Lügenpresse – Ein deutscher Begriff zwischen Propaganda und Wahrheit

VonRainer Hofmann

Mai 22, 2025

Von Goebbels zur AfD – Die Wiedergeburt eines Begriffs.

Es ist ein Wort, das wie ein dunkler Schatten durch die deutsche Geschichte zieht – „Lügenpresse“. Ein Begriff, der mit harten Konturen in die politische Sprache eingebrannt ist. In ihm verbinden sich Misstrauen, Manipulation und ein Hass auf die freie Presse, der sich von den Schützengräben des Ersten Weltkriegs bis in die digitalen Echokammern der Gegenwart zieht.

Der Ursprung des Begriffs reicht weit zurück. Bereits im Ersten Weltkrieg verwendeten deutsche Nationalisten das Wort, um ausländische Berichte als Propaganda zu diffamieren. Die Vorstellung, dass „die Presse lügt“, war ein Instrument der psychologischen Kriegsführung – eine Möglichkeit, eigene Niederlagen zu erklären und den Feind als hinterlistig darzustellen.

Doch seine wahre Blütezeit erlebte der Begriff unter den Nationalsozialisten. Unter Joseph Goebbels, dem Propagandaminister Adolf Hitlers, wurde die Bezeichnung „Lügenpresse“ zu einem zentralen Propagandamittel. Alles, was nicht der nationalsozialistischen Ideologie entsprach, wurde als Teil einer „Lügenpresse“ abgetan – ob kritische Berichte aus dem Ausland oder oppositionelle Stimmen im Inland.

Adolf Eichmann und der verzerrte Blick

Interessanterweise taucht der Geist der „Lügenpresse“ auch in den Vernehmungen Adolf Eichmanns auf. Eichmann, der Organisator des Holocausts, versuchte während seiner Verhöre in Israel 1960, seine eigene Rolle herunterzuspielen. Er beschwerte sich über die Medienberichterstattung der Nürnberger Prozesse, die seiner Meinung nach ein „verzerrtes Bild“ der nationalsozialistischen Führung und ihrer Taten gezeichnet hätten. Der israelische Vernehmer Avner Werner Less dokumentierte Eichmanns Tendenz zur Verharmlosung und zur Delegitimierung kritischer Berichterstattung.

Auch wenn Eichmann den Begriff „Lügenpresse“ nicht explizit verwendete, zeigt sein Verhalten eine ähnliche Geisteshaltung. Er sah sich als Opfer einer feindlichen Medienkampagne – eine Haltung, die auch die AfD und andere rechtspopulistische Bewegungen heute wiederbelebt haben.

Von Goebbels zur AfD – Die Wiedergeburt eines Begriffs

Der Begriff „Lügenpresse“ ist keineswegs in den Ruinen des Dritten Reichs geblieben. Er hat seine Rückkehr gefeiert – in den Demonstrationen von Pegida, auf den Wahlkampfveranstaltungen der AfD und in den sozialen Netzwerken, wo Populisten ihn als Waffe gegen kritische Berichterstattung einsetzen.

Für die AfD ist „Lügenpresse“ ein Schlagwort, ein Hebel, um jede Form der Kritik als „gelenkt“ und „manipuliert“ darzustellen. Doch genau darin entlarvt sich die Partei selbst. Indem sie jeden kritischen Bericht als „Lüge“ abtut, zeigt sie ihre eigene Schwäche: eine Angst vor der Wahrheit.

Denn „Lügenpresse“ ist nie ein neutraler Begriff. Er ist der Schrei derjenigen, die keine Argumente haben. Der Ruf derer, die nicht widersprechen, sondern zum Schweigen bringen wollen.

Am Ende ist „Lügenpresse“ weniger ein Angriff auf die Presse als auf die Wahrheit selbst.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x