Raketen über Rüdesheimer Platz – Die Hauptstadt zielt daneben

VonRainer Hofmann

Juli 6, 2025

Es ist Hochsommer in Berlin. Der Asphalt flimmert, die Tram steht, und in Pankow trocknet der letzte Trinkbrunnen wie ein Symbol für die politische Fantasie dieser Stadt. Die Lösung? Ein Raketenabwehrsystem. Während Sirenen fehlen, Schulen verfallen und Bürgerämter seit 2019 offline sind, träumt die CDU vom „Iron Dome für Berlin“. Ernsthaft. Die Hauptstadt will sich abschirmen – nicht vor Bürokratie, sondern vor Hyperschall. Dirk Stettner, CDU-Fraktionschef und Hobbystratege, schlägt vor, ein israelisches Kurzstreckenraketenabwehrsystem zu importieren – nicht als Metapher, sondern als Hardware. Seine Fraktion plant sogar eine Reise nach Tel Aviv. Vielleicht um dort zu lernen, wie man Dinge umsetzt. Oder zumindest, wie man so tut. In Berlin aber gibt es kein Frühwarnsystem, sondern Frühverdruss. Und falls die Russen wirklich kommen, ist die größte Sorge des Senats vermutlich, dass sie unangemeldet erscheinen.

Die Technik des „Iron Dome“ ist übrigens für Raketen gebaut, nicht für Realitäten. Hyperschall? Lacht sich tot. Zieldaten? In Berlin meist nicht verfügbar. Schon der Paketbote gibt auf, wenn der Fahrstuhl streikt. Aber die CDU sieht das anders: Während Rentnerinnen in Lichtenberg im Dunkeln stürzen, sollen bald Abfangraketen im Himmel über Moabit kreisen. Der Feind könnte überall lauern – außer natürlich im Bundeshaushalt. Gleichzeitig verkündet die Stadt, dass es wegen Haushaltslöchern keine neuen Trinkbrunnen gibt. Die Menschen sollen bitte Wasser mitbringen. Oder hoffen, dass der Iron Dome irgendwann auch gegen Dehydrierung schützt. Berlin ist eben eine Stadt mit Visionen – solange niemand fragt, wer sie bezahlt. Der letzte funktionierende Schutzraum steht in einem Partykeller in Neukölln und ist derzeit als Airbnb gelistet.

„Moderne Sicherheit“ heißt das Zauberwort. Doch was schützt uns wirklich? Ein Abfangsystem aus Israel oder ein funktionierendes Katastrophenmanagement? Ein Schild aus Metall oder eins aus sozialem Zusammenhalt? Und wer gibt der Stadt eigentlich den Hinweis, dass der nächste Angriff nicht mit Raketen, sondern mit Hitzewellen, Stromausfällen und politischer Beliebigkeit kommt?
Fazit: Der Berliner Iron Dome ist wie die Verwaltung – teuer, lückenhaft, symbolisch überladen. Er schützt vor allem eines: vor dem Eingeständnis, dass man zu lange nichts getan hat. Vielleicht sollte man statt Raketen einfach erst mal die Sirenen reaktivieren. Oder noch besser: die Vernunft.

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