Es war ein Einstand mit Ansage – und mit Algorithmus. Kaum hatte sich US-Vizepräsident JD Vance am 18. Juni 2025 in die zart programmierte Welt von Bluesky eingeloggt, schon hatte er es geschafft: Innerhalb weniger Tage wurde er zur meistgeblockten Person in der Geschichte des Netzwerks. Mehr als 111.000 Menschen klickten kollektiv auf „Blockieren“. Und das ist mehr als nur ein digitales Schulterzucken. Das ist politische Poetik im postmodernen Stil: ein Schweigekanon gegen die Lauten. Bluesky, jenes Netzwerk mit der Seele eines besseren Internets, war einst der Gegenentwurf zu Elon Musks X – ein Ort für linke Memes, queere Lebensfreude und Moderation mit Haltung. Seit dem Wahlsieg von Donald Trump 2024 ist Bluesky für viele eine Art digitale Diaspora – die letzte Bastion der Ironie vor dem Ernst der neuen Zeit. Zwischen Memewar und Müsli-Sarkasmus suchten die Nutzer:innen vor allem eins: Ruhe vor dem Kulturkampf. Und dann kam Vance.
„Ich freue mich auf sachliche Diskussionen mit euch allen“, schrieb er in seinem ersten Post – ein Satz wie aus einem KI-Handbuch für Politiker. Doch es blieb nicht bei der gespielten Harmlosigkeit. Schon im zweiten Beitrag lobte Vance das Urteil des Supreme Court, das Transkindern in Tennessee den Zugang zu medizinischer Behandlung verweigert. Er nannte Clarence Thomas’ Meinung dazu „erhellend“ und fabulierte über „Big Pharma“, das angeblich „Wissenschaftler bezahlt, um Medikamente Kindern aufzuzwingen“. Der Text war eine Mischung aus Verschwörung, Herablassung und politischer Nebelkerze – und das Publikum reagierte mit dem stärksten Ausdruck digitaler Meinungsäußerung: dem Block-Button. Innerhalb von zwölf Minuten war Vances Konto zunächst gesperrt – der Algorithmus hatte ihn fälschlich für einen Bot gehalten, der sich selbst parodiert. Kurze Zeit später wurde das Konto freigegeben und verifiziert. Aber da war es schon zu spät. Die Lawine war losgetreten. Und sie bestand nicht aus Likes.
Der Rekordblock entthronte sogar Jesse Singal, jenen Journalisten, der einst als personifizierte Debattenmüdigkeit galt. Vance übertraf ihn mühelos – was vielleicht weniger über dessen Popularität als vielmehr über die Wandlungsfähigkeit von Social Media sagt. Wer in der Welt von X mit Applaus empfangen wird, trifft auf Bluesky auf den Widerhall einer digitalen Tür, die ins Schloss fällt. Es ist ein Phänomen der Gegenwart: Die gleichen Worte, die auf Truth Social beklatscht werden, lösen anderswo Schamreflexe aus. JD Vance betrat Bluesky wie ein Mann, der sich in ein veganes Café setzt, um Fleischrezepte zu rezitieren. Es war nicht die falsche Meinung, es war der falsche Raum. Was bleibt, ist ein PR-Desaster im Mikroformat. Ein Politiker, der soziale Medien als Bühne für strategisches Bürgernähe-Theater begreift – und plötzlich vor leerem Haus spielt. Ob Vance auf Bluesky bleibt, ist ungewiss. Vielleicht kehrt er zu X zurück, wo sein Publikum größer, seine Sprache willkommener ist. Vielleicht gründet er eine eigene Plattform – nennen wir sie „CommonSense.ly“ – auf der niemand blockiert, weil niemand da ist. In jedem Fall hat JD Vance etwas erreicht, was nur wenigen gelingt: Er ist viral gegangen, ohne geteilt zu werden. Ein digitaler Alleingang, der zeigt, wie sich politische Kommunikation und öffentliche Ablehnung heute in Echtzeit messen lassen – nicht in Applaus, sondern im kollektiven Wegsehen.

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es gibt doch noch Lichtpunkte im Internet! 🤗
ganz lieben dank
Da habe ich mich natürlich auch gleich beteiligt 😁.
Bin noch nicht so bewandert in Bluesky, kann man hier auch Beiträge teilen und wenn ja, wie?
vielen dank – einfach hier auf den bluesky-button gehen und teilen