Es gibt Sätze, die für sich allein schon ein Gewicht tragen. Nebeneinander gelegt, ergeben sie ein Bild – von dem, was die USA aktuell ist, ein Land, das aus dem Verstand geraten ist. JD Vance sagt, Deutschland töte sich selbst. Es nehme Millionen auf, die nicht hierher gehörten, aus Kulturen, die mit unserer nicht zu vereinbaren seien. Es sind faschistische Worte, Dinge, die Vance nichts angehen. Migration ist für Vance ein Feind, den man stellen muss, den man abwehren muss. Der Satz fügt sich ein in eine Sprache, die in Amerika zum Alltag vieler gehört.
In Florida gibt es ein Gesetz. Es erlaubt einem, mit dem Auto in eine Menschenmenge, zum Beispiel Demonstranten zu fahren, wenn man sich umzingelt fühlt. Nicht in einer Ausnahmesituation, die kaum je eintritt. Sondern als Recht, das man hat. Der Staat sagt damit: Entscheide du. Entscheide, Gewalt wird zu einer Möglichkeit, die man wählen kann. Ron DeSantis Erklärung ist billig, „Niemand müsse dasitzen wie eine wehrlose Zielscheibe“. In Florida, sagt er, habe man das Recht, sich zu verteidigen. Aber wogegen? Gegen Menschen, die für Demokratie demonstrieren? Was für eine Logik. Entscheide in Sekunden über das Leben anderer, ohne dass jemand dir nachträglich sagen kann, du habest falsch entschieden.
DeSantis: „Du musst dort nicht einfach sitzen und eine sitzende Ente sein. Und du musst nicht zulassen, dass ein Mob dich aus deinem Auto zerrt und durch die Straßen schleift. In Florida hast du das Recht, dich zu VERTEIDIGEN.“
Und über allem liegt etwas, das keine Politik mehr ist, sondern fanatischer Glaube. Paula White, die spirituelle Beraterin, Leiterin des Glaubensbüros Trumps, sagt: Wer Nein zu Trump sagt, sagt Nein zu Gott. Das ist keine Übertreibung, das ist schlicht krank. Terror wird zur heiligen Sache. Widerspruch ist nicht mehr legitim, er ist Sünde. Der Präsident steht nicht mehr unter der Kritik der Menschen, er steht darüber, weil er unter Gott steht.
Trumps spirituelle Beraterin Paula White: „Nein zum Präsidenten Trump zu sagen hieße, Nein zu Gott zu sagen.“
Trump selbst muss nichts davon aussprechen. Andere tun es für ihn. Seine Person wird zum Maßstab dessen, was richtig ist. Seine Entscheidungen werden zur moralischen Pflicht. Wer ihm folgt, ist auf der richtigen Seite. Wer widerspricht, hat sich selbst ausgeschlossen.
Bilder aus einer ICE-Haftanstalt zeigen, warum diese Menschen Hilfe brauchen – und wie unmenschlich das System in den USA geworden ist. Grelles Licht, fehlende Privatsphäre, Menschen hinter Gittern ohne Verurteilung, oft krank, erschöpft, entwürdigt. Das ist staatlich organisierte Abschreckung. Wer diese Bilder sieht, versteht: Es geht nicht um Ordnung, es geht um Härte als Botschaft.
Träumt Höcke nicht seit Jahren genau von solchen Abschiebehaftanstalten – offen, unverblümt, spätestens seit 2018? Was in den USA Realität ist, wird von der AFD als Zukunftsentwurf gehandelt. Die Bilder sind deshalb mehr als Dokumentation. Sie sind eine Warnung, wohin Politik führt, wenn Entmenschlichung zum Mittel und Grausamkeit zur Methode wird, man sich nicht dagegen wehrt.
Ein aktuelles Beispiel: In einem abgelegenen Teil von Arkansas versucht eine kleine Gruppe junger weißer Nationalisten, etwas zu errichten, das sie für dauerhaft halten. Das Projekt trägt den Namen „Return to the Land“. Gemeint ist eine private Gemeinschaft, offen nur für Menschen mit sogenanntem europäischem Erbe. Der Anspruch ist eindeutig. Die Umsetzung ist es nicht.
