten Menschen, hörten viele nur einen schiefen Moment. Man sah einen Geschäftsmann und Sondergesandten, der zu lange im Umfeld eines Präsidenten unterwegs war, der Nähe mit Stärke verwechselt. Doch heute steht dieser Satz mitten im politischen Zentrum. Denn genau dieser Mann sitzt in Genf am Tisch, wenn über die Zukunft der Ukraine verhandelt wird. Er gehört zu jener US-Delegation, die einen Plan neu schreibt, der Europa und der Ukraine seit Tagen den Atem nimmt. Die Frage, die sich aufdrängt, ist so simpel wie bitter: Wie kann jemand vermitteln, der in einem laufenden Krieg offen Sympathie für den Angreifer ausspricht?
Tucker Carlson: Was halten Sie von Putin?
Witkoff: Ich mochte ihn. Ich fand, er war offen und ehrlich zu mir … Ich betrachte ihn nicht als schlechten Menschen.
Die Gespräche in Genf haben gezeigt, dass der ursprüngliche 28-Punkte-Plan tatsächlich überarbeitet wurde. Aus 28 Punkten wurden etwa 19, einige Formulierungen wurden abgeschwächt, einige Forderungen der Ukraine aufgenommen. Doch der Geist des Papiers bleibt spürbar. In Kiew spricht man davon, man müsse immer wieder erklären, was territoriale Integrität bedeutet und warum die eigene Staatlichkeit kein Thema für Deals ist. Der Kreml wiederum behauptet, den überarbeiteten Entwurf nie offiziell erhalten zu haben und verfolgt demonstrativ nur die Schlagzeilen, die über die Gespräche kursieren. Dieses Spiel hat Methode: Russland entscheidet, wann ein Text als Gesprächsbasis gilt – und Washington reagiert, indem es seine Entwürfe weiter anpasst. Trump und Witkoff kannten den Inhalt des ursprünglichen Plans vom ersten Tag an – nichts daran kam für sie überraschend.
Dass Witkoff in diesem Raum sitzt, ist deshalb keine Randnotiz, sondern ein politischer Schock, der merkwürdigerweise kaum jemanden beschäftigt. Seine Worte über Putin hätten eine landesweite Debatte auslösen müssen, besonders weil dieser Satz nicht Jahre zurückliegt, sondern im März dieses Jahres fiel. Ein Mann, der Putin als vertrauenswürdig beschreibt, gestaltet einen Friedensentwurf mit, der von Beginn an als „Verkauf der Ukraine“ kritisiert wurde. Diese Kritik war mehr als berechtigt. Und trotzdem fragt im Kongress niemand öffentlich, wie sich seine persönliche Einschätzung auf seine Arbeit auswirkt, auch wenn viele Republikaner Sturm gegen den Plan liefen. In Europa ist das Schweigen noch lauter. Kein Außenminister, kein Regierungschef hat nach dem Carlson-Interview eine Erklärung verlangt. Man diskutiert Details, man prüft Formulierungen, aber die Grundfrage bleibt unausgesprochen: Wie neutral kann ein Verhandler sein, der mit dieser Haltung in die Gespräche geht?
Dass Tucker Carlson ihm damals eine Bühne bot, passt zu dem Mann, der seit Jahren als eine der prägenden rechten Stimmen in den USA gilt. Carlson vertritt eine Linie, die Einwanderung für gefährlich hält, ausländische Konflikte als Belastung für Amerika betrachtet und Staatenlenker wie Putin eher als strategische Figuren sieht, nicht als Gegner. Seine Formate haben immer wieder Positionen verstärkt, die autoritäre Regime verharmlosen und westliche Bündnisse infrage stellen. Wenn ausgerechnet ein solches Umfeld zum Resonanzraum für Aussagen wird, die ein laufendes Kriegsverhältnis relativieren, sollte jedes Warnsystem anspringen.
Doch Europa hat dieses Warnsignal nicht aufgegriffen. Medienberichte erwähnten Witkoffs Bemerkung zwar vereinzelt, deutlicher wurde jedoch nur der Hinweis, dass er weder diplomatische Erfahrung noch eine neutrale Haltung mitbringt. Was fehlt, ist die größere Frage: Wie konnte die amerikanische Regierung glauben, die Ukraine akzeptiere einen Verhandler, der öffentlich erklärt hat, er halte den Mann, der ihr Land angreift, nicht für schlecht? Und wie kann Europa einen Friedensprozess ernst nehmen, wenn einer der maßgeblichen Architekten ihn mit einer solchen Einstellung betreibt?
In Genf ist zu spüren, dass sich die Gespräche verschieben, weil immer klarer wird, dass Vertrauen fehlt. Die ukrainische Delegation kämpft darum, nicht nur Worte zu ändern, sondern die politische Richtung des Textes. Es geht um den Versuch, aus einem Papier, das als Zugeständnis begann, ein Dokument zu machen, das überhaupt als Grundlage taugt. Und während all das geschieht, bleibt Witkoffs Satz stehen wie ein Signal, das niemand deuten möchte. Er fiel im März, in einem Studio, das rechte Politik seit Jahren normalisiert. Und nun entfalten seine Worte ihre Wirkung dort, wo über Krieg und Frieden entschieden wird. Dass dieser Zusammenhang so wenig Aufmerksamkeit bekommt, ist nicht nur ein Versäumnis. Es ist ein politisches Versagen, das den weiteren Verlauf der Verhandlungen unweigerlich prägen wird. Denn man kann keinen Frieden verhandeln, wenn einer der Beteiligten schon vorher erklärt hat, dass er Putin für vertrauenswürdig hält. Und man kann keinen Prozess ernst nehmen, in dem solche Sätze folgenlos bleiben.
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