Trumps Ruf nach Gefängnis für den Gouverneur von Illinois und Chicagos Bürgermeister

VonRainer Hofmann

Oktober 8, 2025

Donald Trump hat das Amt des Präsidenten endgültig in ein politisches Strafgericht verwandelt. Am Mittwoch forderte er öffentlich die Inhaftierung zweier gewählter Vertreter – des demokratischen Gouverneurs von Illinois, JB Pritzker, und des Bürgermeisters von Chicago, Brandon Johnson. Ihr Vergehen: Sie stellen sich seiner Nationalgarde in den Weg. In der drittgrößten Stadt der Vereinigten Staaten, die längst zum Symbol einer Nation im inneren Belagerungszustand geworden ist, eskaliert der Konflikt zwischen Bund und Bundesstaat zu einem verfassungsrechtlichen Albtraum.

„Sie sollten im Gefängnis sitzen, weil sie unsere ICE-Beamten nicht schützen!“, schrieb Trump auf Truth Social – eine jener digitalen Donnerreden, in denen er seit Jahren seine politischen Feinde zur Zielscheibe macht. Es ist die Sprache eines Mannes, der keine Gewaltenteilung mehr kennt, sondern Loyalität fordert, wie einst ein Monarch. Die Grenzen zwischen Macht und Willkür sind in Washington kaum noch zu erkennen. Der Präsident ruft nach Gefängnissen, während seine Ministerin Kristi Noem die Nationalgarde aus Texas nach Illinois schickt – trotz einer laufenden Klage des Bundesstaats gegen die Entsendung.

In Chicago selbst herrscht eine gespenstische Mischung aus Angst, Trotz und Wut. Dutzende Militärfahrzeuge stehen inzwischen am Stadtrand von Broadview, einem Vorort, in dem ICE-Beamte ein provisorisches Lager errichtet haben. Die offizielle Mission ist unklar, doch was sich hier abzeichnet, geht über reine „Einwanderungskontrolle“ hinaus: Es ist ein politischer Machttest. Die Stadtregierung spricht offen von einem verfassungswidrigen Einsatz. Gouverneur Pritzker kündigte an, den Gerichtsbeschluss abzuwarten und „nicht einen einzigen Zentimeter nachzugeben“.

Der Bürgermeister von Chicago, Brandon Johnson, reagierte auf Trumps Ausbruch mit scharfen Worten: „Dies ist nicht das erste Mal, dass Trump versucht, einen schwarzen Mann zu Unrecht verhaften zu lassen. Ich gehe nirgendwo hin.“ Es ist ein Satz, der die historische Wunde berührt, die in Amerika nie verheilt ist. Trumps Rhetorik, sein Versuch, die Staatsgewalt gegen politische Gegner und Minderheiten zu instrumentalisieren, erinnert fatal an die autoritären Reflexe, vor denen die Verfassung eigentlich schützen soll. Gouverneur Pritzker schrieb auf X, Trump überschreite „eine Linie, die Amerika in Richtung offener Autoritarismus führt“. Und tatsächlich: Der Präsident ruft zur Verhaftung gewählter Volksvertreter auf – während das Justizministerium, das seiner Kontrolle untersteht, parallel strafrechtliche Ermittlungen gegen mehrere prominente Demokraten eingeleitet hat, darunter den kalifornischen Senator Adam Schiff, New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James und den früheren Gouverneur Andrew Cuomo. Alle drei bestreiten die Vorwürfe, sprechen von politisch motivierten Verfahren – und sie haben recht, denn das Muster ist erkennbar: Trump nutzt das Justizministerium, um seine Gegner zu verfolgen, während er sich selbst Immunität zuschreiben lässt.

In Illinois spitzt sich die Lage zu. Erst am Wochenende war eine 30-jährige Frau, Marimar Martinez, von einem Grenzbeamten angeschossen worden. Ihr Anwalt erklärte, Videoaufnahmen zeigten eine völlig andere Szene als die offizielle Darstellung – keine Bedrohung, keine Waffe, nur Panik. Dennoch wurde Martinez angeklagt, ebenso wie Anthony Ruiz, ein 21-jähriger Latino. Beide wurden kurz darauf auf freien Fuß gesetzt. Doch Trumps Kommentar dazu: „Die Richter schützen Kriminelle, nicht unsere Beamten.“ Es ist dieselbe Logik, mit der Autokraten Justiz und Opposition zu einer gemeinsamen Feindkategorie erklären.