„Reiner Rassismus – wer das unterstützt, sollte sein Gewissen prüfen. Wir haben 2025, und diese Bigotterie ist widerwärtig. Zu viele haben für Zusammenhalt gekämpft und ihr Leben gelassen.“ (Pastor Jordan Wells, 12. November 2025)
Der Anführer der Gruppe, Eric Orwoll, wird gefragt, wer dort leben darf. Eine einfache Frage, scheinbar. Zunächst wirkt er sicher. Europäer, sagt er. Dann wird nachgehakt. Griechen. Ja, europäisch. Menschen aus dem Kaukasus. Nein, nicht europäisch. Der Interviewer erinnert daran, dass der Begriff „weiß“ historisch genau dort verortet wurde. Orwoll zögert. Er beginnt über frühere Verwendungen des Begriffs zu sprechen, über rechtliche Definitionen, über Geschichte. Am Ende räumt er ein, dass Italiener und Iren aus juristischen Gründen immer als weiß gegolten hätten. Die Gewissheit ist da längst verschwunden.

Später spricht Orwoll über den Aufnahmeprozess. Manchmal, sagt er, verlaufe alles problemlos. Und dann falle im Gespräch ein Satz, fast nebenbei: die Ehefrau sei Kolumbianerin. Das passe nicht zu den Werten der Gemeinschaft. Der Interviewer fragt weiter. Was, wenn die Kolumbianerin vollständig spanischer Abstammung sei. Orwoll denkt nach. Dann sagt er: Dann sei es wohl in Ordnung. Ein Mann, der einen ausschließlich weißen Ort errichten will, kann nicht sagen, wer dazugehört. Er entscheidet von Fall zu Fall. Genau so, wie es in den Vereinigten Staaten immer war.

Das Büro des republikanischen Generalstaatsanwalts von Arkansas, Tim Griffin, hat in einer vorläufigen Prüfung keine Hinweise darauf gefunden, dass Return to the Land, eine ausschließlich Weißen vorbehaltene private Mitgliedervereinigung in den Ozarks, gegen geltendes Recht verstößt.
Griffin hatte zuvor angedeutet, die Gemeinschaft betreibe eine „rassistische Diskriminierung“ gegenüber Nicht-Weißen. Anfragen an sein Büro blieben unbeantwortet. Wir hätten gerne erfahren, wie sein Sinneswandel zustande kam.
Der Begriff, auf den sich Orwoll und seine Mitstreiter berufen, stammt nicht aus Biologie oder Genetik, sondern aus einem ästhetischen Urteil des späten 18. Jahrhunderts. Der deutsche Anatom Johann Friedrich Blumenbach prägte ihn, nachdem er Schädel aus aller Welt verglichen hatte. Europäer nannte er „kaukasisch“, weil er den Schädel einer Frau aus Georgien für besonders schön hielt. Daraus entwickelte er eine Ordnung der Menschheit, die er selbst später als willkürlich bezeichnete. Die Unterschiede seien fließend, schrieb er. Klare Grenzen gebe es nicht. Der Begriff überlebte trotzdem. Er wanderte aus der Anatomie in Gerichte, in Gesetzestexte, in Einwanderungsbehörden. Und dort wurde er brauchbar.
Die Berge des Kaukasus liegen in Zentralasien. Die Menschen, die dort leben – Armenier, Georgier, Aserbaidschaner, Tschetschenen – würden in Orwolls Siedlung nicht akzeptiert. Der Begriff, auf den er sich beruft, schließt genau jene aus, denen er seinen Namen verdankt. Diese Widersprüche sind kein Fehler. Sie sind das System. Im 19. Jahrhundert galten irische Einwanderer in den USA als minderwertig. Karikaturen stellten sie als tierähnlich dar. Arbeitsanzeigen schlossen sie offen aus. Rechtlich waren sie weiß, gesellschaftlich nicht. Sie durften Bürger werden, aber sie galten als Problem. Erst als sie sich vom schwarzen Teil der Bevölkerung abgrenzten und politisch nützlich wurden, änderte sich ihr Status. Italienische Einwanderer erlebten Ähnliches. In den Südstaaten wurden sie auf dieselben Arbeitsplätze gedrängt wie schwarze Arbeiter. Ihre Zugehörigkeit wurde öffentlich infrage gestellt. 1891 wurden elf von ihnen in New Orleans gelyncht, nachdem sie freigesprochen worden waren. Die Reaktion vieler Zeitungen war zurückhaltend. Manche stellten offen die Frage, ob diese Männer denselben Schutz verdient hätten wie andere Weiße.
