Trumps eiserner Apparat – Wie die ICE zur Abschiebungsmaschine umgebaut wird

VonRainer Hofmann

Mai 29, 2025

Es beginnt mit einer Personalentscheidung, doch sie steht für weit mehr als bloßen Verwaltungsumbau. Die US-Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE), Herzstück von Donald Trumps massiver Abschiebungspolitik, wird tiefgreifend umstrukturiert – und die neuen Köpfe sprechen eine deutliche Sprache. Wer künftig diesen Apparat steuert, soll nicht verwalten, sondern vollstrecken. Nicht bremsen, sondern beschleunigen.

Am Dienstag trat die Behörde mit einer lapidaren Pressemitteilung an die Öffentlichkeit: Führungswechsel in gleich mehreren zentralen Bereichen – insbesondere dort, wo es um das Aufspüren, Festnehmen und Abschieben von Menschen geht, denen laut Regierung kein rechtmäßiger Aufenthalt mehr zusteht. Auch in der Ermittlungsabteilung Homeland Security Investigations (HSI) wurden Schaltstellen neu besetzt.

Kenneth Genalo, bislang kommissarischer Leiter der Enforcement and Removal Operations (ERO), geht in den Ruhestand – wird jedoch weiterhin als „Special Government Employee“ für ICE tätig bleiben, eine Form staatlich bezahlter Beraterfunktion mit Zugang zur Innenarchitektur der Behörde. Robert Hammer, der kommissarische Leiter der Ermittlungen, wird an anderer Stelle innerhalb der ICE-Zentrale verwendet. Nachrücken sollen nun Marcos Charles an der Spitze der ERO und Derek Gordon bei HSI. Zwei Männer, die laut internen Quellen als „robuste Durchsetzer“ gelten – weniger Verwaltung, mehr Umsetzung.

Offiziell heißt es, diese Veränderungen dienten dazu, das Mandat von Präsident Trump und des amerikanischen Volkes umzusetzen – kriminelle illegale Ausländer zu verhaften und abzuschieben und amerikanische Gemeinden sicher zu machen.“ Eine Sprache, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt. Doch es geht um mehr als Worte.

Stephen Miller, Architekt der härtesten Einwanderungspolitik der Trump-Ära und inzwischen stellvertretender Stabschef im Weißen Haus, hatte den Ton bereits Anfang der Woche vorgegeben. In einem Fernsehauftritt auf Fox News verkündete er unverblümt das Ziel: 3.000 Festnahmen täglich. Das sei nur der Anfang, Trump wolle, so Miller, diese Zahl mit jedem Tag steigern.

Ein Blick auf die Realität zeigt, was das bedeutet. Zwischen dem 20. Januar, Trumps Amtseinführung, und dem 19. Mai wurden 78.155 Personen festgenommen. Das entspricht einem Schnitt von etwa 656 Festnahmen pro Tag, die neue Zielmarke läge also bei fast dem Fünffachen.

Was nach bloßer Statistik klingt, bedeutet in der Praxis: mehr Durchsuchungen, mehr Hausrazzien, mehr Gefangenenkonvois, mehr Flüge ins Ungewisse. Doch ICE stößt bereits jetzt an seine Kapazitätsgrenzen. Die Zahl der sogenannten Enforcement and Removal Officers, also der Beamten, die Menschen ohne legalen Status aufspüren, verhaften und abschieben sollen, ist seit Jahren nicht gestiegen. Ebenso fehlt es an Haftplätzen – und an Flugzeugen, die groß genug wären, um die geplanten Massenrückführungen logistisch überhaupt durchzuführen.

Deshalb plant die Trump-Regierung eine neue Eskalationsstufe: ein milliardenschweres Paket im Kongress, das die Einwanderungsbehörde aufrüsten soll – personell, technisch, operativ. Der Plan sieht vor, jährlich 1 Million Menschen abzuschieben und zeitgleich 100.000 in Abschiebehaft zu nehmen. Zehntausend neue ICE-Beamte und Ermittler sollen rekrutiert werden. Das ist nicht mehr Verwaltung – das ist industrielle Migrationskontrolle.

All das erinnert in seiner Anlage an einen Apparat, der nicht mehr differenziert, sondern abarbeitet. Eine Maschine, die nicht fragt, sondern ausführt. Und deren Legitimationsgrundlage in einer politischen Rhetorik liegt, die längst keine Grenzen mehr kennt zwischen Recht und Repression. Die Unterscheidung zwischen „illegal“ und „kriminell“ verschwimmt, bis jeder, der ohne Papiere ist, zur Gefahr erklärt wird.

Man darf sich nicht täuschen: Diese strukturellen Umbauten, diese neuen Zahlenziele, diese Personalrotationen – sie sind keine isolierten Maßnahmen. Sie sind Teil eines Gesamtbilds. Einer Strategie, die auf Kontrolle setzt statt auf Integration. Auf Furcht statt auf Gerechtigkeit. Und auf Geschwindigkeit statt auf Verfassungsprinzipien.

Wer das Krome Detention Center in Miami kennt – jenen Ort, an dem Menschen seit Jahren auf ihre Abschiebung warten, manchmal Monate, manchmal Jahre –, der weiß, was es bedeutet, wenn draußen Kerzen brennen und drinnen das Licht nicht ausgehen darf. Am 24. Mai, nur Tage vor der Umstrukturierung, hielten dort Angehörige eine Mahnwache ab – für die Toten in ICE-Gewahrsam und für jene, die bald folgen könnten.

Es ist ein stilles Bild. Aber es sagt alles.

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