Ein Taco-Laden in Tucson, ein Morgen, der unscheinbar beginnt, und wenige Minuten später ein Tumult, der die Frage aufwirft, wie viel Rücksicht Bundesbehörden noch gegenüber der eigenen Bevölkerung zeigen. Was als Durchsuchung begann, endete in Pfefferspray, verletzten Beamten und einer frisch vereidigten Kongressabgeordneten, die hustend erklärt, sie sei ins Gesicht getroffen worden. Die demokratische Abgeordnete Adelita Grijalva, erst seit Wochen im Amt, schildert, sie und ihr Team seien bedrängt und besprüht von den Beamten worden, während sie versuchten zu verstehen, wer festgenommen wird und wohin Menschen gebracht werden. Die Szene wirkt wie ein Schlaglicht auf eine Härte, die längst zum Arbeitsstil geworden ist: maskierte Einsatzkräfte, die keine Fragen beantworten und auf jede Annäherung reagieren, als stünde ein Angriff bevor.
Bundesbehörden weisen Grijalvas Vorwürfe umgehend zurück. Sie sei nicht besprüht worden, sondern habe sich lediglich in der Nähe einer Person aufgehalten, die sich den Beamten in den Weg gestellt habe. In ihrer Darstellung ist der Einsatz nur Teil einer jahrelangen Ermittlung gegen Restaurants, die im Verdacht stehen, gegen Steuer- und Einwanderungsrecht verstoßen zu haben. Zwei verletzte Beamte, ein „Mob von Demonstranten“, wie eine Ministeriumsvertreterin es formuliert, und eine Abgeordnete, die aus ihrer Sicht hysterisch übertreibt. Doch die Bilder sprechen eine andere Sprache: Menschen rennen zurück, halten sich das Gesicht, ein Projektileinschlag nahe der Füße einer Kongressabgeordneten, hektische Bewegungen, hektische Befehle. Die Abstände zwischen Behauptung und Wirklichkeit werden enger, und die Frage nach Transparenz drängt sich auf.
Der Fall wäre schon für sich brisant – doch nur wenige Bundesstaaten weiter östlich wiederholt sich dasselbe Muster, diesmal mit einer US-Bürgerin, die nichts weiter tat, als vom Einkauf nach Hause zu laufen. Eine Kamera zeigt, wie neben Jacelynn Guzman ein Truck anhält, zwei maskierte Bundesbeamte aussteigen und auf sie zugehen. Guzman rennt, panisch, schreit den Männern zu, sie sei Amerikanerin. Sie erreicht ihr Haus erst, als weitere Fahrzeuge auftauchen und die Beamten sie bis vor die Tür verfolgen. Ihr Stiefvater stürzt hinaus, entsetzt darüber, wie seine Tochter gejagt wurde. Er beschreibt das Gefühl, sie könne entführt oder verletzt werden. Guzman selbst erklärt, dass sie nur fliehen konnte, weil sie sicher war, dass ihre Worte nichts bedeuten würden – nicht ihr Pass, nicht ihre Herkunft, nicht ihr Recht, in Ruhe gelassen zu werden.
Auch hier liefert das Ministerium eine Erklärung, die nur in Teilen trägt. Die maskierten Beamten hätten nach einem „kriminellen illegalen Einwanderer“ gesucht und Guzman nur angesprochen, weil sie der gesuchten Person ähnelte. Man habe sich ausgewiesen und sei dann gegangen. Dass die Kamera zeigt, wie mindestens zwei Fahrzeuge sie verfolgen, bleibt unerwähnt. Ebenso die Tatsache, dass die junge Frau weder einer Straftat verdächtig war noch irgendeine Form von Widerstand leistete. Für die Familie ist klar: Ihre Hautfarbe war der einzige Grund, warum sie zur Zielscheibe wurde. Sie und niemand aus ihrer Familie sind vorbestraft, amerikanische Staatsbürger.

New Orleans‘ künftige Bürgermeisterin Helena Moreno beschreibt die Lage inzwischen als akute Gefahr für die gesamte Stadt. Hunderte Beamte sind in der Region unterwegs, viele von ihnen vermummt, viele ohne klare Kennzeichnung. Offiziell geht es darum, gefährliche Straftäter festzunehmen. Doch Moreno berichtet von geschlossenen Geschäften, eingeschüchterten Familien und Straßen, die sich innerhalb weniger Tage geleert haben. In einer Stadt, deren hispanische Gemeinden ohnehin unter besonderer Beobachtung stehen, wirkt die Operation wie ein Freibrief für Einschüchterung. Moreno fordert tägliche Daten: wer angehalten wurde, warum, mit welchem Ergebnis. Die Bundesbehörden bleiben diese Zahlen schuldig.
Die Fälle Arizona und Louisiana verweben sich zu einem Bild, das schwer ignorierbar ist. Eine Kongressabgeordnete hustet Pfefferspray aus, ein 23-jähriges amerikanisches Mädchen rennt um ihr Leben, Beamte sprechen von „Mobs“, während Bürgerrechtler vor Übergriffen warnen. Die Trump-Regierung behauptet, es gehe um Sicherheit und Rechtsdurchsetzung. Doch immer mehr Szenen zeigen Menschen, die nichts verbrochen haben und trotzdem zum Ziel werden. Zwei demokratische Abgeordnete wurden dieses Jahr bereits zu Boden gestoßen oder festgehalten, während sie versuchten, Informationen über Festnahmen zu bekommen. Der Respekt vor gewählten Vertretern – früher eine Selbstverständlichkeit – hat in den Augen vieler Einsatzkräfte keinen erkennbaren Stellenwert mehr.
Was bleibt, ist das Gefühl, dass der Staat seine eigene Bevölkerung mit einer Härte behandelt, die früher undenkbar schien. Wo Pfefferspray gegen Journalisten eingesetzt wird, wo US-Bürgerinnen vor ihrem eigenen Haus verfolgt werden, wo Beamte erst handeln und dann erklären, wächst die Angst, dass Fehler nicht die Ausnahme, sondern das System sind. Es ist ein Klima entstanden, in dem Zugehörigkeit, Hautfarbe und Herkunft darüber entscheiden, wie ein Mensch behandelt wird – und in dem selbst ein Abgeordnetenausweis nicht mehr schützt. Die Frage, die sich durch beide Fälle zieht, ist schlicht: Wenn Bundesbeamte sich so verhalten, während Kameras laufen und Abgeordnete danebenstehen, wie agieren sie dort, wo niemand filmt?
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Mir fehlen die Worte….ungeheuerlich was da abgeht…😬
ja, daher unser Kampf der auch Unterstützung braucht, denn wir kommen kaum noch nach
Eine Terrororganisation an der Regierung 😢