Die Fronten in Chicago verlaufen längst quer durch Institutionen. Das Justizministerium schweigt. Das Weiße Haus beschwichtigt. Und der Präsident regiert, als habe er nie aufgehört, Wahlkampf zu führen. „Ich bin eure Vergeltung“, hatte er 2024 angekündigt. Jetzt löst er dieses Versprechen ein – mit juristischen Mitteln, militärischer Präsenz und einer Rhetorik, die jedes Maß verloren hat.

Pritzker, Sohn des Hyatt-Imperiums, Milliardär und zugleich einer der lautstärksten Kritiker Trumps, reagierte mit kaltem Sarkasmus: „Vielleicht sollte der Präsident lieber etwas lesen – außer seinen eigenen Postings.“ Für ihn steht fest, dass Trump den Einsatz der Nationalgarde nicht nur zur Einschüchterung nutzt, sondern als Wahlkampfwaffe: eine kontrollierte Militarisierung, die darauf zielt, demokratische Hochburgen zu destabilisieren und den Wahlprozess 2026 zu beeinflussen. „Er will Angst erzeugen“, sagte Pritzker bereits im August, „weil Angst seine stärkste Währung ist.“

Die Bevölkerung spürt diese Angst. In den Vierteln der South Side sind Patrouillen zu sehen, Menschen filmen gepanzerte Fahrzeuge mit Handys, posten unter Hashtags wie #OccupiedChicago. Doch der Präsident bleibt ungerührt. „Chicago ist ein Höllenloch“, hatte er kürzlich erklärt – obwohl die Kriminalitätsraten in der Stadt laut Statistik so niedrig sind wie seit Jahren nicht. Es ist eine bittere Ironie: Der Mann, der einst „Law and Order“ versprach, ist dabei, das Recht selbst außer Kraft zu setzen. Und während er Gegner zu Feinden erklärt, verschwimmen die Konturen zwischen Polizei und Armee, zwischen Justiz und Machtpolitik.

Vielleicht ist das, was jetzt in Chicago geschieht, ein Wendepunkt – oder der endgültige Beweis, dass die USA im Jahr 2025 ein Land sind, in dem die Demokratie durch eine Diktatur ersetzt wird. Wenn ein Präsident ungestraft fordern kann, dass gewählte Vertreter hinter Gitter kommen, dann ist der Weg, den JB Pritzker so treffend beschrieb, längst beschritten: der Weg „zum voll entwickelten Autoritarismus“.

Doch der Widerstand steht, und er wächst. In den Worten Brandon Johnsons: „Ich gehe nirgendwo hin.“ Es ist ein Satz, der mehr Mut enthält als alle Gesetze, die in Washington noch geschrieben werden. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum Trump ihn fürchtet.

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Ela Gatto
Ela Gatto
18 Stunden zuvor

Die Faschisten haben ihre Masken (bis auf ICE) endgültig fallen gelassen.
Unverholen gehen sie den Weg zum Autäritismus.

Anklagen und Verhaftungen politischer Gegner… das kennt man aus Russland, Belarus, China, Türkei (in Nord Korea gibt es erst gar keinen Widerstand mehr) und leider auch aus Ungarn.

Nun reiht sich die USA auch ein.
Es sind Nicht nur diese Rufe nach Haft.
Es sind die tatsächlichen Angriffe, Anklagen und Verhaftungen mit fadenscheinigen Gründen.
Der schwarze Abgeordnete, der mit einer Gruppe anderer Abgeordneter ein Detention Center in New Jersey inspizieren wollte (was das gute Recht der Abgeordneten ist), die lateinamerikanische Abgeordnete, die in Los Angeles verhaftet wurde.
Der schwarze Abgeordnete der bei einem offiziellen Regierungsmeeting abgeführt wurde, obwohl er sich ausgewiesen hat.

Die Liste ist sicher noch viel länger.

Daher verstehe ich die Mitglieder der Nationalgarde, der Polizei, des Militärs nicht, die als Minderheiten, Frauen oder People of color neben Faschisten marschieren und ihre eigenen, schwer erkämpften, Rechte ausradieren.

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