Es gibt Momente, in denen sich Macht unbeabsichtigt selbst entlarvt. Einer dieser Momente ereignete sich während der Anhörung am 7. Oktober 2025 vor dem Justizausschuss des Senats, als Reuters-Fotograf Jonathan Ernst ein unscheinbares, aber entlarvendes Foto machte: Attorney General Pam Bondi, Trumps kompromisslose Justizministerin, hält eine manilafarbene Mappe in der Hand – prall gefüllt mit vorbereiteten Angriffen auf ihre politischen Gegner. Auf der Mappe kleben Ausdrucke von Tweets des demokratischen Senators Sheldon Whitehouse, darunter der Satz: „Kein Regierungsbeamter sollte über dem Gesetz stehen.“ Eine Aussage, die eigentlich wie gemacht wäre für eine Ministerin, deren eigenes Haus unter Verdacht steht, Ermittlungsakten zu Jeffrey Epstein zurückgehalten zu haben. Doch statt sie zu bekräftigen, nutzte Bondi sie offenbar als Vorlage für eine Retourkutsche. Darunter stehen handschriftliche Stichworte, scharf wie Klingen: „Sie geben sich als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit aus, aber …“ – „Sie führen eine Scheinuntersuchung durch.“… Es sind keine Notizen einer unabhängigen Juristin, sondern die Zeilen einer Spin-Doktorin, die weiß, wann der Dolch zu sitzen hat.

Und dann ist da dieser eine Satz, oval eingerahmt, fast liebevoll umkreist: „Epstein – Did you take $ from Reid Hoffman???“ Das ist kein juristisches Argument, sondern eine politische Handgranate. Hoffman, Milliardär und LinkedIn-Gründer, gilt als einer der lautesten Unterstützer demokratischer Kampagnen. Ihn im selben Atemzug mit Epstein zu nennen, ist keine Frage – es ist eine Methode. Was dieses Foto zeigt, ist mehr als eine Unachtsamkeit. Es zeigt, wie sehr das Justizministerium unter Bondi zur Bühne politischer Theaterregie geworden ist. Keine spontane Verteidigung, keine improvisierte Argumentation – alles war vorab kalkuliert, auf Angriff gestellt, auf den Moment, in dem die Kameras aufblitzen.
Die Handschrift auf der Mappe verrät eine doppelte Agenda: rhetorisch sauber, moralisch schmutzig. Da steht: „If questioned, hammer ‘safety’.“ – „Falls du darauf angesprochen wirst, betone das Thema Sicherheit.“ Das ist die Sprache der Spin Rooms, nicht der Rechtsstaatlichkeit. Sie klingt nach einem White-House-Kommunikationsbriefing, nicht nach dem Eid einer Justizministerin.
Während die Ministerin im Saal also über „Transparenz“ sprach, lag die wahre Transparenz vor ihr auf dem Tisch. Das Justizministerium, das einst das Symbol unabhängiger Rechtsdurchsetzung war, wirkt unter Bondi zunehmend wie ein politischer Ableger des Trump-Wahlkampfs – nur ohne Wahlurne, aber mit Sprechzettel. Und so wird aus einer Mappe ein Symbol: für eine Regierung, die sich selbst glaubt, wenn sie sagt, sie verteidige das Gesetz, während sie es in Wahrheit umschreibt. Die Szene wirkt fast satirisch – als hätte jemand „House of Cards“ in ein Gerichtsdrama verwandelt und vergessen, dass das Drehbuch real ist.
Man könnte sagen: Das war kein Versehen, sondern eine Offenbarung. In den Händen einer Ministerin, die das Wort „unabhängig“ vielleicht, aber nur noch vielleicht buchstabieren kann, wenn sie es aus den Akten anderer liest.
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