„Man muss sich dafür, weiß zu sein, nicht mehr entschuldigen.“
Weißsein war kein Zustand. Es war ein Ergebnis. Nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete sich der Zugang zu Vororten, zu staatlich geförderten Krediten, zu Schulen. Schwarze Veteranen blieben ausgeschlossen. Die Kinder der Iren und Italiener zogen ein. So wurde Zugehörigkeit hergestellt. Nicht durch Herkunft, sondern durch Position. Die Absurdität dieses Systems zeigt sich besonders deutlich in der sogenannten Ein-Tropfen-Regel. Ein einziger Vorfahre afrikanischer Herkunft reichte aus, um jemanden rechtlich als schwarz einzuordnen. Das Gesetz in Virginia von 1924 verlangte völlige Reinheit. Eine Ausnahme gab es. Nachfahren von Pocahontas. Zu viele einflussreiche Familien hätten sich sonst selbst ausgeschlossen. Reinheit war verhandelbar, wenn sie die Richtigen traf.

Viele Menschen, Journalisten und Organisationen kämpfen gegen den Rassimus in Amerika – In den Medien sind sie Schatten, auf der Strasse die letzte Bastion.
Gerichte machten daraus ein Schauspiel. Zeugenaussagen wurden anhand von Haaren bewertet. Menschen verloren ihr Recht zu sprechen, weil ein Experte eine Locke als Beweis deutete. Das Urteil hing nicht von Tat oder Schuld ab, sondern von Zuschreibungen, die jederzeit kippen konnten. Zurück nach Arkansas. Dort soll nun etwas Dauerhaftes entstehen. Eine Gemeinschaft, die ihren Kindern erklären will, woher sie kommen und warum sie dazugehören. Doch das Fundament besteht aus Begriffen, die nie stabil waren. Die Deutschen, die Benjamin Franklin einst als dunkelhäutig und unpassend bezeichnete, gelten heute als Inbegriff weißer Normalität. Juden, die noch im frühen 20. Jahrhundert als fremd galten, wurden erst zu „weißen Ethnien“ und dann einfach zu Weißen. Finnen wurden 1908 in einem Gericht in Minnesota als mongolisch eingeordnet. Heute tauchen sie in keiner Statistik mehr gesondert auf.
Wer dazugehört, war nie eine Frage der Herkunft. Es war immer eine Frage der Ordnung. Die Menschen von „Return to the Land“ glauben, sie errichten etwas Beständiges. In Wahrheit bauen sie auf einem Begriff, der sich mit jeder Generation verschoben hat. Die Grenzen, die sie heute ziehen, werden morgen erklärt, relativiert oder verworfen werden. Nicht, weil sich Gene ändern, sondern weil sich Machtverhältnisse ändern.
Wer in diesem Projekt nur eine Ausnahmeerscheinung sieht, übersieht die Geschichte dahinter. Es geht nicht um Arkansas. Es geht um ein Land, das seine Kategorien immer wieder neu erfindet – und jedes Mal behauptet, sie seien naturgegeben. Und genau deshalb scheitert die Frage „Wer ist weiß?“ jedes Mal aufs Neue. Was entsteht, wenn man das zusammennimmt? Ein Klima, das die schlimmsten vergangenen Tage wiederbelebt. In dem der Bürger nicht vor Gewalt geschützt wird, sondern selbst zu ihrem Krieger werden soll. In dem Migration nicht mehr als Problem erscheint, das man lösen muss, sondern als Bedrohung, die Härte rechtfertigt. Und Härte wird nicht mehr als etwas Schweres begriffen, das man nur dann anwendet, wenn nichts anderes bleibt, sondern als gute Tugend, die man zeigen soll. Und religiöse Sprache beseitigt die letzte Schranke, weil sie Zweifel unmoralisch macht.
„Kreativer und gewaltloser Widerstand vom 25. Dezember 2025 ist der richtige Weg“
Das ist kein Zufall, sondern eine Linie. Sprache öffnet Gesetze. Gesetze formen Verhalten. Verhalten definiert Normalität. Wer jedes Element einzeln liest, sieht nichts. Wer es zusammennimmt, sieht die Entwicklung. Die Entwicklung geht weiter und hat einen Namen: Donald Trump. Aber auch der Kampf, die Hilfe und die Aufklärung gehen weiter – dafür braucht es keinen Namen.
Fortsetzung folgt …
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