Trump, der Shutdown, die Drohung mit Massenentlassungen und Nazi-Methoden

VonRainer Hofmann

Oktober 2, 2025

Es ist der zweite Tag des Regierungsstillstands in Washington, und Donald Trump inszeniert ihn wie ein Machtinstrument. Wo frühere Präsidenten in solchen Momenten den Schaden für die öffentliche Verwaltung kleinzuhalten versuchten, nutzt Trump den Shutdown, um Drohungen auszusprechen, Gegner einzuschüchtern und das Staatsgefüge nach seinen eigenen Vorstellungen zu formen. Statt die rund 750.000 Bundesangestellten lediglich in den Zwangsurlaub zu schicken, wie es in früheren Haushaltskrisen üblich war, lässt das Weiße Haus durch seine Sprecherin Karoline Leavitt verkünden, dass „Entlassungen unmittelbar bevorstehen“.

Die Härte dieser Worte war kein Zufall, sondern Kalkül. Nur wenige Stunden zuvor hatte das Office of Management and Budget bekanntgegeben, Infrastrukturprojekte im Wert von rund 18 Milliarden Dollar auf Eis zu legen – darunter den Ausbau des New Yorker U-Bahn-Systems und den Hudson-Tunnel, ausgerechnet in der Heimatregion der führenden Demokraten im Kongress. Es ist ein Schlag, der Symbolcharakter hat: Nicht anonyme Haushaltszahlen, sondern sichtbare Lebensadern demokratisch regierter Städte sollen im Zuge des Shutdowns getroffen werden. Die Eskalation in diesem frühen Stadium bestätigt die Befürchtungen vieler Abgeordneter und Haushaltsexperten, dass Trump den Ausfall staatlicher Mittel nicht als Betriebsunfall betrachtet, sondern als Hebel, um das Parlament zu entmachten. Wer sich dem Präsidenten entgegenstellt, soll den Preis in Arbeitsplätzen, Investitionen und öffentlicher Infrastruktur bezahlen. Der Shutdown wird so zur Bühne einer autoritären Versuchsanordnung, bei der das Gleichgewicht zwischen Legislative und Exekutive systematisch verschoben wird.

Doch nicht nur in den Haushaltsentscheidungen zeigt sich der Tabubruch. Demokraten im Kongress sehen bereits klare Verstöße gegen geltendes Recht. Robert Garcia, ranghöchstes demokratisches Mitglied im Aufsichtsausschuss des Repräsentantenhauses, wandte sich mit einem Brief an das Office of Special Counsel und warf der Regierung „offensichtliche Verstöße gegen den Hatch Act und den illegalen Einsatz staatlicher Ressourcen zur Förderung einer falschen, parteipolitischen Agenda“ vor. In den vergangenen Tagen hätten mehrere Bundesbehörden über ihre offiziellen Kanäle Botschaften verbreitet, die die Verantwortung für den Stillstand ausschließlich den Demokraten zuschrieben. Social-Media-Beiträge von Kabinettsmitgliedern, aber auch Hinweise auf den Websites von Ministerien, seien gezielt genutzt worden, um ein parteipolitisches Narrativ in die Öffentlichkeit zu drücken – ein Vorgehen, das nach US-Recht streng untersagt ist.

Garcia fordert eine sofortige Untersuchung. Selbst wenn die Behörde derzeit von einem Trump-nahen Interimsbeamten geführt wird, soll ein offizielles Verfahren Klarheit schaffen. Für die Demokraten geht es dabei um mehr als um den aktuellen Shutdown: Es ist der Versuch, die Prinzipien des Staatsdienstes gegen die Vereinnahmung durch Parteipolitik zu verteidigen. Jeder weitere Präzedenzfall könnte den ohnehin erodierenden Unterschied zwischen neutraler Verwaltung und parteilicher Propaganda vollends beseitigen.

Doch während sich Juristen und Abgeordnete über die Rechtslage beugen, inszeniert Trump die Krise auf eine Weise, die kaum weniger skandalös wirkt: mit einer orchestrierten Kampagne aus künstlich erzeugten Memes und Spottvideos. Der Auftakt war ein KI-generiertes Video, in dem der demokratische Fraktionschef Hakeem Jeffries mit Sombrero und Mariachi-Musik unterlegt wurde – eine groteske Karikatur, die Jeffries einen erfundenen Wutausbruch in den Mund legt. Was zunächst wie ein Ausrutscher wirkte, wurde schnell zur Linie.

Das sind keine Witze mehr, das ist die Rückkehr zu 1934

„Die Sombreros werden bleiben, bis die Regierung wieder öffnet“, erklärte Kaelan Dorr, stellvertretender Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, offen auf X. Später griff der offizielle GOP-Account die Vorlage auf, ebenso wie Senator Ted Cruz, der gleich mehrere Variationen des Motivs veröffentlichte. In seinem Beitrag, untermalt mit einer verzerrten Version des Latino-Hits „Macarena“ aus den 1990er Jahren, zeigte er demokratische Senatoren mit aufgesetzten Sombreros und Schnurrbärten – versehen mit der zynischen Botschaft, man werde das Posten der Memes fortsetzen, bis die Demokraten nachgäben.

Das sind keine Witze mehr, das ist die Rückkehr zu 1934

Für viele Beobachter mag dies wie bloße Provokation wirken. Doch für die größten hispanischen Interessenvertretungen im Land war es ein gezielter Angriff. In einer gemeinsamen Stellungnahme verurteilten Organisationen wie die Hispanic Federation, Mi Familia Vota, UnidosUs und Voto Latino das Vorgehen als „verantwortungslos, verwerflich und unterhalb der Würde des Präsidentenamtes“. Der Einsatz von KI, um rassistische Stereotype zu verstärken, sei nicht nur fahrlässig, sondern ein bewusster Versuch, eine ohnehin marginalisierte Community in einem Moment höchster politischer Anspannung weiter zu stigmatisieren.

Diese Form der Desinformation, die sich mit rassistischen Codes paart, zeigt, wie der Präsident das Terrain des Shutdowns als Experimentierfeld nutzt: Institutionen untergraben, staatliche Neutralität zerstören, Minderheiten ins Visier nehmen und gleichzeitig jede Grenze zwischen Regierungsarbeit und Wahlkampftaktik einreißen. So präsentiert sich der zweite Tag des Shutdowns nicht als technische Krise des Haushalts, sondern als politisches Labor einer neuen Ära. Entlassungsdrohungen, die Beschneidung öffentlicher Infrastruktur, juristisch fragwürdige Regierungsbotschaften und die Entwürdigung einer ganzen Bevölkerungsgruppe durch inszenierte Memes – all das fügt sich zu einem Bild zusammen, das weit über das Tagesgeschäft hinausgeht.

Der Shutdown, in früheren Jahrzehnten als Störung einer ansonsten stabilen Ordnung betrachtet, ist in Trumps Händen zu einem Instrument politischer Kriegsführung geworden. Und während Millionen Amerikaner verunsichert auf ihre Gehaltszettel, ihre U-Bahn-Baustellen oder ihre sozialen Medien blicken, stellt sich die eigentliche Frage: Ob das Land erkennt, dass hier nicht nur um Geld gestritten wird, sondern um das Fundament der Demokratie selbst.

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Sigurd Sigurdsson
Sigurd Sigurdsson
2 Stunden zuvor

Der Buergerkrieg hat schon begonnen!

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